Ein quietschlebendiges Musical im Opernhaus
Beziehungsdramen haben wieder Konjunktur auf deutschen Bühnen. Dass man dies auch auf lebendige, unterhaltsame und gleichzeitig nachdenkliche Weise machen kann, beweist derzeit Tom Ryser mit "Kiss me, Kate" im Kasseler Opernhaus. Seine Inszenierung sprudelt über vor Ideen und Einfällen. Sie lebt von der Begeisterungsfähigkeit des Ensembles und von zwei Hauptdarstellern, die das vorgeschriebenen Katz-und-Maus-Spiel fast zur Perfektion treiben.Das Musical von Cole Porter, Simon und Bella Spewack ist das Paradebeispiel für eine Stück-im-Stück-Konstruktion. Tom Ryser denkt dieses Prinzip so weit zu Ende, dass die Grenzen zwischen Rahmen- und Binnenhandlung für den ungeübten Zuschauer gelegentlich verschwinden. Das Bühnenbild von Mayke Hegger leistet dabei großartige Unterstützungsarbeit.
Dirk Schäfer spielt den Theaterchef Fred Graham.
Alle Fotos: Nils Klinger
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Zudem ist Lilli Vanessi mit dem General Harrison Howell verlobt, der fest entschlossen ist, die Dame dem Diktat der Ehe zu unterwerfen. Dann tauchen auch noch zwei Gangster auf, die die Spielschulden, die Bill unter Freds Namen gemacht hat, eintreiben wollen. Zur Not auch mit Waffengewalt. Doch Fred Graham schafft es, die beiden Geldeintreiber auf seine Seite zu ziehen.
Das dürfte eigentlich genug Stoff für zwei Musicals, aber in diesen Rahmen wird auch noch die Aufführung der Widerspenstigen Zähmung eingepasst. Es spricht für das Werk von Cole Porter und vor allem für die Inszenierung von Ryser, dass das Stück an keiner Stelle überladen wirkt. Er lässt das Publikum an der Entstehung des Binnenstück teilhaben, das Musical wird so zum "Work in Progress". Alles wird offen gelegt, die Umbauten erfolgen im laufenden Stück und selbst die Souffleuse ist am linken Bühnenrand sichtbar platziert. Zudem korrespondiert die Hektik der simulierten Theaterproduktion mit dem Tumult des Shakespeareschen Stücks, ohne dass die Aufführung in Richtung Alberei abgleitet.
Säule der Inszenierung ist das Bühnenbild von Mayke Hegger. Es ist auf Symbole reduziert und der Blick geht bis tief in die Hinterbühne. Zwei einfache Tische, ein paar Lampen und zwei Rahmen ohen Spüiegel, mehr braucht es nicht, um eine Garderobe. Ein Beleuchtungszug kommt ins Blickfeld, auf der Hinterbühne werden Stühle aneinandergereiht und schon ist klar, dass die Handlung in einem Theater stattfindet Sogar die Beleuchtungstürme links und rechts werden in das Spiel miteinbezogen. Die Aussage ist klar: Musical ist nicht Glamour sondern harte Arbeit vieler Beteiligter.
Auf der Drehbühne findet der Widerspenstigen Zähmung statt. Foto: N. Klinger |
Wechsel ist ein durchgängiges Motiv in dieser Aufführung, denn das turbulente Treiben beginnt mit einem Moment der Orientierungslosigkeit, als Inspizient Paul (Peter Schenk) die leere und dunkle Bühne betritt, in die Stille hineinruft und lange keine Antwort bekommt. Jubel und Trubel kommen erst im Schlepptau von Fred Graham (Dirk Schäfer) auf die Bühne. Kurz vor der gespielten Premiere darf sich das gesamte Ensemble inklusive Chor und Orchester zeigen. Alle sind in gespielter Hektik. Das Publikum sieht nicht nur, wer alles beteiligt ist, Ryser mcht nicht nur "Work in Progress", sondern er eröffnet damit eine neue Ebene, ein neues Stück-im-Stück ohne den Faden zu verlieren.
Zum Auftakt des zweiten Aktes greift die Aufführung dieses Ruhe-vor-dem-Sturm-Motiv noch einmal auf. Dieses Mal wird es aber in einer furiosen Tanzshow aufgelöst, die vor allem die Freude der Tanzkompanie an der ungewohnten Arbeit zeigt.
Lilli lässt sich nicht zähmen. Foto: N. Klinger |
Aus heutiger Perspektive gehört das Beziehungsmusical "Kiss me, Kate" eher in die Schublade "Chauvi-Stück", doch mit wenigen Änderungen, die nicht immer political correct sind, hat Ryser die Akzente in Richtung anerkennende Partnerschaft verschoben. Im Schlussmonolog versichert Kate/Lilli alles für ihren Petruchio/Fred zu tun, weil sie weiß, dass auch er alles für sie tun würde. Mit diesem einen Satz lässt Ryser Shakespeares Patriarchat in sich zusammenfallen.
Peter Schenk darf den ersten und den zweiten Akt eröffnen. Foto: N. Klinger |
Ein Highlight ist sicher auch das Orchester unter der Leitung von Deniola Kuraja. Der Klangkörper harmoniert perfekt mit dem Ensemble und bleibt dynamisch ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Aber vor allem kann das Orchester mit klanglicher Transparenz begeistern. Jedes Instrument hat seinen erkennbaren Platz
Das Staatstheater Kassel
Das Stück in der Eigendarstellung
Das Stück bei wikipedia