Mittwoch, 7. März 2018

Quicklebendig in den Tod

TfN spielt die Love Story

Hier ist alles auf das Ende hin konstruiert und das dürfte bekannt sein: Jennifer Cavalleri ist tot. Im zarten Alter von 25 rafft sie die Leukämie dahin. Doch bis es soweit ist, zeigt sich das Ensemble des Theater für Niedersachsen quicklebendig. IN der Inszenierung von Chef Jörg Gade bleiben die Taschentuch-Phasen erfreulich kurz.

Als Film war Love Story die Gefühlsattacke der 70er Jahre. Die Geschichte ist auch herzzerreißend. Junger Schnösel trifft auf talentiertes Mädchen aus einfachen Verhältnissen. Nach ersten Zankereien verlieben sie sich ineinander. Gegen den Widerstand seiner Eltern heiraten beide und verzichten auf Geld und Karriere. Unter widrigen Umständen bringt er sein Studium zu Ende und bekommt eine Anstellung. Doch als alles gut zu werden droht, erkrankt sie und stirbt in Windeseile.

Vierzig Jahre später haben Stephen Clark und Howard Goodall daraus ein Musical gemacht. die Inszenierung von Jörg Gade am TfN überzeugt, weil sie den Fokus weg vom Herz-Schmerz hin zur Entwicklung der beiden Hauptfiguren verschiebt. So wenig Heul wie möglich, soviel Heul wie nötig, mag man unzuverlässig verkürzen.

Das erste Date beim Kaffee verspricht nichts Gutes.
Alle Fotos: TfN
Vor allem strahlen Elisabeth Köstner und Jürgen Brehm in den Hauptrollen eine erfrischen Jugendlichkeit aus. Fast scheint es als ginge Jennifer quicklebendig in den Tod. An die Jugendlichkeit wirkt nicht aufgesetzt oder erzwungen. Höchster Ausdruck dieser Lebendigkeit ist die Koch-Szene am Anfang des zweiten Aktes.

Dabei kann Köstner schauspielerisch und stimmlich überzeugen. sie findet auch den Schalter, um schnell in die besinnlichen Momenten umzuschalten, wenn sie im zweiten Akt im Zwiegespräch mit ihrer toten Mutter vertieft. Die Dominanz der heiteren Szenen lässt den Absturz in die Todesspirale aber um so härter empfinden.

Jürgen Brehm kann vor allem als sturköpfiger Sohn überzeugen. Leider schwächelt Jens Krause als sein Widerpart ein wenig in den Vater-Sohn-Szenen. Ein bisschen weniger Gentleman und etwas mehr Anstrengung im Erziehungsgeschäft sollte man Krause ruhig mal ansehen dürfen. Dennoch haben sie einen hohen Wiedererkennungswert und tragen dazu bei, den Fokus weg von der Geschichte hin zu den Handelnden zu verschieben. Dabei wirkt das Bühnenbild aus Bücherrücken fast schon wie ein Arena.

Alexander Prosek verfügt in der Rolle des Phil Cavalleri da über eine ganz andere Präsenz. Er macht mit großen Gesten den italienischen Papa so, wie man ihn sich vorstellt: Laut, launisch aber herzlich. da wirkt der Dialekt manchmal zu dick aufgetragen.

Friede, Freude und kein Eierkuchen im Eigenheim.
Mit dem Stationstheater und mit der schnellen Abfolge der Szenen gelingt es Gade, das Tempo eines Filmes zu imitieren und die große Zeitspanne kurzweilig zu überbrücken. So rafft er die Entwicklung von fünf Jahren auf zwei Stunden zusammen. Der Umbau bei offenen Vorhang erhöht Spannung und Tempo gleichermaßen. Das variable Bühnenbild von Hannes Neumaier schafft nicht nur einen kleinen Kosmos. Mit seinen vielfältigen Funktionen ist es gleichermaßen wie ein Schweizer Taschenmesser.

Mit der Beerdigung als Start- und Schlussszene schafft er einen erzählerischen Ring, der die Entwicklung umso deutlicher macht. Das manche Dialoge dabei direkt aus dem Film stammen, das erfreut vor allem die Cineasten und andere Fachleute.

Die Szene, die sich aber einbrennt ist die Diagnose Leukämie. Erst himmelhoch jauchzend und beschwingt, sterben schlagartig alle Geräusche, die Bewegungen werden eingefroren und die Stille ist so großartig, dass man sogar den Nachbar zwei Reihen vorne schlucken hört.

Aus musikalisch dominieren vor allem die heiteren Töne und Musical-Tempo. Clark und Goodall haben sich ein wenig von der Vorlage entfernt. Wohl kein Song hat in den 70er Jahren die Lautsprecher so verkleistert wie die Schicksalsmelodie aus dem Love Story Soundtrack. Zum Glück taucht dieses Motive nur einmal in dieser Inszenierung auf.

Anfang und Ende: Die Beerdigungsszene. 
Alle Fotos: TfN
Überhaupt verzichtet Andreas Unsicker als musikalischer Leiter auf's Lamento. Klarinette und Bläser setzen  einen deutlichen Kontrast zu den Streichern. Zusammen ergibt dies eine transparenten Klang.

Na gut, was noch bleibt, ist die Botschaft. Sie verzichtet zu seinen Gunsten auf ihre Karriere und vermisst doch nichts Autor Erich Segal musste sich in den 70er Jahren dafür den Vorwurf  des Konservativismus gefallen lassen. An der Botschaft hat sich nichts geändert und trotzdem regt sich niemand auf. Vielleicht liegt es daran, dass solch ein altbackenes Bild für die Generation Klettverschluss wieder an Attraktivität gewonnen hat.

Die Inszenierung des TfN ficht das nicht an. Sie setzt vor allem auf lebendige Jugendlichkeit bis zum Schluss. Das ist das, was von Jennifer Cavalleri bleiben wird und damit ist sie in den Himmel der Popstars aufgestiegen.



TfN #1: Der Spielplan
TfN #2: Das Stück


Material #1: Der Film
Material #2: Der Autor




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