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Samstag, 7. März 2015

Immer 'ne Buddel voll Rum

Die Schatzinsel als szenische Lesung mit den stillen hunden

Das ist ganz großes Kopfkino, da werden jede Menge Bilder lebendig und freigesetzt. Die stillen hunde lesen "Die Schatzinsel" in der Stadtbibliothek Herzberg und beweisen, dass es ein Werk vor allem für Erwachsene ist. Dabei zeigen Christoph Huber und Stefan Dehler eine kompositorische Dichte, die von tiefer Durchdringung der Vorlage zeugt. Am Ende des Abends gab  es jede Menge vorder- und hintergründige Lacher, überzeugte Fans, neue Einsichten in ein scheinbar vertrautes Werk, der Ohrwurm von den fünfzehn Mann auf der Kiste, der Buddel voll Rum, das Herzen voller Sehnsucht und der Kopf voller Abenteuer. Alles was fehlt zum Seefahrerglück, das ist der Geschmack von Salzwasser auf den Lippen und der Wind in den Haaren.
Die stillen hunde haben im Harz mittlerweile eine treue Anhängerschaft und die wartet geduldig im Lesesaal der Stadtbibliothek Herzberg. Die Abenteuerlust ist groß, denn aus den letzten Lesungen wissen die meisten, dass Christoph Huber und Stefan Dehler immer ein paar Überraschungen im Seesack haben.
Stefan Dehler führt als Jim Hawkins in
Seefahrergeschichte ein.
Beide berichten aus der Autobiografie von Loyd Osbourne, Stiefsohn von Schatzinsel-Autor Robert Louis Stevenson, über die Entstehung des Buchs. Der erste Fels in der Brandung ist erreicht: Der Zufall gebärt nämlich die besten Werke und so war es auch bei der der Mütter aller Seefahrerromane. Doch, das ist die Schatzinsel. Die stillen hunde haben die Erinnerungen an 20 Verfilmungen im Laderaum.
Nach der kurzen Exkursion in die Literaturgeschichte brechen Käpt'n Huber und Steuermann Dehler mit ihrer Mannschaft auf zu einer Reise zurück zu den Abenteuer der Kindheit. Die Fahrt geht über die stürmischen Wortmeere, um das Kap der guten Gefährten und über die Klippen der finsteren Gestalten. Als Heimathafen dient das Nebenzimmer der Bücherei.
Was auf den ersten Blick als Nachteil erscheint, die drangvolle Enge, entpuppt sich als Plus und Katalysator. Durch das Mann an Mann, Frau an Frau wird die szenische Lesung körperlich erfahrbar, der knappe Raum verdichtet die Erzählung.
Das Kopfkino funktioniert. Mit wenigen Requisiten wird die Illusion an diesem Abend perfekt. Das Publikum harrt unter Deck auf das, was unvermeidlich kommen wird. Das hier ist mitnichten der schnöde Multifunktionsraum einer Bücherei im Harz. Fürwahr, es ist der Laderaum eines literarischen Seglers. Das Fachwerk wird zu dem Balken des Schiffsrumpf. Das Knarren des Laminats ist das Knarren der Schiffsplanken. Aber es gibt immer eine Handbreit Wasser unterm Kile der Fantasie.
Die Bühne senkt die Raumhöhe optisch, stäählung,ndig meint man, den Kopf einzuziehen zu müssen, um sich nicht Anzstossen. Sechs Arbeitslampen hängen von der Decke und wirken wie Schiffslaternen.
Das Spiel von Stefan Dehler und Christoph Huber funktioniert so gut, weil die Rollen, die Charaktere so klar verteilt sind. Huber übernimmt die holprigen, die lauten Figuren wie Bill Bones oder Sir John Trewlawny oder die Bösewichter wie Der Schwarze Hund oder der Blinde Pew. Hier kann er seine Präsenz ausspielen und urgewaltig sein, mit Stimmvolumen überzeugen, finster dreinschauen oder einfach auch mal albern sein als Mutter von Jim Hawkins. Huber pendelt auf höchstem Niveau zwischen Tragik und Klamauk und bedient dabei das ganze Spektrum dazwischen. Er ruft auch die Erinnerung wach, dass der großspurige Gutsherr Trewlawny das Unternehmen Schatzsuche von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Diese Rollenzuweisungen funktionieren jedesmal, bis dieses einfache Schema gebrochen wird.
Christoph Huber kann in den lauten Rollen glänzen.
Alle Fotos: tok
Für Stefan Dehler bleiben die ruhigen Rollen. Als Jim Hawkins ist er Träger der Erzählung, als Doktor Livesey bald schon allwissend und als heimlicher Regisseur holt er seinen Kompagnon immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn Huber im Überschwang zu Höhenflügen ansetzt. Das ist einfach, aber wirksam und macht aus der 130 Jahre alten Abenteuergeschichte um den Schatz des Captain Flint ein Jetzt-Stück. Beeindruckend ist sein Solo mit sich selbst, als er in der Rolle des John Silver mit dem Schiffsjungen Jim Hawkins einen Dialog ohne Widerrede führt. Das ist die hohe Kunst der Imagination. Das ist wie Hörbuch aus Fleisch und Blut.
Aber der Abend ist nicht das Weitertragen eine historischen Geschichte. Der ERzählstrang wird immer wieder gebrochen, wenn Regieanweisungen auftauchen oder Seitenhiebe auf die Gegewart erfolgen. Dann muss das Publikum mit anpacken, so ist dass nun mal an Bord und unter Deck. Jeder muss seinen Teile zu Gelingen der Reise beitragen. Die Grenze zwischen Ensemble und Zuschauer verschwinden, aber die stillen hunde und ihr Publikum sind aneindergewöhnt, da greift man auch schon mal zu. Das darf ruhig albern sein, wenn die Gummipuppe aus der Seekiste auftaucht, das kann geinschaftsstiftend sein wie das Lied von den 15 Mann auf der Kiste und der Buddel voll Rum. Schließlich sind Shantys nun einmal Arbeitslieder.
Am Ende der Reise bleibt die Gewissheit, das die Schatzinsel viel zu schade ist, um sie nur den Kindern zu überlassen und dass Reisen zurück in Jugend neue Einsichten zu vermeintlich bekannten Geschichten bringen. Alles was fehlt zum Seefahrerglück, das ist der Geschmack von Salzwasser auf den Lippen und der Wind in den Haaren.

Am 18.April brechen die stillen hunde zu einer neuen Reise auf die Schatzinsel auf. Heimathafen ist dann die Stadtbücherei Bad Lauterberg.

Die stillen hunde
Das Stück

Die Stadtbibliothek Herzberg

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