Gekonnte Unterhaltung: Entführung aus dem Serail bei den Schlossfestspielen
Ein wenig Poesie, jede Menge Herzschmerz und vor allem überbordender Großmut. Mit der "Entführung aus dem Serail" zeigt Saskia Kuhlmann bei den Schlossfestspielen gekonnte Unterhaltung. Die Inszenierung zeigt vor allem zwei starke Sängerinnen und einen überraschenden Bass.Die Poesie gibt es gleich zum Anfang. Zur Ouvertüre durchmisst ein Kind die riesige Bühne vor dem Schloss, lässt sich am Wassergraben nieder und schaut versonnen. Dann zieht es unter sichtlicher Kraftanstrengung ein Segelschiff zu sich heran. Das ist nicht nur schön anzusehen. So hat Saskia Kuhlmann auch die Vorgeschichte der Entführung in einer betörenden Szene aufgelöst.
Sehnsucht im Blick: SuJin Bae als Konstanze.
Alle Fotos: Marco Kneise
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"Die Entführung aus dem Serail" war 1782 Mozarts erste Oper in deutscher Sprache. die Elemente der Operette aus der Vorlage von Bretzner griff er dankbar und verwirklichte so seine Vorstellungen einer neuen Form der Oper. Kuhlmann entwickelt diesen Ansatz weiter. Sie verzichtet komplett auf die Rezitative und ersetzt diese mit Sprechtheater.
Das erleichtert nicht nur die Rezeption. Damit verschwinden auch die Grenzen zwischen Oper und
Operette vollends. Das ist das kleine Zugeständnis an eine Aufführung, die sich ansonsten ganz traditionell zeigt.
Aus der Retrospektive erzählt Pascha Selim die Geschichte einer Liebe, die ihm geraubt wurde. Wie ihn jemand betrogen hat, den er als Gast aufgenommen hat und wie er auf ein Recht verzichtet hat, das ihm aus der Binnenperspektive zustand. Damit ist die Rollenverteilung klar: Hier der gütie Selim, dort der feige und hinterlistige Belmonte.
Schon in der Gestik und Mimik der Kontrahenten wird dies deutlich. Jaron Löwenberg stolziert stets mit breiter Brust. Die Bühne ist sein Reich und wenn auftritt haben alle zu schweigen. Kyounghan Seo wirkt dagegen wie ein Schatten. Stets zieht er die Schultern nach innen und ständig inspiziert er den Fußboden. Löwenbergs Stimme ist voll und ohne Zweifel, Seo intoniert an der Grenze des Hörbaren. Da ist es nicht überraschend, dass nur Selim am Schluss Größe beweisen kann und auf die Angebetete verzicht. Die Kontrahenten arbeiten hier auf den vorgezeichnete Ende hin.
Kann man solch eine Interpretation heute noch abliefern? Selims vermeintliches Vorrecht basiert schließlich auf einem Unrecht, dem Sklavenhandel. Sein Wunsch nach Glück wird erst durch das Unglück der anderen ermöglicht. Auch ein Sommertheater muss nicht auf Reflektion verzichten.
Starkes Mädchen: Amelie Petrich als Blonde.
Alle Fotos: Marco Kneise
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SuJin Bae gehört zu den Höhepunkten dieser Aufführung. Ihr Sopran ist klar und ohne Zittern kommt sie bis schwindelerregende Höhe. Dabei bleibt ihr Vortrag zart und zurückhaltend, vielleicht ein wenig zu zart, um die Koloraturen bis zum Ende herauszuarbeiten.
Da ist Amelie Petrich als Blonde aus anderem Holz. Ihr Sopran ist kraftvoll und überzeugend. Sie beweist Präsenz und in ihrer schnellen Gestik steckt Lebenslust. Dabei hat sich die selben stimmlichen Qualitäten wie Bae. Damit ist folgerichtig, dass sie die entscheidende Aussage treffen darf: "Frauen sind keine Ware." Deswegen wird sie auch nicht in die Kostüme der Vergangenheit gesteckt, sondern darf ein wenig Cindy Lauper spielen.
Michael Tews stiehlt den anderen Herren auf der Bühne fast die Schau. Sein Bass ist von überzeugender Dynamik und die Koloraturen sind von erstaunlicher Klarheit. In der Rolle des Haremswärter Osmin zeigt er das beste Augenrollen seit Carlo Pedersoli. Das hebt noch einmal den sommerlichen Charakter dieser Inszenierung hervor.
Ein wenig Exotik, jede Menge Menschenliebe und ein versöhnlicher Schluss. Mit der "Entführung aus dem Serail" hat Saskia Kuhlmann eine Inszenierung vorgelegt, die die Anforderungen eines Sommerabends voll erfüllt.
Material #1: Schlossfestspiele - Die Website
Material #2: Entführung aus dem Serail - Die Inszenierung
Material #3: Entführung aus dem Serail - Die Oper
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