Die vier Evangcellisten gastieren bei Theaternatur
Das Cello gehört zu den Instrument, die am häufigsten unterschätzt werden. Das bewies das Konzert der Evangcellisten beim Theaternatur-Festival. Erst nach zwei Zugaben entließ das Publikum die Musiker von diesem verzauberten Ort.Es ist eine Szenerie so surreal wie ein Film von Bunuel. Mitten zwischen hohen Fichten steht eine Bühne, darauf vier Notenständer und vier weiße Stühle. Eine weiße Wand blockiert den Blick ins Dunkelgrüne und lenkt die Aufmerksamkeit ganz auf die Musiker.
Ein Quartett mit Kammermusik ist der Ausdruck häuslichen und heimischen Musikgenuss.Dies nun in die Natur zu verlegen, baut einen Kontrast auf, der diesen Ort verzaubert
Eine Szenerie wie bei Luis Bunuel: Celli mitten im Wald. Alle Fotos: Kügler |
Das Programm besteht aus Werken vom Barock bis in den Jazz, doch der Schwerpunkt liegt eindeutig bei Opern-Literatur. Somit ist das erste Set dominiert von der Musik des neunzehnten Jahrhunderts. Moderator Markus Jung hat in Anlehnung an das Festivalmotto diesen Teil mit "Grenzen der Liebe" überschrieben. Es geht um schmerzhafte Beziehungen, die häufig unvorteilhaft für die Beteiligten enden.
Schon bei den beiden Donizetti-Werken wird das Können und das Konzept deutlich. Die Celli übernehmen in den Arien die Aufgabe der Stimmen und klagen Leid und Freud. Gesang auf vier Saiten. Man sieht Donizetti Tränen auf vom Bogentropen. Gerade Markus Jung und Lukas Dihle bauen ein Wechselspiel auf, das die Celli zu Duetten verbindet.
Als Mathias Beyer in der Turandot-Arie den Gesang zum Terzett ausbaut, ist der Gipfel erreicht. Dieser Grad an Zusammenspiel ist schon außergewöhnlich und die Basis ist wohl ein gemeinsames Verständnis von Musik.
Dem Dvorak-Diktum zum Trotz ist dieses Instrument unter den Streichern, dasjenige, das die größte Bandbreite und die größte Auswahl an Stimmungen bietet. Deshalb vermisst das Publikum das große Orchester ganz bestimmt nicht. Gestrichen, gezupft und im Pizzicato, auch die Vielfalt der Spielweisen trägt zum Gefallen. Das Publikum lässt sich bereitwillig eins ums andere Mal verzaubern. Musiker, Zuhörer und Ort gehen eine Symbiose ein.
Doch erst mit der Carmen-Arie kommt auch Schwung in den Vortrag. Jetzt geht es auch mal ins Staccato. Die enttäuschte Liebe geht über in den Zorn und das tut dem Konzert gut. Der Tango vor der Pause zeigt zwei Dinge: Auch Hannes Riemann darf sich jetzt mal zeigen und das Cello ist für Klassik eigentlich viel zu schade. Es kann vielmehr.
Jung fällt aus dem Rahmen: Dihle, Riemann und Beyer bei der Arbeit. Fotos: Thomas Kügler |
Losgelöst von den strengen Mustern der Klassik und der Romantik sind die Gewichte im Ensemble nun gleichmäßig verteilt. Somit ist es folgerichtig, dass sich die Evangcellisten auf ihrem aktuellen Album "Al Son del Tango" sehr intensiv mit diesem Genre auseinandersetzen.
Dann gibt es die nächste Überraschung. Das Cello kann auch Jazz, es kann auch cool sein oder eben lebenslustig. Die Evangcellisten-Interpretation von "Take five" Brubeck-Version in nichts nach. Dihle baut das weltberühmte Motto aus fünf Akkorden auf und reicht es am Riemann weiter. Der improvisierte darüber und dann ist Beyer dran, bevor Jung dann den Abschluss macht. Das ist der Geist des Jazz und er lebt mitten im Wald auf vier mal vier Saiten. Die Folge ist ein begeistertes Publikum.
Da stellt sich einzig die Frage, warum nicht gleich so? Warum nicht mal die Abfolge umdrehen. Aber auf jeden Fall bleibt in Anlehnung an Alexander Milne die Gewissheit, dass an jenem verzaubert Ort mitten im Wald immer ein Cello sein wird.
Material #1: Die vier Evangcellisten - Die Website
Maerial #2: Theaternatur-Festival - Das Programm
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen