Donnerstag, 15. August 2013

Grube Büchenberg: Ein Schatz für das Bücherregal

Macht eine Ausstellung draus!


In der theater- und konzertfreien Zeit kümmere ich mich mal um ein anderes Stück Harzer Kultur.


Kann man die ganze Welt in einem Satz erklären? Wohl kaum. Kann man den Harzer Bergbau in einem Buch erklären. Wolfgang Schilling und sechzehn Co-Autoren haben den Versuch unternommen, zumindest das Revier am Büchenberg und seine Schächte in all ihren Facetten zu erklären.
Diesen Schatz zu heben, das verlangt
einige Zeit. Fotos: Westermann
Das Bergwerk bei Elbingerode war die größte Eisenerzgrube im Harz. Nach einer langen und wechselvollen Geschichte wurde der Betrieb 1969/70 quasi über Nacht eingestellt. Geblieben ist ein Schaubergwerk, das heute nicht einmal 10 Prozent der ehemalige Grube erfasst. Begonnen hat die Montangeschichte im Büchenbergrevier irgendwann zwischen dem späten 8. und dem mittleren 10. Jahrhundert. In diesem mehr als tausend Jahren ist jede Menge Material zusammengekommen und haben sich viele Seitenstränge aufgetan. Diese alle abzuarbeiten, das war ganz offensichtlich der Ehrgeiz der Autoren.So muss Wolfgang Schilling im Vorwort eingestehen, das die Fülle kaum überschaubar war. Herausgekommen ein Werk, dass auf 308 Seiten die kleine eigene Welt im Büchenbergrevier in allen Aspekten beleuchtet. Liebevoll gestaltet und hochwertig produziert ist das  Schwergewicht ein papierner Schatz, der bibliophilen Ansprüchen Genüge tut. Dieses Schwergewicht in den Händen zu halten und zu blättern, ist schon Freude pur.
Doch eine weitere Frage ist: Wer ist eigentlich Adressat?An wem richtet sich das Buch? In zehn Kapiteln, angefangen mit geologischen Fragen und hin bis zur künstlerischen Aufarbeitung der Montanhistorie, bleibt sicherlich kein Aspekt unbedacht. Aber das ist auch die Gefahr und an einigen Stellen fragt sich der Leser: “Hätte man daraus nicht 2 oder gar drei Bücher machen sollen?”
Wie es nun einmal so ist bei einer Anthologie. Ein Autor geht in die Breite, ein anderer bringt es pointiert und machner scheitert an den eigenen Ansprüchen. Allen ist gemeinsam, dass sie sich einer Sprache bedienen, die die Fachausdrücke vergangener Montanzeiten aufgreift und im Fachjargon verbleibt. Der Leser, der sonst der Oberfläche verhaftet ist, muss sich in diese Welt erst hineindenken und wieder muss die Frage nach dem Adressaten gestellt werden.
Sicherlich mag es aus wissenschaftlicher Sicht richtig sein, anfangs geologische Aspekte und die Entstehung des Eisenerzes im Mittelharz zu erläutern. Doch eben für Laien ist dies schon ein sprödes Gestein, das verdaut werden muss. Es bleibt natürlich jeden überlassen, dieses oder auch andere Kapitel zu überschlagen. Vielleicht hätte man die Zusammenfassung von Seite 302 als Prolog an den Anfang stellen oder noch eine Erläuterung für Nicht-Ortskundige geben sollen.
Aber “Grube Büchenberg - Eiserner Schatz im Harz” kann auch als Kompendium gelesen werden. Natürlich findet jeder hier seine Themen aus der Sagenwelt des Harzer Bergbaus. Wer nach dem Kapitel “Wasserwirtschaft im Bergbau” den ambivalenten Umgang mit nassen Element immer noch nicht verstanden hat, der wird die Harzer Wasserwirtschaft wohl nie verstehen. Auf acht Seiten komprimiert erläutert Dr. Dieter Mucke zahlenreich und fundiert jenes schwierige Verhältnis der Bergleute zum Wasser, den Fluch und seinen Nutzen.
Manchmal kommt man aus dem
Staunen nicht mehr heraus.
Wer als Laie die Theorie hinter sich gebracht oder übersprungen hat, dem erwartet ein fesselndes Buch, das vor allem mit seinen faszinierenden Bildern überzeugt. Annette Westermann und Wolfgang Schilling zeigen eine verborgene Welt, in die man eintauchen möchte, eine Welt, deren Farbenpracht und Formenvielfalt nur im unterirdischen Reservat überleben konnte und deren Reproduktion nur mit höchstem Qualitätsbewusstsein möglich ist. Der Bücherfreund freut sich. Allein deswegen lohnt sich die Anschaffung, aber die Forderung lautet: “Das muss jeder sehen, macht eine Fotoausstellung daraus!”
Das Buch bietet nicht nur Historie, sondern auch Zeitgeschichte. Wie in anderen Harzer Revieren war auch am Büchenberg in den 20er Jahren Schluss, doch die Rüstungspläne der Nazis sorgten für Renaissance und Scheinblüte. Jetzt hielt der moderne Bergbau in Elbingerode Einzug und nach mehreren Aufschlüssen erreichten die SChächte am Büchenberg eine bis dato unbekannte Größe. Wie fest das Elbingeroder Revier in die Kriegspläne desNS-Regimes eingebunden war, das zeichnen Strutz, Knolle und Schilling konzentriert auf 21 Seiten nach und sie verdeutlichen die Rolle der Zwangsarbeiter und der Kriegsgefangenen innerhalb dieses Maschinerie nochmals.
Günther Müller und Gerhard Rösicke ist eine materialreiche und umfassende Darstellung der Zeit zwischen 1945 und 1971 gelungen. Doch leider ist sie eher technikzentriert und lehrbuchhaft, selbst die Brigade und der Aufbau eines Kombinats werden erläutert. Doch Zeitzeugen kommen nicht zu Wort und so wird die Chance einer lebendigen Geschichtsschreibung verpasst.
Dieses Buch ist eher eine Liebe auf den zweiten Blick und je länger man blättert, dest tiefer wird die Zuneigung. Bildgewaltig kommt Kapitel sechs daher, die Grube Büchenberg als verlassene Industriekultur. Wolfgang Schilling gelingt die Darstellung einer befremdlichen und faszinierenden Welt mit wenigen Worten und vielen Fotos, in die man eintauchen möchte. Dies ist einmalig und dies ist zweifellos das Kernstück des Buches. Deshalb muss der Appell erneuert werden: Macht eine Ausstellung daraus.
Eine ähnliche Pionierarbeit leisten Knolle, Westermann, Ohlendorf und Meyer mit dem Abschnitt über die Natur am Büchenberg. Man kommt aus dem Staunen über die Vielfalt im Öko-System “Aufgelassenes Bergwerk” nicht heraus. Eine ganz eigene Flora und Fauna hat die Gruben und Schächte zurückerobert. Auch in diesem Kapitel scheint manches Bild das enge Format des Buches zu sprengen.
Trotz mancher Längen ist es den Autoren gelungen, mit “Grube Büchenberg” einen Schatz zu heben. In seiner Komplexität ist dieses Buch sicherlich einmalig und beispielhaft für die Arbeit  an der Montageschichte Region. Ob man den Harzer Bergbau in einem Buch erklären kann? Einen Versuch ist es allemal wert.

Die Website dazu.


Bibliographische Informationen:

Wolfgang Schilling (Hrsg.); Grube Büchenberg - Eiserner Schatz im Harz, Blankenburg 2013, ISBN 978-3-935971-65-2




1 Kommentar:

  1. Hallo.

    Solche Bücher werden im Allgemeinen nicht von rein "populärwissenschaftlich Interessierten" gelesen. Sie sind einem sehr kleinen und ganz besonders montanhistorisch interessiertem Publikum vorbehalten. Es ist auch sehr umständlich, bergbauliche Themen an Laien in einer allgemeinverständlichen Sprache zu vermitteln - und es besteht bei Letzteren auch kaum ein Interesse an solchen doch recht komplizierten Themen. Das mußte ich vor kurzem wieder auf einer Harzreise mit Freunden feststellen.
    Bergbauliche Themen interessieren in einer Gesellschaft, die sich zunehmend dem "Spaß am Leben für Jedermann" verpflichtet fühlt und sich von jeder Form der wertschöpfenden Arbeit verabschieden will, gerade jüngere Mensch nicht mehr.

    Glückauf,
    Frederik

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