Zwischen den Oper-Titanen Wagner und Verdi wird Benjamin Britten in diesem Jahr fast zerrieben. Wenigstens das Theater für Niedersachsen setzt einen eigenen Schwerpunkt zum 100. Geburtstag des Erneuerer des Musiktheaters . Auftakt der Britten-Tage in Hildesheim war am 19. Oktober die Inszenierung der Kinderoper "Noah und die Flut" in der Lamberti-Kirche. Die Koproduktion von TfN, TfN-Kinderchor und Musikschule Hildesheim schafft den Spagat zwischen altersgerecht, ansprechend und anregend. Der härteste aller Kritiker, sieben Jahre alt, theateraffin und theatererprobt, bestätigt das Urteil.
Die Einführung in das Werk macht der musikalische Leiter Achim Falkenhausen. Er erzählt von Brittens Absicht, auch das Publikums beziehungsweise die Gemeinde aktiv in das Stück einzubinden. Bei der Premiere 1958 sicherlich ein Novum. Falkenhausen verweist noch auf die mittelalterlichen Mysterienspiele als Vorlage, die dem unbelesenen Volk die Geschichten der Bibel näher bringen sollten. Das muss als Einführung reichen. Der härteste aller Kritiker ist zufrieden. "Ich mag es nicht, wenn die Leute am Anfang so viel reden", ist seine Begründung. Die sollten lieber gleich zur Sache kommen und die Zuschauer nicht vom Zuschauen abhalten.
Der Schöpfer erscheint Noah und dem ist wohl schwindelig. Fotos: Hartmann/TfN |
Herr und Frau Noah treten auf den Plan, Gott sei dank nicht in Sack und Asche gewandet, sondern gekleidet wie ein Paar von nebenan, wie gute Nachbarn eben. Levente György beweist in der Titelrolle von Beginn an Stimmgewalt, schließlich gilt es die gotische Hallenkirche auch bis in die letzte Sitzreihe auszufüllen. Das wird an diesem Abend nicht allen gelingen. György Stimme ist klar und deutlich, während Theresa Hoffmann sich erst im Laufe der Veranstaltung an den ungewohnten Veranstaltungsort heransingen muss.
Wer vom Herr auserwählt wird, zumindestens einen Teil der Schöpfung zu retten, der reagiert angesichts der Größe der Aufgabe verständlicherweise mit einer ordentlichen Portion Skepsis. Diese Reaktion und den Unglauben des Noahs an die eigene Leistungsfähigkeit vermittelt Levente György in der Regie von Sascha Mink glaubwürdig. Als er zu Handeln beginnt, zeigt sich hier die Einsicht in die Notwendigkeit. Auch diesen Wandel kann Levente György dem Publikum vermitteln.
Frau Noah (Theresa Hoffmann, Mitte) möchte der Einladung zur Schiffsreise nicht folgen. |
Schon die räumliche Trennung macht diese Distanz deutlich. Statt auf der Hauptbühne im Mittelschiff mit der Familie am Bau der Arche zu arbeiten, trifft sich Frau Noah lieber mit den schwarzen Damen auf der Nebenbühne im linken Kirchenschiff zum Kaffeeklatsch. Dabei taucht das Licht die Szenerie in ein mystisches Lila und zeichnet monströse Schatten an die Wand.
Währenddessen arbeiten Sem, Ham, Jaffet und ihre Frauen frohgemut am Bau des Rettungsbootes. Als Chor funktionieren David Hauschild, Christopher Schreiber,Claudio Gottschalk-Schmitt, Rebecca Faider, Marie Krieger und Ruth Wilken erstaunlich gut. Gerade die drei jungen Damen singen ihre Tatkraft überzeugend in den großen Raum.
Dieses Boot ist eindeutig voll. |
Auch das Zusammenspiel zwischen den Profimusikern des TfN und den Nachwuchskräften der Musikschule Hildesheim funktioniert reibungslos. Mit Dynamik unterstreicht das Ensemble die dramatischen Momente. Dabei übertönt das Orchester im Sturm selbst die Sänger. Dies ist aber geplant und wurde von Achim Falkenhausen zu Beginn angekündigt. Deswegen bat er die Gemeinde um stimmliche Unterstützung.
Bei der Ankunft der Tiere zeigt sich kein Zug der Verdammten. Der Reigen der Passagiere erinnert eher an einen Karneval der Tiere, das liegt sicher auch an dem ungewöhnlichen Instrumentarium Brittens, in dem auch eine Teetasse schon einmal eine Rolle übernehmen darf. Alle Beteiligten strahlen puren, wunderbaren Optimismus aus. Trotz aller Gefahren wartet ja am Ende des Regenbogens ein neues, reines, unbeschwertes Leben auf die Überlebenden. Dies ist eine weitere Gewissheit aus dieser Aufführung.
Sein Fazit fällt kurz und knapp aus. "An diesem Stück gibt es nichts auszusetzen", lautet dasUrteil des härtesten aller Kritiker. Somit ist es dem TfN gelungen, Brittens Versuch, das junge Publikum an das Musiktheater heranzuführen und es damit auf natürlichem Wege zu erneuern, 55 Jahre nach der Uraufführung zeitgemäß fortzuführen.
"Noah und die Flut" in der Selbstdarstellung
Der Spielplan im Theater für Niedersachsen
Brittens "Peter Grimes" am TfN
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Was der härteste aller Kritiker sonst noch zu sagen hat
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