Dominique Horwitz liest Momo im Kreuzgang
Man kann eine Geschicht mit Musik erzählen und man kann diese Geschichte mit Musik auch mal ganz anders erzählen als alle anderen. Dies stand am Ende des Momo-Abends mit Dominiqaue Horwitz und dem David Orlowski Trio im Kloster Walkenried am 12. Oktober. Für die neue Sicht auf den Kindebuchklassiker bedankte sich das Publikum mit anhaltendem Applaus.
Dominique Horwitz liest Momo, lautete die Ankündigung. Dominique Horwitz las aus Momo,wäre richtiger. Das Konzept des Abend ist nicht das chronologische Vortragen eines allseits bekannten Textes. Schließlich ist Momo von Michael Ende seit 40 Jahre das Manifest der Entschleunigung, auch wenn es diesen Begriff in den 70er Jahren noch nicht gab. Anstatt also Kapitel an Kapitel zu reihen konzentrierte sich Horwitz auf drei Passagen, die exemplarisch für Handlung und Botschaft des Werkes stehen. Da ist das Eindringen der grauen Herren in die unbekümmerte Gemeinschaft, der Versuch des Friseur Fusi durch den Vertrag mit der Zeitsparkasse dem eigenen Leben Bedeutung zu verleihen und das Treffen vom Momo und Meister Secundus Minutius Hora.
Selbst das Licht spielt eine Rolle in dieser Lesung. Fotos: tok |
Zuhören kann man Horwitz gut. Der Mime hat eine angenehme Stimme, deren Breite sich durch die Akustik im Kreuzgang erst richtig erschließt. Fünf Rollen liest Horwitz an diesem Abend, aber alle mit einer Stimme. Er hat nicht für jede Figur eine eigene Tonlage, wie manch anderer Vorleser. Er variiert seine eine eigene Stimme mit feinen Nuancen. Und er ist der Meister der Kunstpause. Er schafft dort Lücken zum Nachdenken, wo andere im Text weitergehen würde. So hat der Zuhörer nicht nur die Gewißheit, dass das Leben im Herzen wohnt, sondern dass das Abenteuer im Kopf stattfindet.
In diese Lücken stößt das David Orlowsky Trio. Es bereitet nicht nur den Klangteppich, auf dem Horwitz und das Publikum ihre Sicht von Momo auslegen können. Es greift den Faden auf und erzählt die Geschichte mit seinen Mitteln weiter, lenkt sie sogar in eine andere Richtung.
Diese Lesung ist keine Veranstaltung der Gattung: Künstler liest aus einem Buch, das auf einem Tisch ausgebreitet ist. Es gibt keinen Tisch und keine Schranken. Das Ensemble ist gleichberechtigter Partner. Ihm bleibt auch der Auftakt vorbehalten. Noch bevor ein Wort gelesen ist, haben David Orlowsky, Jens-Uwe Popp und Florian Dohrmann deutlich gemacht, dass sie nicht vorhaben, dieses Manifest der Toskana-Fraktion mit musikalischer Larmoyanz zu untermalen. Es geht gleich ab. Orlowskis Klarinette hetzt durch alle Tempi des Klezmer, sie brummelt in den Bässen und kreischt in den Höhen, angetrieben von Popp an der klassischen Gitarre. Sind das nun drei Jazzer, die Klezmer spielen oder drei Klezmatiker, die gerade jazzen. Egal! Beide Musiken funktionieren nach dem selben Muster: Man einigt sich auf ein Thema, auf Phrasen, die in ausgiebigen Soli variiert und ausgebaut werden, und am Ende treffen sich alle wieder. Deswegen taucht das Motiv des ersten Lied zum Schluß eben noch einmal auf.
Zum Schluss gab es Blumen für alle |
Doch warum Klezmer? Nein, es ist nicht der Versuch, die mediterrane Handlung in ein osteuropäisches Stetl zu verlegen. Klezmer ist Trotz. Klezmer ist die Musik, die angesichts aller widrigen Umstände sagt: Es geht auch anders und das Leben macht Spaß. Damit ist das David Orlowski Trio ein bestimmender Teil dieser überraschenden Interpretation eines Werkes, das immer wieder gelesen oder gehört werden sollte.
Die Kreuzgang-Konzerte.
Die offizielle Horwitz-Website.
Das David Orlowsky Trio.
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