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Donnerstag, 10. Januar 2019

Erst bedingt witzig, dann doch rasant

Theater Rudolstadt tagt als Festkomitee in Nordhausen

Es existiert kein englischen Wort für die deutsche "Vereinsmeierei". Dennoch gibt es sie auf der Insel zu Genüge. Das lehrt das Stück "Das Festkomitee" von Alan Ayckbourn. Für das Theater Rudolstadt hat Steffen Mensching die Komödie inszeniert. Die Premiere in Nordhausen zeigt ein sehr langes Vorspiel, das erst nach der Pause Fahrt aufnimmt und bis dahin nur bedingt witzig ist.

Eigentlich ist es eine tolle Idee. Die Kleinstadt soll ein Fest bekommen, wie es in Pendon noch keins gegeben hat. Dafür hat Ray eine Geschichte aus der Vergangenheit ausgegraben. Um "Die Zwölf von Pendon" soll ein Historienspiel entstehen, an dem die ganze Bevölkerung teilnehmen kann. Schließlich steckt hier alles drin, was die Gegenwart braucht: Freiheitsdrang, Widerstand und Gerechtigkeit.

Also lädt Ray ein paar Mitbürger zur Gründung eines Festkomitees ein. Doch aus dem gemeinsamen Projekt wird schnell ein Zankapfel. Jeder will sein eigenes Süppchen daraus kochen und Weltansichten prallen aufeinander. Neid, Missgunst und Streit brechen aus und die Aufführung des Historienspiels endet im Chaos.

Auch in der Weihnachtszeit tagt das Festkomitee.
Alle Fotos: Lisa Stern
Alan Ayckbourn kennt sich aus in der englischen Provinz und in deren Kulturbetrieb. Schließich hat er mehr als 40 Jahre das Stephen Joseph Theatre in Scarborough geleitet. Daneben hat er sich zu einem der wichtigsten zeitgenössischen Dramatiker Großbritanniens geschrieben und wurde dafür in den Adelsstand erhoben.

Die zivilisatorische Decke ist dünn und des braucht nur wenig, um die englische Mittelschicht aus dem emotionalen Sattel zu heben. Das ist Ayckbourns immer wieder kehrendes Thema und im "Festkomitee" lässt er die verschiedenen Vertreter dieser Spezies aufeinander los. Es sind aber Menschen wie du und ich. Zudem sind es Typen, die jede und jeder, die und der schon mal Lebenszeit auf Sitzungen vernichtet hat, zu Genüge kennt. Da sind dem Autor und dem Regisseur realistische Beschreibungen gelungen.

Da ist Oberorganisator Ray als bürgerlicher Durchschnitt. Er hat zwar die Idee und bringt die Menschen an einem Tisch zusammen. Belohnt wird er mit dem Posten des ersten Vorsitzenden. Schnell gibt er das Heft des Handelns aus der Hand und beschränkt sich aufs Vermitteln und auf Erhaltung des Status Friede-Freude-Festival. Schließlich ist er ja mit dem Vorsitz sediert.

Die Gestik immer etwas eingeschränkt und die Stimme immer im Mittenbereich. Mit seiner gehemmten, leicht verklemmten Darstellung gelingt Rayk Gaida eine schlüssige Beschreibung des Biedermeiers, der die Brandstifter nicht sehen will. Selbst die kurzen Wutausbrüchen passen da ins Gesamtbild.

Die Intimfeinde Helen und Eric.
Foto: Lisa Stern
Gewohnt souverän, aber etwas zurückhaltender als sonst und vor allem im Bereich Leisetreter. Matthias Winde kann in der Rolle des Stadtrats Evans überzeugen. Jede Kleinstadt kennt diesen Berufsjugendlichen, der arg engagiert ist in Sachen Kultur, aber keine Ergebnisse aufweisen kann und im Hotel Mama wohnt. Aber für alle hat er einen guten Ratschlag. Abgerundet wird das Bild mit der stimmigen Kunstlederhose.

Da ist Oliver Baesler in der Rolle des kämpferischen Lehrers Eric Collins der passende Gegenentwurf. Brust raus, große Gesten, grimmige Mimik und immer mit fester Stimme, stets unter Spannung und auf dem Sprung. Aus solchem Holz sind wahre Revoluzzer geschnitzt.

Da ist die Rolle der Helen vielschichtiger angelegt. Ulrike Gronow schafft es, der Gattin von Ray  unerwartete Tiefe zu verleihen. Ihr Spiel ist vielschichtiger als das ihres Widerparts Eric. Von schnösselig über zickig bis hin zu empathisch aber auch kämpferisch vermag Gronow die Gemütszustände der Middleclass zu vermitteln. Dabei wirkt ihr Spiel immer ehrlich.

Für Sophie wird die Arbeit im Festkomitee zu einem Prozess der Emanzipation. Vom Mauerblümchen zur Mitbestimmerin. Laura Bettinger bringt eben diese Befreiung in Etappen in jeder Szene nachvollziehbar auf die Bühne. Das macht sich in ihrem Äußerem bemerkbar. Mathias Werner hat es geschafft, diese Entwicklung in die richtigen Kostüme zu stecken.

Der Vorhang ist schon lange vor der Aufführung geöffnet. Er gibt den Blick frei auf ein Interieur mit einem morbiden Charme. Stockflecken an den Wänden, vertrocknete Grünpflanzen und Lücken in den Tapeten. Das ist also das Biotop, in dem große Träume Wirklichkeit werden sollen. Dem Publikum ist schon auf den ersten Blick klar, dass in solch einem Ambiente nur wenig gedeihen kann. Mathias Werner hat auch hier gute Arbeit geleistet.

Doch die lange Tischreihe an der Rampe wirkt nicht nur wie das letzte Abendmahl. Sie ist auch  eine Barriere. Vieles von dem wenigen, was in Bewegung ereignet, findet für die Zuschauer somit im toten Winkel statt. Erst als nach der Pause diese Schranke fällt, bekommt die Inszenierung auch Tempo. Oder lautet Steffen Menschings Credo: Das,was am Tisch passiert, hindert den Mensch am Mensch sein.

Ayckbourns Werk präsentiert Typen und Aussagen mit Ewigkeitsanspruch. Dass es dann doch schon 42 Jahre alt ist, merkt man der Aufführung dann doch an. Hier hätte einer dramaturgischen Auffrischung bedurft. Beinharte Marxisten kennen nur die Wenigstens aus eigener Erfahrung. Somit verpufft ein großer Teil der Auseinandersetzungen zwischen Helen und Eric in einer luftleeren Geschichtsträchtigkeit. Umstürzler mit Beamtenstatus kommen heutzutage als Grüne daher.

Die Ritter von der traurigen Gestalt.
Foto: Lisa Stern
Ähnliches gilt für die schwierige wirtschaftliche Situation, die im Hintergrund immer wieder durchschimmert. War sie damals eine Spätfolge des untergegangenen Empires, ist sie jetzt dem selbst verschuldeten Brexit zuzuschreiben. Da wäre mehr Aktualität möglich gewesen.

Auch der Aufbau entspricht den Gewohnheiten der 70-er Jahre. In den Szenen einer Planung tagen die Protagonisten dreimal. Anfang, Mitte und kurz vor dem Ende. Von der Idee über die Planung zur Umsetzung. Die Spannungen bauen sich vor der Pause häppchenweise auf, um sich dann in einem furiosen Finale zu entladen. Das ist leicht verständlich und leicht verdaulich, aber eben auch ein wenig altbacken.

Bis dahin glänzt die Inszenierung mit scharfen Wortgefechten und kleinen Details, die beobachtet werden müssen, wie die Stoffhunde von Sophie. Mann muss genau hinhören und genau hinschauen. Die Wortbeiträge sind sicherlich wie aus dem wahren Leben und bieten einen hohen Wiedererkennungswert, für alle, die schon mal Lebenszeit auf Sitzungen vernichtet haben.

Der Orkan im zweiten Akt fegt dann all diese zivilisatorischen Errungenschaften hinweg. Es bleibt nichts. Für diejenige, die ihren Humor an Woody Allen geschult haben, ist diese Inszenierung ein zusätzlicher Gewinn.






Material #1: Theater Nordhausen - Der Spielplan
Material #2: Das Stück- Website des Theater Rudolstadt

Material #3: Alan Ayckbourn - Die Biographie auf deutsch
Material #4: Say it in englisch - Die komplette Biografie





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