Ballettgala bei den Schlossfestpielen zeigt mehr als State of Art
Thüringens Norden entwickelt sich zum Standort für Highballett. Das zeigte die Ballettgala "Sternstunden" bei den Schlossfestspielen Sondershausen am Mittwoch. Der zweigeteilte Abend gab vielleicht sogar einen Einblick in die Zukunft des Tanztheaters.Den Auftakt machte das Thüringer Staatsballett in Gera. Zuerst arbeitete es "Romeo und Julia" aus anderer Perspektive auf. "Mercutios Geheimnis" erzählt die tödliche Liebe aus Sicht von Romeos bestem Freund. Dabei liegt die Betonung auf "erzählt".
Die beiden Choreographien dürften die Anhänger des klassizistischen Tanztheaters erfreut haben. Es ist traditionelles Handlungsballett und sie bedienen sich traditioneller Ausdrucksformen. Es gibt Spitze und viele Hebefiguren. Das ist gute alte Schule und passt zum gestelzten höfischen Gehabe in "Rittertanz" wunderbar und die Balkonszene rührt das romantische Herz.
Mercutios Geheimnis ist neoklassisches Handlungsballett. Foto: Veranstalter |
Erst liegt Hudson Oliveira am Boden, bevor er vom Duo Ion Beitia Fernandez und Vinicus Leme abgelöst wird. Die beiden passen einen Pas de deux, der von gegenseitiger Faszination, Anziehung, Abstoßen und Wiederfinden erzählt. Aus Miteinander wird Nebeneinander und Gegeneinander und wieder Miteinander. Man merkt schon, dass das gemeinsame Projekt mit der Band Keimzeit für Ballettchefin Silvana Schröder eine Herzensangelegenheit ist.
Schon bei der Verabschiedung von Jutta Ebnother im vergangenen Frühjahr war "My body is a Cage" im Theater Nordhausen zu sehen. Auch bei den Schlossfestspielen gab das Staatsballett gibt im Namen der Generation "Beziehungsunfähig" ein tänzerisches Statement ab. Der Choreographie von Silvana Schröder liegt ein Song von Peter Gabriel zugrunde, in dem der Altmeister des Psycho-Pops von den Hindernissen bei der Kontaktaufnahme singt.
Vertigo Maze der Semperoper ist das Kontrastprogramm. Foto: Veranstalter |
Doch die 2017-er Version ist erweitert. Erst ertönt es ein Cover-Version mit fast lieblicher Stimme, dann grummelt Gabriel selbst in den Tiefen der Depression herum. Damit hat Schröder auf einfache Weise zwei Bearbeitungen ein- und desselben Themas geliefert, die mit ihren Nuancen die unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Tanz deutlich macht.
Damit bewegt sich der Abend auf modernen Tanz hin und folgt einer eigenen Dramaturgie. Neoklassische Elemente sind im zweiten Teil nur noch bei genauem Hinschauen zu entdecken.
"Vertigo Maze" mit Raquel Martinez Vicente und Jon Vallejo vom Ballett der Semperoper lebt von einem deutlichen Kontrast. Der Gegensatz von meditativer Musik und schnellen, raumgreifenden Bewegungen erzeugt eine Spannung und Neugier. Das, was Bach sein soll, klingt eher wie Stockhausen. Aus dem Miteinander des Pas de deux wird immer wieder ein Solo und dann wieder ein pas de deux.
Ähnliche Motive finden sich in "Der Tod und das Mädchen" vom Ballett das Mainfrankentheaters Würzburg. Trotz des schweren Thema legen Kaori Morito und Leonam Santos eine Choreographie vor, die man durchaus als lyrisch bezeichnen. Weich und sanft sind die ersten Assoziationen zu diesem Pas de deux.
Es ist aber durchaus erkennbar, das Nordhausens Ballettchef Ivan Alboresi lang mit diesem Ensemble gearbeitet hat. Die Choreographie vereint klassische Figuren und modernen Ausdruck. Die Lyrik weicht dann aber der Hektik, die Schritte werden raumgreifend und die Tänzer durchmessen die Bühne, um zum Schluss wieder in geordnete Bahnen zu gelangen
Schwanensee vom TN Los! überzeugt auch auf der großen Bühne der Schlossfestspiele. Foto: Veranstalter |
Bewegung ist das Thema und es ist die erste Choreographie an diesem Abend, die das Licht ganz sichtbar als Gestaltungsmittel einsetzt. Es wechselt von Fluter auf Spot und zurück. Mit ihren vielen Hebefiguren erzeugen die Tänzerin und der Tänzer spektakuläre Bilder und viele Wooow-Momente. Das Publikum versinkt geradezu in der andächtigen Betrachtung.
Abschluss und Höhepunkt bilden dann die sieben Choreographien der Hausherren. Auch wenn sie im Laufe des vergangenen Jahres so am Theater Nordhausen gezeigt worden, locken sie immer noch Erstaunen hervor. Zusehen sind Ausschnitte aus vier Stücken und alle eint eins. Ivan Alboresi ist Ästhetik durch und durch, ihm liegt nicht viel an der Erzählung einer Handlung. Es ist deutlich, dass es hier um den Reiz der Bewegung geht, um dieses Spannungsfeld aus Abstraktion und archaischen Werkzeug Körper.
Dazu verbindet er klassische Figuren und moderne Mittel zu einem sehr eigenen Stil. Man kann an diesem Abend darüber philosophieren oder einfach schweigen und genießen.
Etwas anderes zeichnet die Ballettgala noch aus. Fünf zum teil sehr unterschiedlich Kompagnien zeigen nicht nur, was sie können. Sie beobachten einander auch und tauschen sich aus. Damit sind die Schlossfestspiele zum einen Labor in Sachen Tanztheater geworden. Die Weiterentwicklung der Bühnen ind Sondershausen und in Nordhausen macht damit einen großen Schritt nach vorne.
Thüringer Schlossfestspiele #1: Das Programm
Kompagnien #1: Thüringer Staatsballett Gera
Kompagnien #2: Ballett der Semperoper Dresden
Kompagnien #3: Mainfrankentheater Würzburg
Kompagnien #4: Ballett Rossa Halle
Kompagnien #5: TN Los! Nordhausen
Ballett Nordhausen #1: Die Seele erzählt nicht, sie tanzt
Ballett Nordhausen #2: Schwanensee
Ballett Nordhausen #3: Ballettgala 2016
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