Sonntag, 23. Juni 2019

Trennung ohne Schmerz

David Orlowski Trio verabschiedet sich mit einem fulminanten Konzert

Es ist alles gespielt, es ist alles gesagt. So kann man ruhigen Gewissens auseinandergehen Mit einem fulminanten Konzert verabschiedete sich am Sonnabend das David Orlowsky Trio von seinem Publikum in Walkenried.

Nach zwanzig Jahren trennt sich das Ensemble im Herbst. Die drei Musiker gehen dann eigene Wege. Auf der Liste ihrer Abschiedstournee stehen nur Orte, die den Dreien besonders am Herzen liegen. Dabei war allein die Präsenz in Walkenried schon eine Auszeichnung genug. Das Auftritt war dann das Sahnehäubchen.

Vielleicht lag es auch an der Kabbala. Immerhin war es der siebte Auftritt des Trios bein den Kreuzgangkonzerten und die Sieben ist nach jüdische Mystik eine heilige Zahl.

Der Beginn ist fließend. Florian Dohrmann zupft die Saiten des Bass vorsichtig, Jens.Uwe Popp gibt etwas Gitarre dazu. Dann meldet sich Orlowsky zurückhaltend zu Wort. In den Schöpfungsgeschichten hat der Gott den Wesen das Leben eingehaucht. Einer alten Musikerlegende zufolge tat er dies mit einer Klarinette.

Schon im ersten Song "Noema" wird der ganz besondere Reiz der DOT-Kombination deutlich. Die perkussive Spielart der Gitarre erzeugt ein transparentes Klangbild, in den jeder einzelne Ton seinen Stellenwert hat. Die Klarinette produziert hingegen einen Strom an Tönen, der mal bedächtig fließt, mal quirlig sprudelt.

So viele Töne aus so einem kleinen Instrument.
Alle Fotos: Kügler
Die Aussage, dass dieses Trio Klezmer spielt, ist zu kurz gegriffen. Klezmer, Klassik und Jazz, Es sind unterschiedliche Traditionen, in denen sich die drei Musiker sehen. Damit haben sie in den letzten 20 Jahren ihr eigenes Genre geschaffen, die "world chamber music", das Kammerorchester der Weltmusik. gewissermaßen. Bei allen  Mischereien bleiben die Quellen aber erkennbar.

Dann kommt Leben in das Spiel. Der  "Night Train to Odessa" ist ein wahrer Schnellzug. Orlowski gibt ein Thema vor, das Popp aufgreift und beschleunigt. Dann nimmt die Klarinette den Ball wieder auf. Es entsteht eine Klanggewebe, das an Intensität kaum zu überbieten ist. Wer ist hier Schaffner und wer Heizer? Die Rollen wechseln ständig und beweisen die Gleichwertigkeit der drei Mitglieder des Trios.

Bei den letzten Auftritten zeigte sich das Trio eher zurückhaltend, nun haben alle drei deutlich an Lebendigkeit gewonnen. Vor allem haben sich die Gewichte hinzu den Saiteninstrumenten verschoben. dies sorgte noch einmal für mehr Dichte und für ein Plus an Ausdrucksmöglichkeiten. In "Insomnia" erzeugt Dohrmann mit Bogen einen meditativen Bass als Grundlage für Popps Gitarrensolo.

Im anschließenden "Valsa sem Nome" zelebrieren beide die Leichtigkeit brasilianischer Musik. Sie haben Spaß daran und den teilen sie mit dem Publikum. Eine ganze Welt liegt in diesem Klängen.

Mit dem "Schelm" von Florian Dohrmann und zwei Songs des legendären Naftule Brandwein kehrt das Trio dann zurück zur Rasanz des klassischen Klezmer.

Florian Dohrmann ist Basser.
Alle Fotos: Kügler
Nach der Pause ist  Orlowskys "Indigo" der gewohnt vorsichtige Einstieg in den nächsten Teil des Abends. Er versinkt in der Musik und das Publikum fokussiert sich auf die Klarinette. Die Schnelligkeit erstaunt, aber auch die Vielfalt der Klangbilder. Orlowskys Instrument kann alles: jubilieren, seufzen, klagen und auch feiern

Die Klarinette ist wieder mit einem Schöpfungsakt beschäftigt. Es scheint, als ob Orlowsky eben gerade in diesem Moment die Melodie erfindet. In der "Bucovina" ist diese Melancholie wie weggeblasen. Jetzt zeigt Dohrmann, dass ein Bass mehr ist als ein Rhythmusinstrument. Das Griffbrett rauf und runter und jeden Ton sauber gesetzt. Sein Solo wird mit Szenenapplaus belohnt.

In "Carnyx" treten wieder Gitarre Kontrabass in einen Dialog ein und in "Quinta" verdeutlicht Jens-Uwe Popp noch einmal, das die klassischen Gitarrenmusik sein Basislager ist. Seine filigranen Tongebilde könnten auch für sich allein stehen.

Mit "Jodaeiye" kommt ein Kontrastprogramm. Dohrmann lässt den Bass mit dem Bogen klingen wie Digeridoo, darüber setzt Popp eine Melodie, die der Musik Andalusiens verbunden ist. Hier treffen Welten friedlich aufeinander und beginnen einen Dialog.

Das Finale gehört wieder David Orlowsky. Seine Moderation beweist, dass er die verkopften alten Zeiten hinter sich gelassen hat. Souverän und selbstironisch führt die Zuhörer in "Goldfinger" ein. Er spielt mit dem Publikum und dies folgt seinen Anweisungen. So locker war Orlowsky noch nie. Als er dann noch den längsten Ton, der je auf einer Klarinette gespielt wurde, in den Kreuzgang haucht, steigert sich die Begeisterung zu Euphorie.

Zweimal erklatschen sch die Zuhörer an diesem Abend Zugaben. Als das Publikum bei "Donna Donna" vielstimmig mitsummt, ist klar: Danach kann nichts mehr kommen.






Material #1: Die Walkenrieder Kreuzgangkonzerte - Die Website

Material #2: David Orlowsky Trio - Die Website
Material #3: David Orlowsky Trio - Die Geschichte




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