Dienstag, 21. September 2021

Wettrinken der Platzhirsche

 An der Grenze zur Klaustrophobie:; stille hunde lesen Glauser

Ganz anders und ungewohnt fokussiert. Die Lesung von Glausers "Der alte Zauberer" offenbart die ruhige Seite  der stillen hunde. Mit diesem Wettrinken der Platzhirsche kommt das Duo Huber/Dehler aber eben näher an Glauser heran als eine andere Form wohl gebracht hätte. 

Angekündigt hatten die Veranstalter des Mordsharz für die Lesung im Nordhäuser Tabakspeicher einen Tornado, Es war dann eher ein Sturm im Schnapsglas. Dennoch waren alle zufrieden, wohl auch das Publikum, dass sich auf den gewohnten Mix aus Literatur, Improvisation und Klamauk eingestellt hatte. Schließlich war das Duo aus Göttingen nun schon zum dritten Mal im Tabakspeicher und kann auch hier auf eine Fangemeinde bauen.

Doch mit den großen Gesten, mit Pömpeln und anderen skurrilen Utensilien wurde es dieses Mal nichts. Der Text, der verbale Kampf zweier Männer und ihre Psychogramme stehen im Mittelpunkt, nebst jeder Menge Schnaps. Der sorgt für die Erleuchtung des Polizisten und die Überführung des Täters. Ob es die Mordsharz-Lesung mit dem höchsten Promillegehalt ist, bleibt unklar. 

Auf jeden Fall ist diese konzentrierte Präsentation ist werkgetreu, denn der Autor Friedrich Glauser stellt in seinen Kriminalromanen und Kurzgeschichten immer die Psychologie in den Vordergrund, die Verfasstheit seiner Protagonisten und auch Antihelden. Da ist wenig Raum für Action und deswegen kein Platz für Klamauk in der Lesung. 

Zwar ist "Der alte Zauberer" eine Kurzgeschichte, doch Friedrich Glauser lässt hier seinen späteren Romanhelden Wachtmeister Studer zum ersten Mal in voller Größe erscheinen. Wenige Kürzungen und die Konzentration auf drei Personen reichen aus, um den Text für einen Leseabend von vorne bis hinten zu präsentieren.

Der Wachtmeister Studer wird in die Kleinstadt Waiblikon geschickt, um den Verdächtigungen eines anonymen Briefeschreibers nachzugehen. Der Bauer Leuenberger habe nun schon die vierte Frau innerhalb kurzer Zeit verloren, das könne doch nicht mit rechten Dingen zugehen heißt es in dem Schreiben. So etwas müsse man doch mal untersuchen. Auf Anweisung des Polizeidirektors muss sich Studer auf den Weg ins Berner Oberland machen.

Der führt ihn erst einmal in ein Wirtshaus. Bis dahin lässt Christoph Huber Teil haben an den Mühen, die Studer auf ungewohnten Terrain hat. Überhaupt profitiert die Lesung vom Platzmangel am Veranstaltungsort. Das Publikum bekommt auf diese Weise die Enge  alpiner Wirts und Bauernstuben zu spüren. der Text wird körperlich erfahrbar. gleiches gilt für die Verfasstheit Studers, der am schweren Frühstück daheim leidet. 

Diese Lesung beschränkt sich auf drei Orte: Die Straße, die Wirtsstube und das Wohnzimmer des Tatverdächtigen. Mit der Serviertochter Resi in Form einer Handpuppe bleibt auch das Personal überschaubar. Der Besuch im Wirtshaus dient nur der Vorbereitung.

Erst dann macht er sich auf den Weg in die Höhle des Löwen. Das knappe Bühnenbild und die Enge im Tabakspeicher haben eben wirklich etwas Höhlenartiges. Die Klaustrophobie wartet gewissermaßen hinter dem Vorhang. Zudem wartet jede Menges Schnaps auf dem Wohnzimmertisch des Leuenbergers. Die Schuldfrage und die Motivlage werden ausgetrunken. Das Verbindende des gemeinsamen Trinkens wird zum trennende Faktor. Die beiden Platzhirsche belauern sich hinter dem Schnapsglas, um die Schwäche des anderen auszuloten. Schach mit Schnapsflaschen.

Die Entscheidung fällt im Haus von Leuenberger im Trinkduell zweier ebenbürtiger Gegner. Die Abwesenheit großer Gesten erlaubt die Konzentration auf den Text. Die Absenz der Äußerlichkeit lässt die Innerlichkeit der beiden Kontrahenten in den Vordergrund treten und dies ist ganz im Sinne Glausers.

Durch die Reduktion kann sich das Publikum ganz auf den inneren Monolog des Wachtmeisters konzentrieren. Waren die stillen hunde im Mordsharz für ihren skurrilen Humor bekannt, so zeigen sie an diesem Abend ihre ernsthafte, fast schon pathologische Seite. Wer auf Gags gesetzt hat, wird im Tabakspeicher mit Psychologie überrascht. Die Lesung it ganz anders als erwartet aber eben besonders beeindruckend. 







       

     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen