Das Oratorium "Joshua" eröffnet die Händel Festspiele 2014 musikalisch
Besser hätte der Auftakt kaum sein können. Bei Händels Oratorium "Joshua" stimmte alles und am Ende von zweieinhalb Stunden Eröffnungskonzerte zu den Festpielen 2014 übergoß das Publikum in der ausverkauften Stadthalle Göttingen das Orchester, den Chor des NDR und die fünf Solisten mit Beifall. Alle zusammen hatten ein schlüssiges Konzept und eine überzeugende Darbietung abgeliefert.
Der Titel des Oratoriums müsste
eigentlich Georg heißen. Hinter der biblischen Geschichte von der
Eroberung Kanaans durch die Israeliten hat Händel Lobeshymnen auf
König Georg II. Versteckt, Dieser hatte 1746 im britischen
Bürgerkrieg das letzte Aufbäumen der katholischen Stuarts
niedergeschlagen. Doch die recht kriegerische Geschichte kommt ohne
Aggression aus und rückt den inneren Frieden als Ergebnis langer
Auseinandersetzung in den Fokus.
Der harmonische Klangkörper FOG braucht nur wenig Anleitung durch Cummings. Foto:Säckl |
Mit seinem Werk Nummer 64 sprengte
Händel die Grenzen des Oratoriums. Er ließ Merkmale der Opera Seria
und der Pastorale einfließen, etwa in der Erscheinung des Engels im
ersten Akt oder der Accompagnato Othniel, das von Achsah erwidert
wird und sich zumDuett steigert.
Doch die Basis diese Oratoriums ist ein
Drei-Säulen-Model, denn der Chor bekommt in diesen Werk eine
Gewichtung und Präsenz, die weit über ähnliche Stücke hinausgeht.
Bereits nach der knappen einsätzigen Introduzione preist das
Ensemble mit „Ye sons of Israel“ die Eroberung des gelobten Lands
durch den Heerführer Joshua. Der Chor ist als Hauptperson
gleichwertiger Partner des Titelhelden. Alle zentralen Ereignisse
werden durch den Chor eingeleitet.
Doch nach den Erfahrungen des 20.
Jahrhunderts verbietet sich die unreflektierte Lobpreisung
kriegerischer Handlungen. Folgerichtig hält sich der NDR Chor
anfangs zurück, hält das Volumen begrenzt und verschwindet hinter
der Klangmauer des Festspielorchester, was auch der Akjustik der
Göttinger Stadthalle geschuldet sein mag. Die Eroberung Kanaans ist
für die Israeliten nach 40 Jahren Wanderung durch die Wüste eine
Form des Friedens. Die Zurückhaltung legen die Sängerinnen und
Sänger sukzessive ab, als sich die Ereignisse am Ende des ersten
Akts auf ihren ersten Höhepunkt zulaufen. Als am Beginn des zweiten
Aktes die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht werden müssen, da
zeigt der Chor unüberhörbare Präsenz. Er tritt in den
Wechselgesang mit dem Herrscher Joshua, das Volk wird zum Partner.
Dies ist nur ein Teil des schlüssigen Konzepts dieser Aufführung.
Das FOG zählt zu Recht zu einen der besten Ensembles in Sachen alte Musik. Foto: Säckl |
Die andere Säule ist das
Festspielorchester FOG. Zu welchen Leistungen selbst ein
Teilzeitklangkörper möglich, stellte das Ensemble am Donnerstag
wieder eindrucksvoll unter Beweis. Jahr für Jahr reift hier
innerhalb weniger Wochen ein organisches Verständnis von Musik
heran. Fast scheint es, dass die Virtuosen in ihrem Zusammenspiel nur
gelegentlich die Anleitung von Laurence Cummings benötigt, der sich
ihn seiner Funktion als Dirigent an diesem Abend angenehm
zurückhaltend zeigt.
Glanzpunkte dieses blinden
Verständnisses unter Gleichgesinnten und Gleichwertigen liefern
Elisabeth Blumenstock an der Violine und Phoebe Carrai am Cello beim
Duett im Wechselspiel der Streicher in der zweiten Szene des ersten
Akts. Als Trio mit Kate Clark an der Querflöte verzaubern sie das
Publikum in der dritten Szene gleich noch einmal.
Es sind eben die weichen Streicher, die
den Abend bestimmen und damit der Kriegserzählung eine lyrische Note
geben, dem aggressiv-militärischen Treiben die Spitze nehmen. Auch
die Bläser unterwerfen sich dieser Auslegung, als die Mauern von
Jericho gefallen sind und die neuen Herren in die Stadt einziehen. Es
sind starke Bläser in der siebten Szene des zweiten Akts, die sich
und den Besiegten aber den Triumph ersparen.
Doch die Grundlage des erfolgreichen
Abends ist das rebibungslose Zusammenwirken von Orchester und Chor.
Beide Teile behaupten ihre Plätze, ergänzen einander und nehmen dem
Partner nichts weg. Robert Blank und Laurence Cummings sind in der
Einstudierung dieser beiden Teile Wunderdinge gelungen.
Auch Kenneth Traver fügt sich in das
Konzept der anfänglichen Zurückhaltung und der langsamen Steigerung
von Dramatik und Dynamik ein. Erst in der zweiten Szene lässt er
erahnen, wie groß sein Potential und wo seine Stärken liegen. Das
ist ein eindeutig die präzise Intonation und die klare Artikulation.
Erst im Wechselgesang mit dem Chor am Beginn des zweiten Akts zeigt
der amerikanische Belcanto-Spezialist sein Dynamik und sein Volumen.
In der Rolle des Othniel kann Renata
Pokupic ihre komplette Ausdrucksstärke zur Geltung bringen. Wie das
Accampagnato mit Achsah in der dritten Szene des ersten Akts zeigt,
kann die Mezzo-Sopranistin auch die lyrischen Seiten wirken lassen,
um sie in den Arien des ersten Akts auch in ätherische Höhen zu
schwingen.
Anna Dennis betont an diesem Abend als
Achsah nicht ihre eranerkannte heiter-empfindsame Präsenz. Es sind
eher die nachdenklichen, die zurückhaltenden Seiten der Rolle, die
Anna Dennis hier intoniert.
Mit der zurückhaltenden Interpretation
des Joshua sind Laurence Cummings, dem Festspielorchester und dem NDR
Chor eine Aufführung gelungen, die sowohl Händel in authentischer
Weise weiterführt als auch die Tradition und die Erfahrung in
Einklang bringt.
Joshua: der Inhalt
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