Wildes Holz bei den Jazzfreunden Osterode
Warum eigentlich haben sich Generationen von pubertierenden Jungs mit der Gitarre abgemüht? Haben sich die zarten Finger an rauen Saiten ruiniert? Alles nur, um die Mädels zu beeindrucken. Hätten sie geahnt, dass man das auch mit der Blockflöte machen kann, wären ihnen einige erspart geblieben. Aber die züchtigen Musiklehrer haben es verschwiegen. Ob aus Unkenntnis oder mit Absicht, das sei dahingestellt.Aber Gott sei Dank gibt es ja Tobias Reisige und Wildes Holz. Das Trio war am Freitag zu Gast bei den Jazzfreunden Osterode und es hat nicht nur den kleinen Mädels imponiert. Am Ende des zweistündigen Konzerts tobte der ganze Saal, trotz des fortgeschrittenen Alters des Publikums.
Tobias Reisige hat noch ganz andere Blockflöten im Arsenal. Fotos: tok |
Ach ja, die Entstehungsgeschichte basiert auf jenen Zufällen, die die Musik manchmal deutlich voranbringt. Auf jeden Fall hatten Tobias Reisige, Anto Karaula und Markus Conrads schon Erfahrungen in anderen Bands als sie 1998 in der Musikschule Recklinghausen aufeinander trafen. Seitdem ist die Musikwelt nicht mehr dieselbe.
Was machen sie eigentlich? Ist es Jazz? Ist es Akustik-Pop? Ist es Rock? Oder was ganz anderes? Doch, man muss schon die überstrapazierte Formulierung vom "Überwinden der Genregrenzen" bemühen, um annähernd zu beschreiben, was Wildes Holz. Wer es genauer wissen will, der muss die Band eben mal live erleben.
Mal swingt es, mal rockt es, mal bossa novat es und dann schimmern Klassik und Barock hindurch. Conrads, Karuala und Reisige bedienen sich sehr frech im Fundus der Musikgeschichte und kreieren ihren sehr eigenen und gelegentlich eigenartigen Stil. Aber es funktioniert und es fasziniert.
Zumindest war das Publikum in der BBS 2 vom ersten Augenblick an in den Bann gezogen, obwohl die drei Musiker doch mit großen Vorschusslorbeeren angereist war. Das erste Set war noch so etwas wie ein Abtasten. Auch wenn das Tempo recht war, ging ruhiger zu als erwartet.
Karaula und Conrads sind weit aus mehr als nur Begleitpersonal. |
Jon Lord, Roger Glover, Ian Paice und Ritchie Blackmore finden da auch noch ihr Plätzchen. Allen pubertierenden Gitarreros sei gesagt, das "Smoke on the Water" in der Holz-Version verdammt cool klingt klingt.
Natürlich steht die Befreiung der Blockflöte in ihren unterschiedlichen Spielarten im Vordergrund. Doch Anto Karaula an der Gitarre und Markus Conrads am Kontrabass sind nicht das Begleitpersonal sondern kongeniale Partner,
Ein Konzert mit Wildes Holz ist ach ein wenig Work in progress. Es ist jedes Mal etwas anders als beim vorhergehenden und damit einzigartig. Tobias Reisige führt sein Arsenal an Blockflöten vor, spielt jeweils ein paar Noten und dank Loop-Technik wird das vorherige zur Begleitung des aktuellen. So entsteht Schritt für Schritt, Note für Note ein ganzes Flötenensemble und am Ende erklingt Coldplays "Vida la vida" für Holzbläser. Großartig.
Überhaupt, wer meint, eine Flöte kann nur wie eben eine Flöte klingen, der kennt Tobias Reisige nicht. Mal macht er aus seinem Instrument Klanghölzer, mal klingen seine Flöten wie eine Snare Drum und ein Hi Hat. Die Blockflöte als Perkussionsgruppe? Doch, es geht.
"Born to be wild" für Solo-Kontrabass. |
Danach können die Drei machen, was sie wollen, das Publikum jubelt sowieso. Gemeinsam feiert man ein Fest der Musik und mit der Holz-Version von Black Sabbaths "Paranoid" legen sie noch einmal 'ne Schippe drauf. Alles endet in einem furiosen Finale mit "Born to be wild" für Kontrabass. Trotz des fortgeschrittenen Alters tobt das Publikum.
Wildes Holz hat sein Mission. An diesem Abend wurde die Blockflöte vom Image des schäbigen Kinderspielzeugs befreit. Das sollten sich Musiklehrer mal zu Herzen nehmen und alle Jungs, die den Mädels Gitarre spielend imponieren wollen.
Wildes Holz #1: Die offizielle Homepage
Wildes Holz #2: Holz bei wikipedia
Wildes Holz #3: Der Spotify-Channel
Jazzfreunde Osterode #1: Die Homepage
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