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Eine Inszenierung, die sticht

Comedian Harmonist bei den Schlossfestspielen überzeugt in allen Belangen

Was will man mehr? Eine traurige Geschichte auf unterhaltsame Weise erzählt, eine gesunde Portion Ulk und dazu sechs erstklassige Musiker und ein Schauspieler, der ihnen fast die Show stiehlt und alles zusammen in einer Inszenierung, die mit Leichtigkeit begeistert. Mit den "Comedian Harmonists" bei den Schlossfestspielen in Sondershausen ist Ivan Alboresi mal wieder ein großer Wurf gelungen.

Mit einer Zeitungsanzeige sucht im Harry Frommermann im Dezember 1927 Sänger für eine noch zu gründendes Quartett. Sein Vorbild sind die Revellers aus den USA. Nach vielen Proben, Schwierigkeiten und Streitigkeiten beginnt das Ensemble  ein Jahr später unter dem Namen "Comedian Harmonists" eine einmalige Karriere. Diese wird die deutsche Musiklandschaft langfristig prägen, doch auf dem Höhepunkt funkt die Politik dazwischen.

Die Comedian Harmonists entsprechen nicht dem Musikgeschmack der regierenden Nationalsozialisten und außerdem sind drei der sechs Musiker jüdischen Glaubens. Es gibt ein Auftrittsverbot für Deutschland. Die Musiker zerstreiten sich, das Ensemble zerbricht. Drei Mitglieder gehen ins Exil. Gottfried Greiffenhagen und Franz Wittenbrink haben diese Geschichte in ein Musical mit vielen Stationen zerlegt.

Erst zwei Träumer, dann zwei Gegner: Kalus und Kohl
als Frommermann und Biberti.     Alle Fotos: Kügler
Ein Klavier, ein Grammophon auf einen Stapel Koffer, im Hintergrund eine Tür und zwei große Drehelemente und darüber ein LED-Display. Das war's und mehr wird es auch nicht. Die Bühne im Lustgarten des Schlosses ist sparsam ausgestattet und daran ändert sich auch nichts im Laufe der Vorstellung.

Das erlaubt dem Publikum nicht nur die Konzentration auf das Geschehen und die Akteure, die rasanten Umbauten durch die Akteure auf offener Bühne verleihen der Inszenierung zusätzliches Tempo. Aus dem armseligen Probenraum arbeitsloser Musiker wird im Handumdrehen die Garderobe einer Show-Bühne. Das ist der technische Aspekt der gelungenen Arbeit von Christian Floeren. Alboresi hat hier zu Recht und mit Erfolg auf die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Bühnenbildner mit internationaler Erfahrung gebaut

Mit diesem Charme einer Bahnhofshalle einer Bahnhofshalle macht Ivan Alboresi auch deutlich, dass alle ständig auf der Durchreise sind. Greifbar wird dieses auch in Requisite "Koffer". Immer wieder trägt jemand seinen Koffer mit sich herum. Jeder hat sein Gepäck zu schleppen und bringt es mit und ist dann schnell wieder weg. Das ist eingängig und nachvollziehbar. Dieses Detail steht als Beispiel für das durchdachte aber nicht verkopfte Konzept dieser Inszenierung.

Es zahlt sich auch völlig aus, dass Alboresi bei der Besetzung auf die heimische Stimmgewalt gesetzt hat. Sechs der sieben Rollen fielen an Sänger und das ist für dieses Musical ein sehr großes Plus. Schließlich sind hier durchaus anspruchsvolle Gesangspassagen zu bewältigen. Mit der musikalischen Formvollendung findet der Zauber der Comedian Harmonists seinen Weg auf die Bühne in Sondershausen. Wer die Augen schließt, kann sich zurückträumen in eine Show der frühen 30-er Jahre.

Das macht der Manager für uns: Sven Mattke.
Foto: Kügler
Garniert wird das ganze mit Tanzeinlagen aus der Kategorie "Nicht ganz ernst gemeint". Diese machen aber deutlich, dass der Ballettmensch Alboresi hier nicht nur sein Gespür für Komik sondern auch die Beherrschung des Raumes als theatralisches Mittel einzusetzen weiß.

Selbst der härteste aller Kritiker zeigt sich beeindruckt von dieser Leistung und lauscht voller Andacht und mit offenen Mund. Abschließend gibt er eine Eins minus. Wäre das Wetter besser gewesen, dann hätte er auch eine glatte Eins verteilt.

Mit Marian Kalus als Harry Frommermann und Thomas Kohl als Robert Biberti treffen hier zwei  Sänger aufeinander, die auch die schauspielerischen Anforderungen bewältigen. Das ist auch unbedingt nötig. Schließlich sind es die Pole, zwischen den die Comedian Harmonists dann zerrieben werden.

Beide verkörpern die Alphatiere glaubhaft mit stimmlichen Mitteln und auch zunehmend mit Gesten und Körperspannung. Die Konflikte werden in der Inszenierung von Alboresi schon frühzeitig angedeutet und entlang dieser skizzierten Linien zerbricht die Gruppe dann auch. Den Wandel vom Freund und Weggefährten zum Gegner können Kalus und Koch konsequent umsetzen. Erst haben sie einen gemeinsamen Traum, den Klaus und Kohl durchaus personifizieren, dann ist nur noch Gegnerschaft da. Selten sah man in Sonderhausen so überzeugend Männer von Freunden zu Feinden werden.

Sechs Musiker und ein Schauspieler. Aufgeteilt in zahlreiche Stationen ist Sven Mattke in seinen vielfältigen Rollen das Bindeglied der Aufführungen. Wo andere Inszenierungen in eine reine Nummernrevue zerfallen, fungierte der gebürtige Nordhäuser beeindruckend als Leim.

Egal ob als Vermieterin, als Manager, als Conferencier oder als Scherge der Reichskulturkammer, Mattke überzeugt in allen Rollen durch seine Vielfältigkeit und seine Präsenz. Er beherrscht die großen Gesten glaubhaft. Dazu kann Mattke ein enormes Tempo realisieren, dass dem Geist der Zeit entspricht und eine offensichtliche Spontanität, die dem Publikum spontanes Lachen entlockt.

Harte Arbeit, rasanter Aufstieg, ein bitteres Ende und der Bruch von Freundschaften. All dies ohne falsche Wehmut aber mit reichlich Tempo präsentiert. Dazu obendrauf die ewige Musik der Comedian Harmonists.







Schlossfestspiele Sondershausen #1: Der Spielplan
Schlossfestspiele Sondershausen #2: Das Stück

Theater Nordhausen #1: Ivan Alboresi - Die Kurzvorstellung

Comedian Harmonist #1: Der wikipedia-Eintrag

Zum Vergleich #1: Domfestspiele Bad Gandersheim 2015  - Die Comedian Harmonist
Zum Vergleich #2: Domfestspiele Bad Gandersheim 2017  -  Jetzt oder nie - Comedian Harmonist II





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