Freitag, 21. Juli 2017

Pinocchio entsäuert

Collodis Kinderbuch auf der Bühne in Hall

Der härteste aller Kritiker war im Auslandseinsatz. Auf dem Plan stand das Familienstück "Pinocchio" bei den Freilichtspielen in Hall. Die Inszenierung im Theaterzelt nimmt der Vorlage reichlich Moralin. Doch aus Altersgründen fällt das Urteil des härtesten aller Kritiker verhallten aus. Er fühlt sich wohl zu alt.

Dabei hat Max Merker der Vorlage reichlich Schwung und einen neuen Rahmen gegeben. Entsprechend des Aufführungsortes Theaterzelt macht er aus der Geschichte einer rasante Revue. Er verpasst dem Kinderbuch noch einmal einen ordentlichen Schwung und schafft es so, Collodis Werk die stellenweise Langatmigkeit zu nehmen. Zudem macht die neue Darstellung die Älteren neugierig und den Jüngeren nimmt es etwaige Berührungsängste

Dabei kann nicht nur Tina Haas als Conferencier glänzen. Selbst wenn Kinder nicht wissen, wie man dieses Amt auszufüllen,jetzt wissen sie es: Großspurig und raumgreifend und ein wenig selbstironisch, so muss das sein.

Tina Haas ist als Conferencier einer von zwei Stützen
dieser Inszenierung. Alle Fotos: J. Weller
Ansonsten hat Merker die Zahl der Protagonisten auf das Minimum, auf die Handlungsträger, reduziert. Das dient der Übersichtlichkeit und somit der Rezipierbarkeit. So macht ere aus dem umfangreichen Vorlage ein Stück, dass der Konzentrationsspanne des Publikums durchaus entspricht.

Überhaupt glänzt die Inszenierung vor witzigen und frechen Einfällen und Ideen, die spontan wirken. Die Startszene, in der der Holzklotz gespalten werden soll, steckt voller Zirkusluft und ist ein Glanzstück der Clownerie, an der alle Beteiligten Spaß haben, selbst der härteste aller Kritiker. Aber wenn schon so alt ist, dann darf man das wohl nicht mehr zugeben.

Auch die Bett-Rettungsszene ist wohltuender Klamauk, der an Bekanntes anknüpft und deshalb vom Publikum verstanden und leicht rezipiert wird. Diese gelungene Rezept zieht sich durch die gesamte Aufführung.

Gerade Mario Dengler in der Titelrolle trägt dazu bei, dass dieser Pinocchio so gut wie den Kindern landen kann. Ein Grinsen von Ohr zu Ohr und immer ganz große Auge, gepaart mit einer glockenklaren Stimme. Er sprüht geradezu vor Tatendrang und  optimistischer Blauäugigkeit. So ein unbedarfter Junge, der stolpert einfach von einem Missgeschick in das nächste.

Die Fee mit den blauen Haaren steht Pinocchio in seiner
zweitschwersten Stunde ab.
Dazu passt auch, dass Fuchs und Katze fast schon Randfiguren. Es stehen nicht zu sehr die Abenteuer und Missetaten im Vordergrund, sondern ganz eindeutig das Vater-Sohn-Verhältnis von Gepetto und Pinocchio. Serviert wird diese Auseinandersetzung eben in kleinen und appetitlichen Häppchen in schneller Folge. Doch durch die Sequenzen zeiht sich ein roter und somit folgt die Versöhnung der beiden Protagonisten durchaus einer inneren Logik

Für die Kinder wird Pinocchio zur Projektionsfläche und die Eltern und Betreuer können ihm nichts krumm nehmen. Oder ist es andersherum?

Mit EselHundKatzeHahn bei den Gandersheimer Domfestspielen hat Tante Polly schon 2015 bewiesen, dass das Trio ein glückliches Händchen für den Soundtrack zum Märchen hat. Mit Pinocchio setzt das Trio dies eindeutig fort. Dabei spielen Dominik Dietrich und seine Mitmusiker durchaus ironisch mit den Klischees der Musik. Da kann die kleine Möwe auch mal nicht nach Helgoland sondern an den Kocher-Strand fliegen. Aber das merken wohl nur die Älteren.

Vielleicht ist das Problem das undankbare Zwischenalter des härtesten aller Kritiker.Für pure Freude an dieser Inszenierung ist er wohl zu alt, für verständnisvolles Schmunzel und ahnungsvolle Kopfschütteln noch zu jung. Alle anderen haben auf jeden Fall viel Spaß an diesem Pinocchio, der erfrischend leicht daher kommt. Fast schon wie Balsa-Holz.









Veranstalter #1: Die Freilichtspiele Hall
Veranstalter #2: Das Stück

Thema #1: Pinocchio bei wikipedia



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Der härteste aller Kritiker - Teil eins
Der härteste aller Kritiker - Teil zwei
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Der härteste aller Kritiker - Teil dreizehn
Der härteste aller Kritiker - Teil vierzehn





Sonntag, 16. Juli 2017

Sterne verbrennen im Liebesfieber

Die Wahlverwandtschaften in Hall auf das Nötigste reduziert

Goethe ist schon schwerer Tobak. Aber man kann ihn auch verdaulich gestalten. Das beweist Caroline Stolz mit ihrer Inszenierung der Bühnenfassung von Gunter Heun. Dabei kommen beide ohne Modernismen aus und schaffen doch ein Stück mit Aussagekraft.

Die wichtigste Reduktion liegt in der Konzentration auf die vier Handlungsträger. Alle Randfiguren wurden entfernt und nur Eduard, Charlottte, Otto und Ottilie betreten die kreisrunde Bühne. Ist sie eine Arena, der Schauteller einer Etagere oder ein Liebeskarussel? Mehrere Deutungen sind zulässig und machen auch Sinn.

Mit der Ankunft des Hauptmanns Otto (Dirk Weiler, rechts)
gerät die Ordnung durcheinander. Alle Fotos: J. Weller
Auf jeden Fall wirkt das reduzierte Bühnenbild von Martin Dolnik faszinierend. Er lässt das Publikum in der Innere einer Spieluhr schauen. So wird bildhaft, dass  das weitere Geschehen einer sozialen Mechanik folgt. Oder einer naturgesetzlichen Zwangshaftigkeit, wie Goethe im Rückgriff auf den Chemiker Torbern Bergmann selbst anführte.

Passend dazu bewegen sich die Darsteller am Beginn des Stück wie die Puppen einer solchen Spieluhr. Abgehakt und unnatürlich und immer auf vorgegebenen Bahnen. Dazu sind alle Darsteller übertrieben geschminkt wie es  die Puppen des Biedermeiers es eben waren.

Damit greifen Stolz und Dolnik mehrere Versatzstücke aus dem frühen 19. Jahrhundert auf, um den gesellschaftlichen Rahmen und den Geist der Zeit zu verdeutlichen.Sie verzichten in ihrem klaren Konzept auf jegliche Modernismen. Selbst die Sprache ist der gestelzten Vorlage Goethes verhaftet.

Auch die Garderobe verbleibt im Biedermeier. Sie sieht nur eben recht abgerockt aus. Damit ist klar, dass hier eine Schicht schon bessere Zeiten gesehen hat und ihren Zenit deutlich überschritten hat.

Noch ist die Freundschaft von Eduard (hinten) und Otto
ungetrübt.         Foto: Jürgen Weller
Dann wird die Starre aufgelöst. Gunter Heun in der Rolle des Eduards gerät in einen Redeschwall und die Handlung nimmt Fahrt auf. Heun und Stolz erwecken die Wahlverwandtschaften schlagartig aus ihrem biedermeierlichen Dämmerschlaf. Mit dem Entschluss, den Jugendfreund des Barons für längere Zeit aufzunehmen, begeben sich Charlotte und ihr Gatte auf eine emotionale Schussfahrt, die nach der moralischen Logik des 19. Jahrhunderts unweigerlich in der Katastrophe enden muss.

Wer will, kann in diese Inszenierung durchaus moderne Zeiten hineinlesen. Denn mit der Aufnahme von Charlottes Mündel Ottilie entsteht der Urtyp der Patchwork-Familie. Vor diesem Hintergrund wird erst deutlich, welch Wohltat die Befreiung vom moralischen Imperativ im 20. Jahrhundert bedeutet.

Fein herausgearbeitet hat Caroline  Stolz die tiefe Ironie des Werks. Voller Tatendrang versucht Otto Struktur in das Leben und Wirtschaften seines müßiggängigen Freundes Eduard zu bringen. Der Hauptmann vermisst und kartografiert und plant und verdeutlicht. Aber gerade bringt damit die gewachsene Ordnung im Landschloss durcheinander. ZUm Schluss sind alle Sterne dere Hoffnung vom Himmel gefallen.

Im Zentrum des Geschehen steht Eduard und von Gunter Heun wird er wunderbar passend und auch allumfassend dargestellt. Von leise bis laut, von todtraurig bis albern, von raumgreifend bis nuanciert, von expressiv bis introvertiert, er beherrscht alles und kann es vermitteln. Damit ist Heun vielleicht der kompletteste Darsteller bei den diesjährigen Freilichtspielen.

Auf dieser Basis zeichnet er ein umfassendes Bild des eher ziellosen Adligen Eduard, inklusive seiner Gemütsschwankungen. Damit bringt Heun auch Eduards Aufwachen aus der Lethargie bei Ottilies Eintreffen glaubwürdig auf die Bühne.

Als der Hauptmann der Schlossherrin seine Liebe gesteht,
ist es zu spät.
Dennoch bleibt genug Raum für die Kollegen und wenn Heun der Fachmann für die Alpha-Männchen ist, dann ist Dirk Weiler der Experte für die schwierigen Charaktere. Manchmal steht ihm die Verklemmtheit ins Gesicht geschrieben. Manchmal scheint, dass der Text nicht so recht aus ihm heraus will, dass er sich nicht traut, das zu sagen was gesagt werden muss und deshalb kann er ihn nur über schmale Lippen herauspressen.  Damit ist er genau der Richtige für den Hauptmann, der nicht aus seiner Haut kann.

Heun und Weiler kontrastieren und ergänzen sich wunderbar. Mit diesem beiden Polen ist eine kongeniale Besetzung gelungen, die die verschiedenen Seiten der menschlichen Verwerfungen auslotet.

Alice Hanimyan braucht hingegen erst ein wenig, bis sie in das Fahrwasser findet. Ihre Ottilie ist in den ersten Sequenzen so sehr auf rotzfrech angelegt, dass man wünscht, auch die Biedermeier hätten schon Ritalin gekannt. Dafür ist ihre Wandlung zur ehrlich Liebenden und dann zur abgrundtief Verzweifelten um so schöner. Das geht zum Schluss richtig ans Herz.

Mit Silke Buchholz in der Rolle der Schlossherrin Charlotte gibt es auch hier einen ergänzenden Kontrast. Neben all den Hormonverwirrten gibt sie ruhig und äußerlich gelassen den Fels in der Brandung.

Goethe ist schon schwerer Tobak. Aber wenn er so dargereicht wird, dann hofft man, dass die Wahlverwandtschaften möglichst bald ihren Weg aus dem Theaterzelt der Freilichtspiele auf eine reguläre Bühne finden.







Veranstalter #1: Die Freilichtspiele Hall
Veranstalter #2: Das Stück

Thema #1: Die Wahlverwandtschaften bei wikipedia




Samstag, 15. Juli 2017

Das Drama der Reformation

Brenz 1548 bei den Freilichtspielen Hall

Es ist Reformationsjahr und während sich alle Welt auf Martin Luther konzentriert,  feiern die Freilichtspiele Hall den Lokalhelden und Reformator Johannes Brenz. Das ist durchaus zu begrüßen, denn es öffnet neue Perspektiven und liefert zugleich Detailansichten zu einem Ereignis, das die Welt verändert hat.

 Mit "Brenz 1548" versucht Intendant und Regisseur Christian Doll einen Spagat, der auf weiten Strecken gelingt. Dies ist vor allem den Hauptdarstellern Dirk Schäfer, Anne Weinknecht und Kerstin-Marie Mäckelburg zu verdanken.

Autor Andreas Gäßler wollte dreierlei leisten: Ein Drama abliefern, ein theologisches Lehrstück schaffen und Lokalgeschichte zeigen. Weil viele Anspielungen auf lokale Größen drinstecken, würde das Stück in Thüringen und in Anhalt, den Kernländern der Reformation so nicht funktionieren.

Dirk Schäfer beherrscht die Treppe und das Stück.
Alle Fotos: Jürgen Weller
Dort, wo es theologisches Lehrstück ist, wirkt "Brenz 1548" gelegentlich textlastig. Aber Gäßler schafft es, die Kernpunkte der lutherischen Reformation herauszuarbeiten. Er macht deutlich, was Katholiken und Protestanten trennt und das ist mehr als die Priesterehe und das Abendmahl. Es geht um ein neues Menschenbild und um die Freiheit des Christenmenschen. In seiner Inszenierung legt Christian Doll eben besonderen Wert auf diese Neuerung, die die Welt verändert hat.

Aber vor allem dort, wo "Brenz 1548" Drama sein darf, dort überzeugt es. Doll schafft beeindruckende Bilder und seine Darsteller schaffen bleibende Momente.

Die Handlung setzt 1548 ein. Der Thesenanschlag von Wittenberg liegt 31 Jahre zurück, Luther ist tot und die Reformation steckt in der Krise. Kaiser Karl V. lässt gerade mit Gewalt die Gegenreformation durch die deutschen Lande laufen.

Zwei Zeitreisende sind zur falschen Zeit am Ort. Sie sind auf der Suche nach Martin Luther und treffen auf Johannes Brenz. Der ist gerade aus Hall geflohen. Der Kaiser hatte die Auslieferung des reformatorischen Antreibers gefordert. Um sein Leben und sein Wirken zu rettten, ließ er seine todkranke Frau und die sechs Kinder zurück.

Ein Bild, das bleibt: Margarethe
stirbt.

Foto: J. Weller
Von diesem Ausgangspunkt erzählt Doll in Rückblenden die Geschichte der Reformation im deutschen Südwesten. Es sind einzelne, meist schnell, zuweilen auch hektische Sequenzen. Um so viel Dynamik auf die sperrige Freitreppe vor der Michaeliskirche zu bekommen, bedarf es wohl viel Regiearbeit. Man merkt gar nicht, das diese vertikale Bühne eigentlich ein Schauspielverhinderungsmonstrum ist.

Mit ihrem Bühnenbild mit acht Türen zieht Anne Brüssel einige Ebenen in diese Vertikale ein. Dies ermöglicht es, dass Spiel zu gliedern und zu begrenzen. Somit schafft sie Orientierung für das Publikum und damit trägt sie wesentlich zum Erfolg bei.

Angenehm ist auch, dass Veronika Witlandt  bei den Kostümen zwar modische Zitat bringt, aber ansonsten auf Anbiederung an das 16. Jahrhundert verzichtet. Damit bewahrt sie "Brenz 1548" vor dem Historienspiel und weist über die Zeit hinaus.

Geschichte wird gemacht und deshalb muss es auch rasant zugehen. Aber ihre wirklichen Stärken entwickelt diese Inszenierung, in den stillen und lyrischen Sequenzen, wenn gesprochen und nicht proklamiert wird, wenn die Schauspieler einfach mal ihre Präsenz wirken lassen dürfen.

Dazu gehört eindeutig die Liebesszene zwischen dem Dauerjunggesellen Brenz und der jungen Witwe. Das soviel Poesie aus dieser riesigen Bühne möglich ist, liegt an dem kongenialen Zusammenspiel von Anne Weinknecht und Dirk Schäfer.

Überhaupt scheint die Rolle des Reformators Dirk Schäfer auf den Leib geschrieben zu sein. Von laut bis leise, von fordernd bis verzweifelnd, Schäfer bringt die ganze Person Brenz auf die Bühne und macht auch dessen Zerrissenheit und Entwicklung deutlich. Damit setzen Doll und Schäfer einen neuen Höhepunkt in ihrer Zusammenarbeit.

Von Kaspar zum Despoten: Carl-Ludwig Weinknecht als
Kaiser Karl V.

Foto: J. Weller
Anne Weinknecht ist der leise Widerpart. Der zukünftigen Frau Brenz liegen nicht die großen Töne, sondern das beharrliche Nachfragen und das überzeugte Einstehen. Damit sind die beiden eine wunderbare Ergänzung.

Höhepunkt dieses Zusammenwirkens ist ohne Frage die Sterbeszene der Margarethe. Hiner kumuliert die ganze Dramatik in einem großartig Bild, das haften bleibt. Selbst die plötzliche Wendung der Sybille Burgmeister, überragend gespielt von Kerstin-Marie Mäckelburg, ist durchaus glaubwürdig.

Erst ein Kaspar, dann ein Despot So könnte man die Wandlung des Kaiser Karl V. beschreiben. Auf jeden Fall kann Carl-Ludwig Weinknecht in der Rolle des Regenten diese Entwicklung glaubhaft vermitteln.

Mit "Brenz 1548" hat Christian Doll einen überzeugenden Einstand bei den Festspielen Hall abgeliefert und bewiesen, dass er nicht nur lustig kann.







Veranstalter #1: Die Freilichtspiele Hall
Veranstalter #2: Das Stück

Thema #1: Johannes Brenz bei wikipedia
Thema #2: Kaiser Karl V.



Ein Mann und sein Publikum

Eine Abhandlung über Georg Ringsgwandl im Sülbecker Esel

Umfallen unmöglich. Bereits zwanzig Minuten vor Beginn des Konzerts ist der Saal rappelvoll. So voll, dass auf den billigen Plätzen jeder den anderen in der Vertikalen hält. Mancher erweckt den Eindruck, als hätte seinen Sitzplatz schon vor 40 Minuten erobert und sei auch nicht gewillt, ihn bis zum Ende des Abends preiszugeben.

Die Kopfrechenarten melden sich. Es sind offiziell 220 Gäste an diesem Abend im Esel. Jeder gibt eine Wärmeleistung von 180 Watt ab. Plus die Scheinwerfer, die schon jetzt auf der Bühne leuchten ist das ergo eine Bullenhitze schon zwanzig Minuten vor dem Beginn des Konzerts.

Dabei ist es doch ein selten lauer Abend in diesem nass-kalten Sommer 2017 und draußen laden Tische und Bänke zu Verweilen ein. Was treibt also die Menschen nach drinnen. Ganz einfach: Georg Ringsgwandl wird an diesem Abend im Esel spielen. Der Meister hat gerufen und seine Jünger und Jüngerinnen sind ihm gefolgt.

Von jünger kann aber nicht die Rede sein. Es dominiert die Generation Ü 50. Aber gut, der Ringsgwandl Georg, der geht ja auch auf die siebzig zu. Man ist wohl miteinander alt geworden, in einer Fernbeziehung und jedes Mal, wenn der Georg in der Nähe ist, dann guckt er halt bei seinen Freunden in Sülbeck vorbei. So schaut's zumindest aus.

Ringsgwandl hat sich zum x-ten Mal gehäutet.
Alle Fotos: tok
Er ist mit kleiner Besetzung gekommen. NIck Woodland spielt Gitarre und auch mal Mandoline, Christian Diener bedient den Kontrabass und Tommy Baldu sitzt am Schlagzeug und an der Percussion. Rechts auf der Bühne steht eine Zither, die darauf wartet, zum Einsatz zu kommen. Marketing-Hansels würden das Konzert wohl als "unplugged" verkaufen.

Max sitzt am Mischpult und Ringsgwandl stellt ihn vor, ganz familiär halt. Er lobt ihn, noch bevor der erste Ton gespielt wurde. Das Lob hat er sich mehr als verdient. Der Klang ist an diesem Abend einfach großartig. Klar und druckvoll und transparent. Jeder Ton klingt brillant. Dass der Meister zum Nuscheln neigt, dafür kann der Max halt nix.

Den ersten donnernden Applaus gibt es, als Ringsgwandl und seine Begleiter die Bühne betreten. Man weiß, was einen erwartet. Der lyrisch musikalisch Kabarettist ist schließlich zum sechsten Mal im Esel in Sülbeck.

Die Tour heißt "Woanders", genauso wie das aktuelle Album. Sie könnte genauso gut "Wer anders" heißen, denn mit diesem Werk hat sich das Multitalent mal wieder gewandelt. Oder muss es es heißen "gehäutet". Auf jeden Fall ist er anders las beim letzten Mal im Esel. Deswegen ist mancher im Publikum überrascht und trotzdem begeistert.

Von den schrillen, extrovertierte und lauten Zeiten der Alpinkatzen ist das aktuelle Werk Welten entfernt. Es ist ruhig, innerlich und persönlich. Man mag kaum glauben, dass dieser Mann einst den Alpenrock erfunden hat. Fraglich ist aber, ob das Publikum heute noch das Tempo von einst mitgehen könnte.

Eigentlich macht Ringsgwandl an diesem Abend alles falsch, was man bei einem Konzert falsch machen. Das Programm ist eben nur das aktuelle Album, Ringsgwandl redet viel, das Quartett spielt nur einen Song und dann redet Ringsgwandl wieder viel. Es gibt keine Show, keine Rampensau taucht auf und auch das Licht verzichtet auf Effekte. Es gibt halt nur Musik und die ist saugut.

Keine Angst, sie ist auch zum Einsatz gekommen.
Es ist wie auf dem Album, aber eben gleich zwei Spuren besser. Es bluest und sambat und ländlert und überall gibt es mindestens eine Extraportion Musik. Hier wird noch eine Schleife gedreht und dort noch etwas zur Studioversion hinzugefügt. Ringsgwandl und Band sind Zauberer. Mit kleinen Mitteln erzeugen sie Momente, die nachwirken und dann große Momente werden. Irgendwie swingt es einfach und niemand vermisst die lauten Alpinkatzen

Es sind vor allem Geschichten aus dem Alltag, von denen Ringsgwandl und seine Begleiter da berichten. Von ehemaligen Spargelköniginnen, von Kleinkriminellen und von der Einsamkeit der Provinz und von Frauen, die es dort nicht mehr aushalten. Aber sie haben alle einen besonderen Zauber. Alle eint ein Rest-Trotz, ein Rest-Optimismus.

Wie gesagt, eigentlich redet Ringsgwandl zu viel. Aber das steckt in ihm drin und muss raus und irgendwie gehört es auch dazu. Sonst würde man einiges nicht verstehen und überhaupt hat der Musiker eine besondere Art zu erzählen. Wie gesagt, er geht auf die siebzig zu wirkt doch wie ein kleiner Bub, der über sich und die Welt erstaunt ist. An diesem Abend gibt Ringsgwandl dem Publikum eine ordentliche Portion Unbedarfheit zurück. Es scheint, als sei Peter Pan im Esel gelandet. Die Generation Ü 50 bedankt sich dafür.

Es ist rappelvoll und bulleheiß im Esel und der Sauerstoffgehalt liegt noch drei Prozentpunkt unterhalb der Teenager-Party. Draußen laden Tische und Bänke zum Verweilen ein und weil die Fenster offen stehen, kann man dort auch jedes Wort und jeden Ton bestens verstehen. dank Max.






Musiker #1: Die offizielle Website von Georg Ringsgwandl
Musiker #2: Die Biografie bei wikipedia

Veranstalter #1: Das Programm im Esel