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Ein Mann und sein Publikum

Eine Abhandlung über Georg Ringsgwandl im Sülbecker Esel

Umfallen unmöglich. Bereits zwanzig Minuten vor Beginn des Konzerts ist der Saal rappelvoll. So voll, dass auf den billigen Plätzen jeder den anderen in der Vertikalen hält. Mancher erweckt den Eindruck, als hätte seinen Sitzplatz schon vor 40 Minuten erobert und sei auch nicht gewillt, ihn bis zum Ende des Abends preiszugeben.

Die Kopfrechenarten melden sich. Es sind offiziell 220 Gäste an diesem Abend im Esel. Jeder gibt eine Wärmeleistung von 180 Watt ab. Plus die Scheinwerfer, die schon jetzt auf der Bühne leuchten ist das ergo eine Bullenhitze schon zwanzig Minuten vor dem Beginn des Konzerts.

Dabei ist es doch ein selten lauer Abend in diesem nass-kalten Sommer 2017 und draußen laden Tische und Bänke zu Verweilen ein. Was treibt also die Menschen nach drinnen. Ganz einfach: Georg Ringsgwandl wird an diesem Abend im Esel spielen. Der Meister hat gerufen und seine Jünger und Jüngerinnen sind ihm gefolgt.

Von jünger kann aber nicht die Rede sein. Es dominiert die Generation Ü 50. Aber gut, der Ringsgwandl Georg, der geht ja auch auf die siebzig zu. Man ist wohl miteinander alt geworden, in einer Fernbeziehung und jedes Mal, wenn der Georg in der Nähe ist, dann guckt er halt bei seinen Freunden in Sülbeck vorbei. So schaut's zumindest aus.

Ringsgwandl hat sich zum x-ten Mal gehäutet.
Alle Fotos: tok
Er ist mit kleiner Besetzung gekommen. NIck Woodland spielt Gitarre und auch mal Mandoline, Christian Diener bedient den Kontrabass und Tommy Baldu sitzt am Schlagzeug und an der Percussion. Rechts auf der Bühne steht eine Zither, die darauf wartet, zum Einsatz zu kommen. Marketing-Hansels würden das Konzert wohl als "unplugged" verkaufen.

Max sitzt am Mischpult und Ringsgwandl stellt ihn vor, ganz familiär halt. Er lobt ihn, noch bevor der erste Ton gespielt wurde. Das Lob hat er sich mehr als verdient. Der Klang ist an diesem Abend einfach großartig. Klar und druckvoll und transparent. Jeder Ton klingt brillant. Dass der Meister zum Nuscheln neigt, dafür kann der Max halt nix.

Den ersten donnernden Applaus gibt es, als Ringsgwandl und seine Begleiter die Bühne betreten. Man weiß, was einen erwartet. Der lyrisch musikalisch Kabarettist ist schließlich zum sechsten Mal im Esel in Sülbeck.

Die Tour heißt "Woanders", genauso wie das aktuelle Album. Sie könnte genauso gut "Wer anders" heißen, denn mit diesem Werk hat sich das Multitalent mal wieder gewandelt. Oder muss es es heißen "gehäutet". Auf jeden Fall ist er anders las beim letzten Mal im Esel. Deswegen ist mancher im Publikum überrascht und trotzdem begeistert.

Von den schrillen, extrovertierte und lauten Zeiten der Alpinkatzen ist das aktuelle Werk Welten entfernt. Es ist ruhig, innerlich und persönlich. Man mag kaum glauben, dass dieser Mann einst den Alpenrock erfunden hat. Fraglich ist aber, ob das Publikum heute noch das Tempo von einst mitgehen könnte.

Eigentlich macht Ringsgwandl an diesem Abend alles falsch, was man bei einem Konzert falsch machen. Das Programm ist eben nur das aktuelle Album, Ringsgwandl redet viel, das Quartett spielt nur einen Song und dann redet Ringsgwandl wieder viel. Es gibt keine Show, keine Rampensau taucht auf und auch das Licht verzichtet auf Effekte. Es gibt halt nur Musik und die ist saugut.

Keine Angst, sie ist auch zum Einsatz gekommen.
Es ist wie auf dem Album, aber eben gleich zwei Spuren besser. Es bluest und sambat und ländlert und überall gibt es mindestens eine Extraportion Musik. Hier wird noch eine Schleife gedreht und dort noch etwas zur Studioversion hinzugefügt. Ringsgwandl und Band sind Zauberer. Mit kleinen Mitteln erzeugen sie Momente, die nachwirken und dann große Momente werden. Irgendwie swingt es einfach und niemand vermisst die lauten Alpinkatzen

Es sind vor allem Geschichten aus dem Alltag, von denen Ringsgwandl und seine Begleiter da berichten. Von ehemaligen Spargelköniginnen, von Kleinkriminellen und von der Einsamkeit der Provinz und von Frauen, die es dort nicht mehr aushalten. Aber sie haben alle einen besonderen Zauber. Alle eint ein Rest-Trotz, ein Rest-Optimismus.

Wie gesagt, eigentlich redet Ringsgwandl zu viel. Aber das steckt in ihm drin und muss raus und irgendwie gehört es auch dazu. Sonst würde man einiges nicht verstehen und überhaupt hat der Musiker eine besondere Art zu erzählen. Wie gesagt, er geht auf die siebzig zu wirkt doch wie ein kleiner Bub, der über sich und die Welt erstaunt ist. An diesem Abend gibt Ringsgwandl dem Publikum eine ordentliche Portion Unbedarfheit zurück. Es scheint, als sei Peter Pan im Esel gelandet. Die Generation Ü 50 bedankt sich dafür.

Es ist rappelvoll und bulleheiß im Esel und der Sauerstoffgehalt liegt noch drei Prozentpunkt unterhalb der Teenager-Party. Draußen laden Tische und Bänke zum Verweilen ein und weil die Fenster offen stehen, kann man dort auch jedes Wort und jeden Ton bestens verstehen. dank Max.






Musiker #1: Die offizielle Website von Georg Ringsgwandl
Musiker #2: Die Biografie bei wikipedia

Veranstalter #1: Das Programm im Esel



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