Posts

Es werden Posts vom 2019 angezeigt.

Das geht unter die Haus

Bild
Antje Thoms inszeniert Woyzeck am DT Göttingen Leicht schräg, endlos traurig und mit einer völlig neuen Perspektive. Der "Woyzeck" am Deutschen Theater Göttingen geht unter die Haut. Dabei ist die Inszenierung von Antje Thoms nicht nur beeindruckend, sondern nötiger denn je. Die Vorlage von Georg Büchner ist ein Stück, dass schon sehr die Frage nach Macht und Abhängigkeit gestellt hat. Mit dieser Aufführung macht Antje Thoms deutlich, dass dieses immer wieder getan werden muss. Das ist in Zeiten, in denen Friede, Freude, Eierkuchen zur Maxime geworden sind und in denen Antagonismen hinter dem Scheinwerferlicht verschwinden, um so wichtiger. Thoms hat sich nicht des Dramas sonder des gleichnamigen Musicals bedient. Dazu hat sie den militärischen Hintergrund entfernt und in die banale Welt des Rockbiz verlegt. Bei aller Kumpelhaftigkeit ist auch dieses von steilen Machtgefügen geprägt. Schon bevor die Show beginnt, hat Woyzeck verloren. Alle Fotos: Thomas Jauks Als ...

Einfach nur sensationell

Bild
Die Söhne Hamburgs sind in der Stadt Das war eine Party für große Jungs und Mädels. Am Ende des Konzerts war nicht ganz klar, wer mehr Arbeit geleistet hat: Die Musiker oder das Publikum. Dem einen oder der andere werden nach dem Auftritt der Söhne Hamburgs in der Stadthalle Osterode die Hände von Klatschen weggetan haben. Heisere Stimme wird es wohl auch gegeben haben. Aber ansonsten war die Veranstaltung im Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen einfach nur sensationell. Aus dem Hintergrund bimmeln Glocken. Drei gesetzte Herren ziehen durch die Sitzreihen und singen ihre Version von "Kommet ihre Hirten". Schließlich heißt das Programm ja "Die Söhne Hamburgs feiern Weihnachten". Schon jetzt singen die ersten mit und das wird sich bis zum Ende auch nicht ändern. Auf jeden Fall haben Claussen, Gwildis und Wendt die ersten Lacher und das Publikum auf ihrer Seite.  Wer ein Konzert mit Gwildis besucht, der weiß, was ihn erwartet und geht genau deswegen hin. ...

Wirklich ganz viel Seele

Bild
Moskauer Kathedralchor verzaubert bei den Kreuzgangkonzerten Sie waren gekommen, um mit Klischees zu arbeiten. Weil die Sängerinnen und Sänger des Kathedralchor Moskau diese Aufgabe bei ihrem Auftritt im Kloster bestens erledigten, wurden sie mit donnernden Applaus belohnt. Den Russen und ihrer Musik sagt man einen ausgeprägten Hang zu Sentimentalität und Sehnsucht nach. In der Volksmusik ist dies sicherlich die Antwort auf eine wenig erquickende Realität. Die sakrale Musik ist hingegen geprägt von einer Innerlichkeit, die sich an der Grenze zur Mystik bewegt. Diese paart sich aber auch mit überbordender Freude. Das machten das Ensemble und ihr Leiter Nikolai Azarow beim Konzert am Dienstag deutlich. Immer wieder stehen Solisten und Tutti im Dialo. Alle Fotos: Thomas Kügler Die ersten beiden Lieder von Dmitri Brotnjanski gehören eindeutig in die zweite Kategorie. Der Gesang setzt ein wie ein Sturmflut und spült die Freude bis in die letzte Ecke des verwinkelten Konzertsaa...

Zwischen wild und romantisch

Bild
Adventskonzert mit Wildes Holz Mitklatschen und mitsingen gibt es in der Kirche häufiger. Aber dass auf den harten Kirchenbänken aus noch geschunkelt wird, d as schaffen nur Wildes Holz. Das Trio war bei den Jazzfreunden Osterode zu Gast und hinterließen in der Schlosskirche  ein begeistertes Publikum. Seit mehr als 20 Jahren dekonstruieren Tobias Reisige und Markus Conrad bekanntes Liedmaterial und bauen es wieder zusammen. Es ist musikalisches Tuning, denn die Songs gewinnen deutlich an Geschwindigkeit. "Alle Jahre wilder" lautet der Titel ihrer aktuellen Weihnachtstour und es besteht aus bekannten Weihnachtsliedern. Doch der Titel stimmt nur zu 75 Prozent. Das letzte Viertel des Programms ist doch ruhig und besinnlich. Die weltgrößte Blockflöte trifft auf Gitarre und Mandoline.     Alle Fotos: Thomas Kügler Mit "Ihr Kinderlein kommet" in einer Swing-Version geht es gleich im hohen Tempo los. Jeder der drei Musiker darf zeigen, was er so solistisch kann...

Der Geist der Weihnacht

Bild
Güttler Ensemble feiert fröhliche Weihnachten im Kreuzgang Freue dich, oh Zuhörerschaft. Mit dem Auftritt bei den Kreuzgangkonzerten in Walkenried machten Ludwig Güttler und sein Blechbläser-Ensemble deutlich, dass Weihnachten vor allem ein Fest der Freude ist. Es gab Barockmusik im Überfluss und ein dankbares Publikum. Der Auftakt ist mächtig. Bei der "Trumpet and Air" von Henry Purcell trifft die volle Wucht der 11 Blechbläser und der Pauke die Zuhörer. Schlagartig ist der hohe Raum im Kreuzgang mit Tönen gefüllt. Es ist aber keine Flutwelle sondern die Dynamik trägt das Publikum zu musikalischen Höhen empor. Schon hier wird deutlich, was die Klasse dieses Ensembles ausmacht: Der glasklare Klang und das exakte Zusammenspiel. Trotz des mächtigen Volumens bleibt jedes einzelne Instrument erkennbar. Das Klangbild ist fein gewebt und transparent. Solch Musik wurde für solch Klangräume wie den Kreuzgang geschrieben. Vortrag und Architektur gehören zusammen. Noch schaut...

Bilder eines Festivals

Bild
Ausstellung in Göttingen: Dietrich Kühne fotografiert den Literaturherbst Er hat Literatur im Bild festgehalten. Dietrich Kühne hat den Göttinger Literaturherbst 2019 fotografiert. Eine Auswahl davon ist jetzt in der Galerie Art Supplement in der Burgstraße zu sehen. Auf dem Festivalkalender standen im diesem Jahr 84 Veranstaltung. Zwanzig davon hat Dietrich Kühne begleitet und dokumentiert. Auch für Johannes-Peter Herberhold war solch eine Zusammenarbeit eine Premiere. wie der Geschäftsführer des Literaturherbstes bei der Vernissage am Donnerstag berichtete, kam sie auf Initiative von Dietrich Kühne zustande. Weil Kühne als Fotograf einen ausgezeichneten Ruf genießt, sei er über die Anfrage erfreut gewesen. „Er fragte, ob das möglich sei, und wir sind uns schnell einig geworden“, erinnert sich Herberhold. Der Fotograf und ... Foto: Kügler Der Fotograf ist immer noch begeistert von der Atmosphäre hinter den Kulissen. Dabei seien die Stars erstaunlich entspann...

Auf die Kleinigkeiten achten

Bild
Tristan und Isolde am Theater für Niedersachsen Wagner zum Auftakt. Fünf Monate lang wurde das Theater für Niedersachsen renoviert. Zur Wiedereröffnung gab es "Tristan und Isolde". Die Inszenierung von Tobias Heyder zeigte sich der Tradition verpflichtet. Die Darsteller überzeugen mit guten Leistungen, aber den Star des Abends gab es nicht zu sehen. In seiner Eröffnung scherzte  der Intendant. Man habe sich solch ein Mammutwerk ausgesucht, um die Qualität der neuen Bestuhlung zu testen, so Jörg Gade. Immerhin ist die Dauer der Oper mit 4 Stunden 45 Minuten angegeben. Die Sitzprobe fiel positiv aus. Ein anderes Ziel der Renovierung war nach Gades Angaben auch die Verbesserung der Akustik. Davon profitierte an diesem Abend vor allem das Orchester. Abgesehen von modischen Ergänzung bleibt Heyders Interpretation massenkompatibel. Der  Regisseur aus Hamburg scheut das Risiko und liefert eine Aufführung ab, die bestimmt keinen Skandal erregt, weil das Skandal-Potential nur ...

Der Verlust der Menschlichkeit

Bild
Warten auf Godot am Deutschen Theater in Göttingen Wie nähert man sich einen Stück, dass seit mehr als 60 Jahren zu den Allgemeinplätzen des Theaters gehört. Zu dem alles gesagt und alles interpretiert scheint? Man nähert sich so wie Erich Sidler mit seiner Inszenierung von "Warten auf Godot" am Deutschen Theater in Göttingen. Weil es zudem noch starke Schauspieler gab, fiel der Applaus bei der Premiere am Samstag sehr stark aus. Zwei Landstreicher treffen sich in einer Ödnis. Die Nacht zuvor haben beide im Straßengraben verbracht. Gemeinsam warten sie auf Godot, den sich nicht kennen und von dem sie nicht wissen, was sie von ihm wollen. Während Estragon immer wieder zum Aufbruch in das Nirgendwo auffordert, erinnert Wladimir daran, dass man eben mit jenem Godot verabredet sei und dass dieser zu unbestimmter Zeit kommen werde. Die Wartezeit verbringen die beiden Landstreicher mit Betrachtungen über das Leben im Allgemeinen und ihres im Besonderen. Es wird klar, dass sie...

Am Ende kehrt das Glück zurück

Bild
Cinderella als Ballett im Theater Nordhausen Manchmal komisch und schrill und doch zugleich zärtlich und poetisch. In seiner neuen Produktion vereint Nordhausens Ballettchef Ivan Alboresi schwer Vereinbares. Am Ende von "Cinderella" bleibt dann doch ein Zauber, der noch lange anhält. Am Ende der Vorstellung setzt ein Glücksgefühl ein, dass erest langsam verklingt Eigentlich mag er ja kein Erzählballett, hatte Alboresi in seiner ersten Spielzeit in Nordhausen betont. Es käme darauf an, Emotionen wirken zu lassen. Doch mit seiner neuen Choreographie „Cinderella“ hat er nun das dritte Erzählballett inszeniert und nach „Romeo und Julia“ zum zweiten Mal zu Musik von Sergei Prokofjew. Dabei schließt er eine Lücke. Alboresi erzählt die Geschichte vor der Geschichte. Er berichtet vom ersten Aufeinandertreffen von Cinderellas Eltern, vom Werden und Vergehen der Familie und ihres Glücks. Warum ist überhaupt erst jetzt jemand auf die Idee gekommen? Das Werk ist erst jetzt vollstä...

Komische Grenzwanderung

Bild
Shakespeares "Was ihr wollt" am DT Göttingen Poesie und Proll,zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Inszenierung von Moritz Beichl. Schräg, schrill und auch derb. Wer Gefallen am „Dinner for one“ findet, dem dürfte „Was ihr wollt“ im Deutschen Theater durchaus gefallen. Für alle anderen hat die Aufführung auch noch ein ganze Reihe von zärtlichen und lyrischen Momenten. Es ist letzte Komödie von William Shakespeare. Der aufkeimende Puritanismus nahm den Briten nach 1600 jeden Spaß am öffentlichen Lachen und verbannte Frauen von den Bühnen. Ob Shakespeare mit dem Verwirrspiel um Liebe und Triebe und Identitäten ein Zeichen setzen wollte gegen diese Entwicklung, das liegt schon nahe. Entsprechend der puritanischen Vorgaben musste seinerzeit ein junger Mann eine Frau spielen, die sich als junger Mann ausgibt. Das Trio infernale: Toby, Mary und Andy. Alle Fotos: Thomas Müller Unabhängig von diese sittlichen Überlegungen funktioniert das Werk auch und gerade...

Mut nur zur Hälfte belohnt

Bild
Großartiges Konzert zum Abschluss Musik großartig, Zuspruch eher mau. Der Mut von Intendant Anselm Cybinski wurde nur zum Teil belohnt. Das dreiteilige Konzert "Die Dunklen hört man doch"war ein großartiger Abschluss der Niedersächsischen Musiktage 2019. Doch im Opernhaus Hannover blieben sehr viele Stühle frei. Das ändert aber nichts an der Leistung der Künstler und an Begeisterung der Anwesenden. Für diese war es ein Ereignis, dass die Grenzen des Konventionellen überschritten hat. Michael Nyman ist ein Altmeister der Grenzüberschreitung. Der Brite mischt seit Jahrzehnten Elemente aus sogenannter E- und U-Musik. Dabei stellt er sich auch mal gegen den verkopften Mainstream. Bekannt wurde Nyman vor allem durch seine Kompositionen für die die Filme von Peter Greenaway. Teil eins Unter dem Titel "Noises, Sound  & Sweet Airs" stehen Ausschnitte aus dem Soundtrack zu "Prospero's Book" auf dem Programm. Es ist gewissermaßen eine szenische Singu...

Spaß zwischen Vergangenheit und Zukunft

Bild
Die Couchies lassen die Scheune beben Die Gewissheit, dass Jazz auch ohne Oberstudienrat-Appeal geht und dass ein Teil der Zukunft in der Vergangenheit liegt, waren die verkopften Erkenntnisse. Ansonsten hat das Konzert der Couchies einfach nur Spaß gemacht. Im Landgasthof Sindram gab es mitreißende Musik und hintersinnige Moderation. Das Trio aus Berlin war im Rahmen der Niedersächsischen Musiktage Gast der Sparkasse Osterode. die hat mit der mutigen Auswahl einen echten Treffer gelandet. Der Clash of Cultures zwischen den Hauptstädtern und den Landbewohner bleibt aus. Musik verbindet eben. Gemeinsam feiert man die Freude am Leben. Dazu trägt auch die ungewöhnliche Raumkonstellation zu. Wie der Name andeutet, bestreiten Couchie Couch, Hank Willis und Colt Knarre ihre Konzert von einem Sitzmöbel aus. Das sorgt in der Sindram Scheune für ein Plus an Heimlichkeit. Es gibt keine Barriere zwischen Musiker und Publikum und das trägt zur Entspannung und Verbrüderung bei. Di...