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Aus der Carmen den Don José gemacht

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Ballettpremiere am Theater Nordhausen Endlich wieder Ballett. Das war am Freitagabend die Devise im Theater Nordhausen. Dort stand die Premiere von „Carmen“ auf dem Programm. Nach langer Pause zeigte sich die Choreographie von Ivan Alboresi vor allem als routinierte Inszenierung mit einigen Höhepunkten. Das Publikum bedankte sich am Ende euphorisch für das Ende der Durststrecke. Mit „Carmen“ ist es ähnlich wie mit „Titanic“. Warum soll man sich das anschauen? Das Ende ist doch bestens bekannt. Weil es auf die Erzählweise ankommt und die ist bei Alboresi vor allem ruppig mit Akzentverschiebung, weg von der Titelfigur hin zu Don José, dem Killer von der traurigen Gestalt. Er wolle kein Erzählballett machen, hatte Ivan Alboresi einst im Interview gesagt. Nun hat er es doch getan. Seine „Carmen“ ist es Erzählballett par excellence. Klar arbeitet er sich am Erzählfaden entlang, den Prosper Mérimée einst mit seiner Novelle gelegt hat und die von Georges Bizet zur Oper ausgebaut wurd...

Zwischen Schmunzeln und Gruseln

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 Literaturfest Niedersachsen zu Gast im Schloss Herzberg Von der Mikrobeben zur Makroeben und wieder zurück, Von der Familie zum Diktator und zurück ins Zwischenmenschliche. Mit der Lesung "Herrschaftszeiten!" war das Literaturfest Niedersachsen zu Gast im Schloss Herzberg. Die Veranstaltung mit den Schauspielern Franziska Mencz, Ulrich Noethen und dem Trompeter Markus Schwind zeigte alle Facetten zwischen Humor und Grusel. Das war ein Verdienst der erstklassigen Künstler, aber auch der Dramaturgin Christiane Freudenstein. Ihre Zusammenstellung der Texte zeigte die vielen Aspekte von Herrschaft und ihrer Ausübung und die auf eine Art und Weise, die alles andere war als akademisch. Um die Symbole der Macht sollte es gehen. Dafür gibt es wohl keinen passenderen Ort als den rittersaal im Schloss Herzberg. Schließlich hängen hier die Welfen, die das Haus Hannover zur Königswürde gebracht haben. Zwischen dieser absolutistischen Herrlichkeit wirkt Franziska Mencz ein wenig verl...

Wettrinken der Platzhirsche

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 An der Grenze zur Klaustrophobie:; stille hunde lesen Glauser Ganz anders und ungewohnt fokussiert. Die Lesung von Glausers "Der alte Zauberer" offenbart die ruhige Seite  der stillen hunde. Mit diesem Wettrinken der Platzhirsche kommt das Duo Huber/Dehler aber eben näher an Glauser heran als eine andere Form wohl gebracht hätte.  Angekündigt hatten die Veranstalter des Mordsharz für die Lesung im Nordhäuser Tabakspeicher einen Tornado, Es war dann eher ein Sturm im Schnapsglas. Dennoch waren alle zufrieden, wohl auch das Publikum, dass sich auf den gewohnten Mix aus Literatur, Improvisation und Klamauk eingestellt hatte. Schließlich war das Duo aus Göttingen nun schon zum dritten Mal im Tabakspeicher und kann auch hier auf eine Fangemeinde bauen. Doch mit den großen Gesten, mit Pömpeln und anderen skurrilen Utensilien wurde es dieses Mal nichts. Der Text, der verbale Kampf zweier Männer und ihre Psychogramme stehen im Mittelpunkt, nebst jeder Menge Schnaps. Der sorgt fü...

Zündet nicht so richtig

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 Giulio Cesare als Impro-Theater Ein Regisseur am Rande des Nervenzusammenbruchs, überraschende Gesangspartien und Gags, die nicht richtig zünden. Der Versuch, Händels "Julius Cäsar in Ägypten" in die Gefilde des Improvisationstheaters zu entführen, wirkte doch recht verkrampft. Nicht jeder Gag zündete und einiges war, Impro hin oder her, dann doch vorhersehbar. Die Idee, eine Oper mal im Comedy-Modus zu präsentieren, hat sicherlich ihren Reiz, aber der wirkt schon gar nicht über 90 Minuten. Weniger wäre mehr gewesen oder in diesem Falle wäre zügiger mehr gewesen. Denn die Wirksamkeit von Impro-Theater ist nur begrenzt und da wäre eine intensive dramaturgische Arbeit hilfreich gewesen. So wird der Inhalt der Oper komplett im Highspeed-Modus abgespult. Vielfach war die Hochachtung vor dem Werk dann doch zu groß, um eien radikalen Bruch zu wagen. Die Ausgangslage ist ungewöhnlich. Regisseur Stefan Graen will "Julius Cäsar" als Bürgeroper in und für ganz Götting...

Delikatessen am Sonntagmorgen

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Die Geburt eines Stars? Felicitas Wrede im Stiftungskonzert Es gibt Konzert, die bringen einen selbst am Sonntagmorgen in Einklang mit sich selbst und der ganzen Welt. Das Stiftungskonzert derb diesjährigen Händel-Festspiele gehört genau in diese Kategorie. Die Sopranistin Felicitas Wrede und das Abchordis Ensemble servierten in der Aula der Universität Leckerbissen aus Händels Frühwerken. Darunter fand sich auch eine Welturaufführung. Zwischen den einzelnen Gängen spendierte das Publikum so viel Beifall, wie an einem Sonntagvormittag möglich ist. Betitelt war die Matinee mi “Händel, Almira und die Hamburger Gänseoper”. Schließlich war dies damals die erste Adresse, wenn es um Oper in Deutschland und deutschsprachige Oper ging. Im Sommer 1703 war der 18-jährige Händel in die Hansestadt gezogen, um sich dort musikalisch weiterzuentwickeln. In diesem Mikrokosmos traf er auf Reinhard Keiser und Johann Matheson. Daraus ergab sich eine nicht konfliktfreie Arbeitsgemeinschaft, die aber ...

Der Spagat ist zu breit

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Rodelinda bei den Händel-Festspielen versucht 3 Jahrhundert zu vereinen Göttingen . Endlich wieder Oper. Mit einem Jahr Verspätung startete am Donnerstag die Geburtstagsfeier zu einhundert Jahre Internationale Händel-Festspiele. Aus historischen Gründen hieß die Festspieloper in diesem Jahr „Rodelinda“. Schließlich begann mit der Dame 1920 in Göttingen die Renaissance der Barockmusik. Doch die Inszenierung von Dorian Dreher weiß nur bedingt zu begeistern. Trotz exquisiter Zutaten wird kein überragendes Gesamtwerk daraus. Es fehlt in weiten Teilen einfach das Tempo. Die Sängerinnen und Sänger brillieren an diesem Abend. In diesem Kammerspiel für sechs Stimmen gibt es keine, die abfällt. Ganz im Gegenteil, das Ensemble ist passgenau zusammengestellt und abgestimmt. Diesen Beweis treten Franziska Gottwald als Eduige und Julien Van Mellaerts in der vierten Szene des ersten Akts an. Mit einem leichten Vibrato ergeben Mezzosopran und Bariton eine Kombination, die Lust auf mehr macht. S...

Auseinander und wieder zusammensetzen

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Viktoria Krason zeigt Günter Grass als bildender Künstler  Dass der Nobelpreisträger bildender Künstler war bevor er mit dem Schreiben begann, ist hinreichend bekannt. Aber warum hat Günter Grass den Pinsel und die Nadel beiseite gelegt und hat zur Feder gegriffen. Das erklärt Viktoria Krason in ihren Buch “Von Auseinandernehmen und Zusammensetzen”. Darüber hinaus zeichnet sie noch ein Bild über die Auseinandersetzungen in der Kunst der jungen Bundesrepublik. Erschienen ist das Buch nun im Steidl-Verlag. Das Cover ziert ein Foto aus der Zwischenzeit. Es zeigt Günter Grass mit einer Graphik zu seinem Gedichtband “Die Vorteile der Windhühner”. Es ist vorläufig das letzte Werk als bildender Künstler, aber sein erster kommerzieller Erfolg als Schriftsteller . Erst in den 70-er Jahren wird sich der Literat wieder dem Zeichnen zuwenden. Das ist Grass persönliche Form von Auseinander und wieder Zusammen, von Dingen die zusammengehören und wieder miteinander verschmelzen. Dabei war es...

Berg hoch, Berg runter, Kurve links, Kurve rechts

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Alle gute Dinge sind drei: Mal wieder bei der PS.Speicher Rallye Es ist eine absurde Situation: Hunderte Kameras stehen am Straßenrand und die Autofahrer freuen sich, wenn es blitzt. Die Leute tragen Sachen wie aus dem Second-Hand-Laden und fahren sündhaft teure Wagen. Wildfremde Menschen winken einander zu und rufen Halbsätze mit wenig Sinngehalt über die Straße. Das kann nur eins heißen: Es sind Einbecker Oldtimer Tage. Ich bin wieder mit dabei und zwar zum dritte Mal. Ich weiß also, was mich erwartet und deswegen ist die Vorfreude groß. Oldtimer fahren ist eine Droge. Es ist eine Reise in eine Zeit, als die Welt beherrschbar schien und die Autos mit einem gezielten Hammerschlag wieder mobil gemacht werden konnten. Das kann süchtig machen. Diese Leidenschaft sorgt für Verbundenheit. Oldtimerfahrer und -fahrerinnen verstehen sich als Familie. Man kennt sich und ist gleich beim „Du“. Bei der Anfahrt tauchen zwei große bunte Strohhüte in einem Cabrio vor mir auf. Das sind Ines und...

Macht schlägt Kunst

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“Tosca” verschenkt Potenzial in Sondershausen Mit der Inszenierung von Puccinis “Tosca” verabschiedet sich Regisseurin Annette Leistenschneider aus Nordthüringen und dem Südharz. Entsprechend hoch war die Messlatte bei der Premiere zu den Schlossfestspielen Sondershausen am Donnerstag. Doch die Erwartungen wurden nicht alle erfüllt. Die Aufführung zeigt stellenweise Defizite. Der Einstieg macht neugierig. Hyun Min Kim huscht als entflohener Häftling über die Bühne. Gekleidet ist der ehemalige Konsul Angelotti wie die Gefangenen in Guantanamo. Dazu hat ihn die Maske in einen Thüringer Wei Wei verwandelt. Das ist eine starke Aussage, in Zeiten in denen die Freiheit der Kunst von vielen Seiten unter Druck geraten ist. Religion ist ein Erfüllungsgehilfe der Macht.  Alle Fotos: Ronny Ristock Dieses Motiv taucht immer wieder auf, bis es Hye Won Nam in der Rolle der Floria Tosca im zweiten Akt deutlich ausspricht. Der Maler Mario Cavaradossi ist ein anerkanntes Mitglied der römisch...

Frieden mit Gott und der Welt machen

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Premiere im DT Göttingen:  Ein Hiob, der zutiefst berührt Was uns in den Zeiten des Streaming fehlte, sind die tiefen Emotionen und die Empathie, das macht “Hiob” in der Inszenierung von Matthias Reichwald deutlich. Am Samstag war Premiere im Deutschen Theater Göttingen. Das Publikum war zurecht begeistert.  Am Ende macht der Protagonist Mendel Singer Frieden mit sich selbst, seinem Gott und der Welt. Doch bis es so weit ist, präsentieren Reichwald und das Ensemble eine weite Reise durch die verschiedenen Spielarten des Unglücks. Es ist ein Stück für Erwachsene. Die Inszenierung stellt Fragen, ermöglicht dem Publikum viele Analogien und bereitet den Boden für eigene Antworten. Der Wandel, den die Protagonisten im Laufe der Aufführung durchmachen, ist konsequent und verständlich. Ob das Happy End im xs-Format nun ein Wunder, die Folge moderner Medizin, auf Zufall basiert oder aus einer Kombination besteht, diese Frage darf jeder Zuschauer sich selbst beantworten. Klar ist nur, ...

Stotterstart bei den Schlossfestspielen

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Addams Family in Sondershausen ist vor allem routiniert Acht Monate war der Spielbetrieb des Theater Nordhausen und des Loh-Orchesters lahmgelegt. Bei den Schlossfestspielen in Sondershausen erfolgt mit der Premiere der “Addams Family” am Donnerstag der Neustart. Doch das Musical war ein Stotterstart. Die letzten beiden Spielzeiten fanden im Park vor dem klassizistischen Flügel statt. Nun sind die Festspiele in den Innenhof zurückgekehrt. In seiner Begrüßungsrede freute sich Intendant Daniel Klajner, wieder im Wohnzimmer spielen zu dürfen. Doch mit der Rückkehr in den Schlosshofes ist viel an sommerlicher Atmosphäre verloren gegangen. Konnten die Festspiele 2019 und 2018 mit Weite, Licht und Luftigkeit verzaubern, herrscht nun wieder mittelalterliche Enge. Darunter leidet auch das Bühnenbild von Wolfgang Rauschning. Es wirkt gedrängt und eingequetscht. Vor allem leidet es unter dem Manko, dass der Sitzplatz über den Genuss entscheidet. Wer rechts auf der Tribüne sitzt, dem ist s...

In 80 Bildern um die Welt

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Reisebilder Sehnsuchtsorte im Kunsthaus Meyenburg Die Durststrecke hat 16 Monate gedauert, nun ist sie beendet. Am Sonnabend eröffnete im Kunsthaus Meyenburg die neue Sonderausstellung. Unter dem Titel “Reisebilder Sehnsuchtsorte” sind 80 Werke zu sehen, die sich in unterschiedlicher Form mit dem Fernweh beschäftigen.  In ihrer Begrüßung erinnerte Bürgermeisterin Jutta Krauth an Einschränkungen des letzten Jahres. So musste sie die letzte Vernissage im März 2020 noch persönlich absagen und die Gäste nach Hause schicken. Deswegen sei es umso schöner, dass man zwar in begrenzter Zahl aber doch gemeinsam eine Ausstellung eröffnen könne. Wenn man im letzten Jahr etwas gelernt habe, dann wie wichtig es ist, aufeinander Acht zu geben. In diesem Sinne wünschte sie den Zuhörerinnen und Zuhörern einen unbeschwerten Kunstgenuss.  In seiner Einführung erinnerte Dr. Michael Grisko von der Sparkassen-Kulturstiftung daran, wie sehr sich das Reisen in den letzten Jahrzehnten verändert hat. D...