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Es werden Posts vom Oktober, 2017 angezeigt.

Von Menschenfeinden und Hundehassern

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"Die Hundegrenze" ist eine Dokumentation mit Theatermitteln Eine Menschenleben zählte an der innerdeutschen Grenze nicht viel und ein Hundeleben schon gar nicht. Dies zu zeigen, das gelingt Christian Georg Fuchs in seiner Inszenierung von "Die Hundegrenze" auf beklemmende Weise. Am Sonntag war Premiere im Theater unterm Dach Ausgangspunkt der Aufführung ist die gleichnamige Reportage von Marie-Luise Scherer. 1994 widmete sie sich im Spiegel auf beeindruckende Weise einem Kapitel der deutschen Trennung, das bis dahin weitestgehend vergessen war. Es ging um die sogenannten Trassenhunde, um jene Vierbeiner, die einst die Grenze bewachten. Angekettet und isoliert waren sie dem Wetter ausgeliefert. In einem unmenschlichen System standen die Tiere auf der untersten Stufe. Die emotionslose und klare Sprache, die die Reportage prägt, verdeutlicht die Unmenschlichkeit, das Fehlen jeglicher Empathie. Fuchs orientiert sich an eben diesem Stil. Er über nimmt ganze Passag...

Ballett mit viel Musical-Appeal

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Premiere von Romeo und Julia am Theater Nordhausen Was Tanztheater anbelangt, da ist Nordhausen derzeit der Hotspot in Thüringen und Mitteldeutschland. Das hat die Premiere von "Romeo und Julia" am Freitagabend mal wieder bewiesen. Ivan Alboresi legt eine Choreographie vor, die durch Vielfalt und Tiefe überzeugt. Das überraschend junge Publikum war begeistert, zu Recht. Die Werk des Neo-Romantiker Prokofjew zwichnet sich durch eine umfangreiche Klangsprache und chromatische Wendungen aus. Ähnlich umfangreich ist die Formsprache und Ausdruckstiefe einer Alboresischen Choreographie. Damit passen die Musik des Russen und Nordhausens Ballettchef so gut zueinander. Doch der Auftakt verläuft ohne Musik und ist deswegen so eindrucksvoll. Als Chor steht die  Tanzkompagnie auf der blanken Bühnen. Aus dem Off tönen Shakespeares Zeilen von überlassen. Ganz ohne Musik und zu dem Zeilen Shakespeares von den zwei Häusern, die einander im Hass zugewandt sind. Die Choreographie beginn...

Nur bedingt tauglich

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Das DT belebt Brechts Puntila und dessen Knecht Matti In einer Friede-Freude-Eierkuchen-Ära unbequeme Fragen zu stellen, die Wohlfühl-Politik mit dem Thema Macht und Herrschaft zu kontern, ist grundsätzlich löblich. Das war der Ansatz von Christoph Mehler. Doch seine Inszenierung von "Herr Puntila und sein Knecht Matti" am Deutschen Theater in Göttingen erfüllt die selbst gesteckten Ziele nur zum Teil. Was ein Kommentar zur Zeit sein könnte, gerät über weite Strecken zur historisierenden Schaustellung. Als das Licht angeht, geht der Blick ins Leere. Die Bühne ist komplett abgeräumt und es das Bühnenhaus ist nackt. In der Ferne baut sich der Chor auf und eine Stimme schüttelreimt den Anfang. Hier ist die Aufführung Brechtischer als Original. Die zahlreichen Nebenrollen hat Christoph Mehler in einem Chor zusammengefasst, der in vielen Stücken Brechts eine große, kommentierende und reflektierende Rolle spielt. Noch ist der Herr bei Sinnen und bestimmt nicht nüchtern.  F...

Eine Reise zurück in die Gegenwart

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Philippe Djian liest beim Göttinger Literaturherbst Einen Roman mit einer Vergewaltigung zu beginnen, so etwas traut sich nur Philippe Djian. Am Sonntag stellte er bei Göttinger Literaturherbst seinen Roman "Oh ..". Mit seiner Reise zurück in die Gegenwart beweist er, dass er immer noch zu den Autoren gehört, die wirklich etwas zu sagen haben. Die zentrale Figur in einem vertüddelten Geflecht ist Michèle, eine Frau Mitte 50. Die Mitinhaberin einer Filmproduktionsfirma ist geschieden, Mutter eines Sohnes auf der Suche nach sich, hat ein Verhältnis mit Robert, dem Mann ihrer Geschäftspartnerin. Seit Jahrzehnten weigert sie sich, ihren Vater im Gefängnis zu besuchen, der einst ein solch ungeheuerliches Verbrechen begangen hat, dass Michèle und ihre Mutter lange Jahre nicht nur der sozialen Ächtung ausgeliefert waren, sondern auch im sozialen Koma lagen. In der Vorweihnachtszeit wird sie von ihrem Nachbarn vergewaltigt. Erst allmählich begreift sie, was passiert ist, und Schi...

Ein leichtes Spiel für Jago

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"Otello" am Theater Nordhausen zeigt Studie eines rasanten Verfalls Zum 100. Geburtstag hat sich das Theater mit Verdis "Otello" mit einer Ausstattungsoper erster Güte selbst beschert. Die Inszenierung von Anette Leistenschneider pflegt die traditionelle Aufführungspraxis und erfreut die Freunde werkimmanenter Interpretationen. Unter der Leitung von Michael Helmrath zeigt das Loh-Orchester eine begeisternde Leistung, die alle Anforderungen übererfüllt. Musikalisch packt Verdi in diesem Spätwerk alles aus. Die Arbeit an seine Wunschprojekt beginnt er 13 Jahre  nach der Uraufführung der Aida. Das liegt auch daran, dass Arrigo Boito ein Liebretto vorlegt, dass Shakespeares Werk noch einmal straffte. Konzeptionell bedeutet diese Oper für Verdi einen weiteren Schritt nach vorn. Mit Otello wendet sich der Komponist endgültig von der Nummernoper ab und legt ein Stück aus einem Guss vor, durchkomponiert von der ersten Note bis zum traurigen Ende Die Ouvertüre ist klan...