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Es werden Posts vom 2018 angezeigt.

Die Wahrheit ist ein zweischneidiges Schwert

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Der Volksfeind als ein feines Psychogramm am Göttinger DT Es scheint aktueller denn je. Ein Arzt deckt einen Umweltskandal auf und die Mächtigen wollen ihn vertuschen. Das ist der Kern von Ibsens Volksfeind. Doch die Inszenierung von Gerhard Willert am Deutschen Theater in Göttingen konzentriert sich auf die Handelnden und nicht auf den Skandal. Darin liegt die Stärke und deswegen ist dieser Volksfeind auch nach 135 Jahren mehr als aktuell und weist über die Gegenwart hinaus. Tomas Stockmann hat in seiner Heimatstadt eine Heilquelle entdeckt. Das Nest wird zum Kurbad  und erlebt dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Stockmann selbst erhält die Stelle des Kuraztes, nachdem er und seine Familie lange Jahre in der Provinz darben mussten. Doch als die Investitionen in die neuen Kuranlagen sich langsam auszahlen, macht Stockmann die nächste Entdeckung. Doch mangelhafte Bauarbeit ist das Wasser verschmutzt und vergiftet die Kurgäste. Stockmann will seine Ergebnisse veröff...

Aus der Dampflok einen ICE gemacht

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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer im Deutschen Theater Göttingen Es ist durchaus ein Wagnis, dieses Werk auf die Bühne zu bringen. Schließlich hat jeder die Bilder der Augsburger Puppenkisten vor dem Erwartungshorizont. Das Deutsche Theater Göttingen hat das Wagnis aber auf sich genommen. Sein Familienstück funktioniert, weil es sich von der televisionären Vorlage abgrenzt. Es ist ein Wagnis im doppelten Sinn. Auch der härteste aller Kritiker will mal den Jim und den Lukas live sehen. Trotz seines hohen Alters von fast 13 Jahren und der einstudierten Coolness eines Pubertiers will er einen Blick auf eines der schönsten Werke deutscher Jugendliteratur wagen. Als der Vorhang sich hebt, verzaubert bereits der erste Anblick und die Musik von Michael Frei hat das Publikum schon vorbereitet. Es gibt Pop statt Volksmusik. Niemand singt das Lied von der Insel mit zwei Bergen und das ist auch ganz gut so. Die Inszenierung von Katharina Ramser macht sich so weit es geht frei von ...

Wenn Näseln und Brummen gewollt sind

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Das Modern Cello-Piano-Duo in Osterode Wer hätte gedacht,dass bei einer Veranstaltung der Musikgemeinde jemals ein Song von Nirvana erklingt? Dazu bedurfte es erst des Besuchs von Daniel Sorour und Clemens Kröger. Als Modern Cello-Piano Duo gastierten sie in der VHS Osterode und hatten noch einige andere Überraschungen im Gepäck. Von kammermusikalischer Besinnlichkeit war das Konzert im VHS-Forum weit entfernt. Spanische Tänze und bombastischer Rock im Gewand klassischer Instrumentierung bestimmten das Programm. Expressive Spielweise dominierten den Vortrag. Dabei schaffen es Sorour und Kröger, eine klare Linie zu halten und Kontinuitäten über die unterschiedlichen Stile zu verdeutlichen. Oben näselt es, unten brummt es, so lautete Dvorák Urteil über das Cello. Doch die Zeiten ändern sich und auch die Hörgewohnheiten. Was einst als Abwertung gedacht war, wird hier zum Gewinn. In beeindruckender Weise weiß Daniel Sorour die Klangmöglichkeiten seines Instruments zu nutzen und z...

Zaubertanz

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Sommernachtstraum als Ballett zwischen Komödie und Kunst Das ist Tanztheater in der fünften Dimension. Mit seiner Choreographie zu Shakespeares "Sommermnachtstraum"  am Theater Nordhausen verzaubert Ivan Alboresi nicht nur. Er setzt neue Wegmarken in Sachen zeitgemäßes Ballett. Die Premiere hinterließ ein begeistertes Publikum. Eigentlich wollte er ja nie Erzählballett machen. Stimmungen zu generieren und zu transportieren, dass sei sein Anliegen, hat Nordhausens Ballettchef Ivan Alboresi immer wieder betont. Nun ist er sich selbst untreu geworden und hat wohl deswegen hat seine Ballettcompagnie TNLos eine großartige Leistung vorgelegt. Die drei Bilder "Tag", "Nacht" und "Morgen" glänzen durch eine eigenständige Formsprache. Tanz, Musik, Kostüme, Bühnenbild und Licht. Hier stimmt alles und alles fügt sich in ein verzauberndes Ganzes. vor allem Wolfgang Kurima Rauschning ist mit dem Bühnenbild ein großer Wurf gelungen. Es ist keine Dekora...

Zwischen Florett und Keule

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Lesung mit Waschanlagen, Welpenkäufer und Katzenfutter-Sommeliers Dietmar Wischmeyer schont niemanden. Weder sich und schon gar nicht sein Publikum. Das weiß das aber und kommt trotzdem und gerade deswegen. Also war das Deutsche Theater voll, als er beim Literaturherbst Göttingen las und zwar vor und zurück. 1996 hieß der Bundeskanzler Helmut Kohl und Muhammad Ali eröffnete die Olympischen Spiele in Atlanta. Damals war Wischmeyer das letzte Mal zu Gast beim Literaturherbst. Er und das Frühstyxradio definierten damals, was Humor in Deutschland darf. Seitdem fielen das Privatfernsehen und die Political Correctness über das Land her. Beide verschoben die Grenzen in unterschiedliche Richtungen. Wischmeyer ist das egal. Damit ist eine Lesung mit dem Vater des Frühstyxradios auch eine Reise in die Zeit, als PC noch für Personal Computer stand. Wie das so eben ist, wenn man sich lange Zeit nicht gesehen hat. Die Erwartungen sind besonders hoch. Doch Wischmeyer liefert. Draußen herrsc...

Die Erwartungen im vollen Umfang erfüllt

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Durchweg auf hohem Niveau: Ludwig Güttler und seine Ensemble im Kreuzgang Auf diese Elf kann man bauen. Diese Männer verwandeln die Vorlagen treffsicher. Am Mittwoch spielten Ludwig Güttler und sein Ensemble im Kloster Walkenried. Am Ende erfüllten sie alle Erwartungen. Das Konzert war Jubiläum und Premiere zugleich. Seit ziemlich genau 30 Jahren ist Güttler immer wieder zu Gast bei den Kreuzgangkonzerten. In den letzten Jahren macht er das durchweg mit dem Blechbläser Ensemble und das hat in diesem Jahr 40. Geburtstag gefeiert. Der Trompeter aus Dresden ist mittlerweile zu einer Marke geworden und der Titel "Ein Abend mit Güttler" reicht als Programm. Egal was gespielt wird, es wird gut, denn es steht ja Güttler drauf. Ungewohnt: Die Tuba spielt mal die erste Geige.     Alle Fotos: Kügler Das Programm reicht laut Papier von der Renaissance bis in die Moderne. Den Auftakt machen fünf Tänze von Tylman Susato. Der Rheinländer aus dem 16. Jahrhundert gehört zum f...

Windsors Weiber sind vor allem schrill

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Theater Nordhausen: Nicolais Oper hart an der Grenze inszeniert Irgendwo zwischen Rocky Horror Picture Show, Al Bundy und den Leningrad Cowboys. Anette Leistenschneider inszeniert "Die lustigen Weiber von Windsor" als eine Oper im Grenzbereich. Damit dürfte sie ganz im Sinne des Komponisten gehandelt haben. Bestimmt wird die Aufführung am Theater Nordhausen von zwei starken Polen: Zinzi Frohwein in der Rollle der Felicity Fluth und Michael Tews als Sir John Falstaff. Der letzte Pulverdampf der misslungenen 48er Revolution hatte sich verzogen, als Otto Nicolai die Arbeiten an seiner komischen Oper zum Abschluss bringt. Aber der Kampf geht in den Kulturpalästen weiter. Die Aufgabe der Kunst ist es, das Reine und Wahre zu zeigen, auch wenn man es nicht verstehen. So das Dogma des alles dominierenden deutschen Idealismus. Nein, sagten Otto Nicolai und Weggefährten. Aufgabe der Kunst ist es, zu unterhalten. Deswegen nimmt seine Oper einiges vorweg, was erst 50 Jahre später a...

Musikalischer Brückenschlag gelungen

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Knabenchor Hannover und la festa musicale im Hildesheimer Dom Es gibt Konzerte, von denen man wünscht, sie gingen nie zu Ende. Tritt das aber nicht ein, dann hat  man aber trotzdem seinen Frieden mit der Welt geschlossen. Der Auftritt des Barockorchesters "la festa musicale" und in des Knabenchor Hannover im Hildeheimer Dom war solch ein Abend. Am Schluss lässt sich das Konzert mit einem Begriff zusammenfassen: Rundum gelungen. Die seit langem angespannten Beziehungen zwischen der Landeshauptstadt und Hildesheim zu verbessern, das muss der Sparkassenstiftung wohl eine Herzensangelegenheit sein. Was sollte sonst der Beweggrund gewesen sein, gleich zwei Hannöversche Ensembles ins Allerheiligste einzuladen? Genauso gewagt war das Programm. Vor allem italienische Barocker der eher unbekannten Art standen auf dem Zettel. Mit der Musik von Agostino Steffani, Diogenio Bigaglia und Antonio Lotti sollte noch einmal verdeutlicht werden, dass es einst einen regen Austausch zwische...

Unterwegs mit der ältesten Boy Group

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Von der Renaissance bis in den Pop:  King's Singers setzen die Standards Für einen Abend stand Northeim ganz oben auf der Landkarte des gepflegten Chorgesangs. Auf ihrer Jubiläumstour machten die Kings Singers Station in der Sankt Sixti-Kirche. Das Sextett machte deutlich, wie hoch die Latte in Sachen a cappella nun mal liegt. Vor 50 Jahren betraten die Sänger aus dem King's College zum ersten Mal die Bühne. Damit sind sie wohl die älteste Boy Group des Planeten.  Mit einer Welttournee feiern dies Ereignis und dabei entfielen vieer Konzert auf Deutschland. Dementsprechend hoch war die Nachfrage und die St. Sixti-Kirch schlicht und einfach bis auf den letzten Platz ausverkauft. In den Swingin' Sixties war die Hinwendung zu klassischer Musik eine deutliche Aussage gegen den Mainstream. Bei allen Neuerungen im zweiten Set, muss man feststellen, dass sich das Ensemble im Großen und Ganzen treu geblieben ist. Auch die Besetzung mit zwei Countertenören, einem Tenor, zwe...

Eine gemeinsame Reise in die Phantasie

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Lesung mit Musik: Hansen und Deutschmann brillieren in der Eulenburg Das Literaturfest Niedersachsen war zu Gast in Osterode und  alles passte zusammen: Location, Texte und Musik. Mit der Lesung "Von Menschen und Maschinen" in der ehemaligen Wollwarenfabrik Greve & Uhl konnten Julia Hansen, Heikko Deutschmann und Stephan Meier mehr als überzeugen. Nach dem schwierigen Start angesichts der außergewöhnlichen Musik war das Publikum am Ende regelrecht begeistert. Der Erfolg liegt in der Auswahl. Christiane Freudenstein hat die Texte in eine Reihenfolge gebracht, die eine durchdachte Dramaturgie deutlich erkennen lassen. Das Verhältnis Mensch und Maschine wird im Laufe des Abends immer inniger, bis die Grenzen verschwinden. Damit stand am Ende der gemeinsamen Reise eine erschreckende Phantasie. Das "Poéme symphonique" von György Ligeti ist ein Einstieg, der für manchen zu spröde ist. In der sogenannten Symphonie für 100 Metronome ticken die Mechaniken in unters...

Bigband dekonstruiert sich zu Tode

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Der Brückenschlag zwischen Barock und Jazz gelingt nur zum Teil Grenzen überschreiten und Gemeinsames aufzeigen, dass war der Anspruch der NDR Bigband bei ihrem Konzert in der PS.Halle in Einbeck. Doch weil das Ausgangsmaterial arg deformiert wurde, waren die Konturen nicht mehr erkennbar. Mit Geir Lysne als neuen Chefdirigent hat beim Ensemble vor zwei Jahren eine Zeitenwende eingesetzt. Nichts ist geblieben von der raffinierten Leichtigkeit und Spielfreude seines Vorgängers Achim Keller. Nun wird Jazz in seiner verkopften Variante geboten. Damit war das Konzert zum Teil eine Reise zurück in die 70-er Jahre. Das Jazz und Barock seelenverwandt ist seit 40 Jahren eine Gewissheit. Beide Genres werden von der gemeinsamen Entwicklung eines oder mehrer Themen durch die Musiker bestimmt. Dann biegt einer ab, improvisiert auf dem Teppich, den das tutti legt und dann trifft man sich zu vereinbarten zeit am vereinbarten Ort. Dann arbeitet man am Thema weiter und variiert fleißig. C...

Keiner hat sich im Kräutergarten verirrt

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Family Clash: Die Gebrüder Gerassimez begeistern in Nörten Von wegen Familienstreit. Am Freitag entführten Alexej, Wassily und Nicolai Gerassimez bei den niedersächsischen Musiktagen ihr Publikum in ihre kunterbunte Welt aus Jazz, Klassik und Tango. Zur Musik auf allerhöchstem Niveau gab es noch eine unterhaltsame Show mit Augenzwinkern. Die drei Brüder sind ganz bestimmt ein Glücksfall für die Musik. In eine Musikerfamilie geboren, lernten sie schon von frühester Kindheit an ihre Instrumente und wurden auch schon früh mit Preisen ausgezeichnet. Die Ankündigung hatte ein mitreißendes, homogenes und nahezu intuitives Zusammenspiel versprochen. Der Auftritt im Atrium des Gräflichen Landsitz Hardenberg übertraf die Erwartungen. Das zarte Klavierspiel von Nicolai Gerassimez leitet das Präludium von Johann Sebastian Bach ein. Behutsam gesellt sich das Vibraphon dazu. Mit dem vorsichtigen Spiel von Wassily Gerassimez am Cello ist die außergewöhnliche Besetzung komplett. Dann tritt das...