Sonntag, 4. November 2018

Wenn Näseln und Brummen gewollt sind

Das Modern Cello-Piano-Duo in Osterode

Wer hätte gedacht,dass bei einer Veranstaltung der Musikgemeinde jemals ein Song von Nirvana erklingt? Dazu bedurfte es erst des Besuchs von Daniel Sorour und Clemens Kröger. Als Modern Cello-Piano Duo gastierten sie in der VHS Osterode und hatten noch einige andere Überraschungen im Gepäck.

Von kammermusikalischer Besinnlichkeit war das Konzert im VHS-Forum weit entfernt. Spanische Tänze und bombastischer Rock im Gewand klassischer Instrumentierung bestimmten das Programm. Expressive Spielweise dominierten den Vortrag. Dabei schaffen es Sorour und Kröger, eine klare Linie zu halten und Kontinuitäten über die unterschiedlichen Stile zu verdeutlichen.

Oben näselt es, unten brummt es, so lautete Dvorák Urteil über das Cello. Doch die Zeiten ändern sich und auch die Hörgewohnheiten. Was einst als Abwertung gedacht war, wird hier zum Gewinn. In beeindruckender Weise weiß Daniel Sorour die Klangmöglichkeiten seines Instruments zu nutzen und zu vermitteln. Doch der Bezug zum vermeintlichen Cello-Spiel von Jimi Hendrix entfällt, der Vergleich gebührt einem anderen.

Aber es geht rasant los. Den Auftakt machen zwei Stücke aus den Danzas Espagnolas von Enrique Granadas. Ein Cello kann also auch Flamengo. Dann kommt das Kontrastprogramm. Nach dem kräftigen Klavierakkorden übernimmt das Cello. Die Euphorie weicht der Melancholie und Sorour legt ein sehr feines Vibrato in sein Spiel.

David Sorour ist zumindest am
Cello besser als Brian May.
Foto: Kügler
Diese feine Technik gepaart mit der Fähigkeit, einen Ton bis in die Unendlichkeit zu ziehen, macht dann die Milonga del Angel zu einem himmlischen Genuss. Sorour trifft den typischen Ton von Piazzolla. Man braucht also kein Bandoneon, um diese Mischung aus Traurigkeit und Hoffnung in Musik umzusetzen und es ist einer dieser seltenen Momente, in der sich ein Konzertsaal aus dem Raum-Zeit-Gefüge löst. Zumindest tritt die nüchterne Atmosphäre des Konzertsaals in den Hintergrund.

Mit der Pampeana geht es wieder in kräftigere Gefilde. Zwei Songs von Freddi Mercury beweisen, dass die Musik von Queen eigentlich Klassik im Rockgewand ist. Wenn Brian May je ein Cello gehabt hätte, dann hätte er es wohl so gespielt wie David Sorour bei Don't stop me now.

Zur Opulenz der Showrocker setzten Kröger und Sorour nach der Pause den Kontrapunkt. Die Fratres von Arvo Pärt übersetzt die Innerlichkeit der Gregorianik in den Minimalismus der 60-er Jahre. Das Modern Cello-Piano Duo ist also mit allen musikalischen Wassern gewaschen. Folgerichtig singt das Cello geradezu im The Girl from Ipanema. Das Forum der VHS swingt und das Publikum summt mit.

Erst nochmal Piazzolla und dann das, worauf viele gewartet haben: Smells like Teen Spirit von Nirvana und dass geht auch richtig ab. Kröger legt mit expressiven Klaierspiel die Basis, auf der Sorour sein Cello im Grunge-Style schreien lässt. Damit ist klar, dass es gar nicht so entscheidend ist, aus welcher Schublade man die Noten holt. Entscheidend ist die Tatsache, dass Musik das Transportmittel für überbordende Emotionen ist, die auch mal die Jahrhunderte überdauern können. Das ist die Erkenntnis dieses Abends.





Material #1: Modern Cello-Piano Duo - Die Website

Material #2: Musikgemeinde Osterode - Die Website





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