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Hier zerbricht mehr als nur ein Krug

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Beichl verschiebt Kleist in die Gegenwart  Der Meister des Klischees und der Plattitüden überrascht positiv. Mit seinem "Zerbrochenen Krug" am Deutschen Theater Göttingen legt Moritz  Beichl legt eine Inszenierung vor, die Themen zu Tage fördert, die ansonsten unter dem Deckel das Schwanks verborgen bleiben. Damit macht er aus dem Klassiker der Aufklärung ein Stück für die Gegenwart. Premiere war am 7. Dezember. Dabei kann er auf starke Besetzungen in den Nebenrollen bauen. In Bastian Dulitsch als Gerichtsschreiber Licht und Leonard Wilhelm als  Bauernsohn Ruprecht Tümpel überzeugen mit starken Darstellungen von Menschen, die sich auf ihre Weise gegen das ancien régime wehren und damit erfolgreich sind. Am Ende steht eine neue Ordnung, die menschengemacht ist. Denn letztendlich siegt die Macht der Liebe über die Selbstherrlichkeit des Dorfrichter Adam. Als Intro wird auf den Gaze-Vorhang ein Video-Clip projiziert, in dem sich Eve und Rupprecht knutschen und kusch...

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

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Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Eine Inszenierung auf Tratsch-Niveau

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 Im DT Göttingen bleibt "Der junge Mann" an der Oberfläche Zu viel Narrativ, zu wenig Analyse. Die Inszenierung von Jette Büshel leidet an Oberflächlichkeit. Die Figuren werden nicht ausgelotet. Deswegen war die Premiere von "Der junge Mann" am 3. November zwar unterhaltsam, ging aber nicht unter die Haut. Das ist schade für das Ein-Personen-Stück auf der Studio-Bühne. In der autofiktionalen Erzählung "Der junge Mann" berichtet Annie Ernaux von ihrer zurückliegenden Beziehung zu einem 30 Jahre jüngeren Mann. Das Buch liegt seit dem Frühjahr in deutscher Übersetzung vor und postwenden haben Jette Büshel und Michael Letmathe ein Stück für das DT Göttingen draus gemacht. Strube bereit zur Berichterstattung. Alle Fotos: Lenja Kempf/DT GÖ Der erste Ansatz verpufft gleich. Seit der Ehe von Brigitte Trogneux und Emmanuel Macron haben Beziehungen zwischen älteren Frauen und jungen Männer so gar nix skandalöses mehr an sich. Auch das Duo Klum-Kaulitz hat null S...

Loh-Orchester nutzt die zweite Chance

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 Ballett Compagnie macht einen Riesenschritt Mit "Friedrich" und "Le Sacre du Printemps" machen Ivan Alboresi und sein Ensemble einen weiteren großen Schritt in der Entwicklung. Der Doppelabend zeigt nicht nur den State of Art im Tanztheater, sondern gibt auch die Richtung für die Zukunft vor. Das Loh-Orchester nutzt die Zweitaufführung für die Wiedergutmachung. Nach der Premiere sah sich das Orchester unter der Leitung von Julian Gaudiano harscher Kritik ausgesetzt. TA-Rezensent Wolfgang Hirsch schrieb in seiner Besprechung sogar von unprofessionellem Verhalten und brachte damit Intendant Daniel Klajner auf die Zinne und das Orchester in Erklärungsnöte.  Noch ist das Individuum oben.  Alle Fotos: Ida Zenna/TNLos Die Kritik hat geholfen. Bei der Zweitaufführung zeigte sich das Orchester von seiner glänzenden Seite. Der Klang war strukturiert und filigran. Jede Gruppe war deutlich zu erkennen und gerade die zuvor abgewatschten Streicher konnten überzeugten. Als Bel...

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

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In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Turandot vergibt jede Menge Chancen

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 Puccini-Oper wirkt wie Schülertheater Es bleibt dabei. Mit der Oper "Turandot" setzt das Theater Nordhausen den Reigen der belanglosen Aufführungen fort. Dabei bietet doch gerade dieses Werk von Puccini dutzendweise Anknüpfungspunkte zur Jetztzeit. Stattdessen serviert Benjamin Prins eine Ausstattungsoper, der man den Staub von hundert Jahren anmerkt. Puccini gilt als der letzte Vertreter des Verismo, also der italienischen Operntradition, auf der Bühne die gesellschaftliche Realität abzubilden. Aber auch er musste seine "Turandot" in die Vergangenheit und in ein fernes Land verlegen, um Kritik an der Gegenwart zu üben. Immerhin hatten zwei Jahre zuvor die Faschisten die Macht in Italien übernommen. Somit kann man König Timur durchaus als Abbild des entmachteten Viktor Emanuel III. betrachten kann. Nächste Parallele: Wie die Faschisten berufen sich die neuen Opernherrscher auf eine tausendjährige Tradition. Sohn und Vater können vorerst nicht zueinanderfinden.    ...

Der Himmel weinte ein wenig beim Konzert von Alsmann

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Feucht-fröhliche Abschiedsparty im Kreuzgarten Es waren Götz Alsmann und Band, die 2004 die Tradition der Open Air Konzerte bei den Kreuzgangkonzerten begründeten. Danach kamen der Hr. Doktor und seine Combo regelmäßig zu rauschenden Musikfesten nach Walkenried. Am Montag lieferte das Quintett noch einmal ab und machte deutlich, was ein Konzert der Extraklasse ausmacht.  Im Gepäck hatte die Band das neue Album "Bei Nacht" und ist Grundlage des neuen Live-Programms. Nach vielen Versuchen in Rumba und Mambo macht das Ensemble damit einen Schritt zurück in Richtung Wurzeln. Es swingt, es jammt, es macht Spaß, die jazzigen Anteile dominieren und das ist gut so. Gemischt wird das ganze mit einem ordentlichen Schuss Schlager aus seinen besten Tagen. Es zieht sich durch den ganzen Abend: Hier treffen sich Ausnahmemusiker auf Augenhöhe. Götz Alsmann am Piano und Schlagwerker Altfrid M. Sicking treiben sich zu fantastischen Soli an. Manchmal bleibt auch Platz für die anderen, aber wen...

Wenn der Applaus donnert wie die tosende See

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 Zucchini Sistaz bei den Kreuzgang Konzerten Zu dieser Auswahl kann man dem Team der Kreuzgangkonzerte nur gratulieren, denn besser konnte der Auftakt nicht sein. Die Zucchini Sistaz eröffneten die Spielzeit 2024 mit einem traumhaften Konzert und zum Schluss gab es Applaus, der wie die tosenden See donnerte. Damit toppte das Trio aus Münster die Premiere vor zwei Jahren. Die drei Damen haben ein neues Programm im Seesack und das lautet "Tag am Meer". Es geht um Sehnsüchte, Romantik und andere Klischees, die Landratten mit der Seefahrt verbinden. Es ist eine Thematik aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, als sich die Menschen in zahlreichen Krisen in die Ferne weggeträumt haben oder gehofft haben, dass der Seemann etwas Abwechslung in den Alltag bringt. Diese Phänomen erlebt derzeit eine Renaissance und deswegen ist es das richtige Programm für die Jetztzeit. Alle Frauen an Bord, es kann losgehen. Fotos: Kügler   Es ist eine Mischung aus Jazz, Blues und Rumba, die so schön tempo...

Theater an der Schmerzgrenze

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GRM.Brainfuck im Deutschen Theater fordert das Publikum Ist es Dokumentationstheater oder dramatische Verdichtung realer Vorgänge? Auf jeden Fall fordert "GRM.Brainfuck" dem Ensemble und dem Publikum im Deutschen Theater Göttingen einiges ab. Die Inszenierung von Niklas Richter ist vor allem eine Kopfsache, die sich unterhalb der Gürtellinie abspielt.   Rotherham ist der größte Skandal in der skandalträchtigen britischen Nachkriegsgeschichte. Warum man das jahrzehntelange absichtliche Versagen der englischen Behörden in Deutschland kaum wahrgenommen hat, darüber kann man nur spekulieren. Auf jeden Fall erschwert dies das Verständnis dieses Stück enorm. Sie kommen immer näher, der Schutzzaun ist gefallen. Alle Fotos: Thomas Aurin  Ohne Zweifel steckt hinter dem Handlungsort Rochdale nichts anderes als Rotherham. Hier wie dort und an einigen anderen Orten in Großbritannien waren die Verbrechen an jungen Menschen, vor allem jungen Frauen, nur deswegen möglich, weil...

Zu viel gewollt - nichts gewonnen

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Uraufführung mit gemischten Ergebnis im Deutschen Theater Göttingen Beim "Traum von der glänzenden Zukunft" muss man genau unterscheiden. Schauspieler top, Inszenierung in Ordnung, aber Stück mit deutlichen Schwächen. Die Vorlage von Carina Sophie Eberleist ein Werk, das alles will, aber nichts gewinnt. Nach 60 Minuten Küchenpsychologie bleibt die Frage: Wer therapiert hier eigentlich wem? Man muss die Klassiker bemühen. In seiner Ästhetik unterscheidet Kant zwischen nützlich, gut und schön. Nützlich ist, was einem anerkannten Zweck dient. Das gilt für "Der Traum von der glänzenden Zukunft" bestimmt. Mögliche Bedrohungslagen schildert das Stück in Gänze und voller Breite.  Gut ist nach Kant, was einem moralischen Grundsatz befolgt. Ob der oben geschilderte Zweck moralisch ist, das bedarf einer längeren Debatte. Was die überforderte Vorlage rettet ist die Inszenierung von Lucia Reichard, das Bühnenbild von Bettina Weller und vor allem die schauspielerische Leis...