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Es werden Posts vom 2020 angezeigt.

Getanzter Zorn

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Die Räuber zwischen Kain, Abel und Ödipus Mit einer Räuber-Trilogie wollte Olaf Graf in sein Amt als Intendant des TfN starten. Nach Schauspiel, Oper, defekter Brandschutzanlage und geflutetem Theater feierte nun der letzte Teil des Triptychon Premiere im Ausweichquartier "Halle 39". Die Räuber-Choreografie von Marguerite Donlon lässt staunen und macht atemlos.  Sie ist vor allem rasant und schnell, und bringt doch neue Perspektive. Donlon präsentiert eine neue Version von Kain und Abel und von der verlorenen Unschuld. Damit steht am Ende die Gewissheit, dass die Geschichten mit dem alten Grafen, seinen Söhnen und der schönen amalia nicht anders als tödlich ausgehen kann. Franz hat den Vater in der Gewalt.  Alle Fotos: Quast Seelenleben oder Erzählballett? Innerlichkeit oder Action? Die Wahlberlinerin verknüpft in ihrer Choreografie beide Möglichkeiten und die vier Tänzer und Annick Schadeck als Amalia setzen dies einsdruckvoll um.  Das verwundert nicht, denn ...

Flucht vor sich selbst

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 "Die Winterreise" als Ballett im Theater Nordhausen Meistens kommt es anderes als man manchmal denkt. Mit einer Aufführung von "Die Winterreise" als Ballettabend hat sich das Theater Nordhausen in die Winterpause verabschiedet. Dabei überzeugt die Choreographie von Ivan Alboresi owohl sie doch einige Längen aufweist.  In diesem Jahr diktiert erstmal das Corona-Virus den Spielplan. Eigentlich wollte Alboreso die "Carmen" in Szene setzen, doch die zahlreichen Auflagen stoppten das Vorhaben. Doch "Die Winterreise" mit der Musik von Franz Schubert ist mehr als nur Ersatz. Sie passt besser in diese Zeit als die extrovertierte und erotische Carmen. Mit der affektierten Larmoyanz und dem maßlosen Selbstmitleid in einer konstruierten Realität, die mit der Wirklichkeit nur bedingt deckungsgleich ist, ist die Winterreise die Vorlage für die aktuelle Gemütslage. Statt des grandiosen und tödlichen Finale der Carmen gibt es hier endloses Siechtum.  Mal eine ...

Gegen Corona antanzen

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Breites Spektrum bei der Ballettgala im Theater Nordhausen Manchmal bringt die Not die besten Ergebnisse hervor. Das zeigte die Ballettgala im Theater Nordhausen. Der Schlussapplaus erreichte die Stärke der Vor-Corona-Zeit.  Intendant Daniel Klajner und Ballettchef Ivan Alboresi begrüßten die drei neuen Mitglieder der Compagnie vor. Diese stellten sich dann mit eigenen Choreographien vor und nachdem Klajner seinen Ballettchef ausreichend gelobt hatte, gab dieser preis, dass er mindestens noch bis 2024 in Nordhausen bleiben wird.  Spots brennen Lichtkreise auf den Tanzboden. Es sind Platzanweiser. Tänzer kommen auf die Bühne und wissen, wo sie hingehören. Nur so kann Ballett in den Zeiten des "Abstands halten" funktionieren und irgendwann ist das gesamte Ensemble auf der Bühne. Den ersten Applaus gibt es, als alle ihre Masken aufsetzen. Tanztheater lässt sich nicht von einem Virus aufhalten. Das ist doch ein Statement.  Es darf wieder getanzt werden. Alle Fotos: Marco...

Am Ende sind alle verzaubert

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Eine fantastische "Fairy Queen" am Theater Nordhausen Oper ist möglich und sie kann Spaß, sogar in Zeiten von Corona. Das ist die wichtige Botschaft, die von der "Fairy Queen" im Theater Nordhausen ausgeht. Regisseur Achim Lenz und der musikalische Leiter Henning Ehlert haben nicht trotz, sondern gerade wegen der Beschränkungen eine Inszenierung geschaffen, die eine eigenständige Aussage liefert. Dafür gab es bei der Premiere am Freitag donnernden Applaus. Im Frühjahr schwächelte Lenz "Zauberflöte" noch an der Angst vor der eigenen Courage. Hier hat er nun konsequent gearbeitet und eine überzeugende Arbeit abgeliefert. So ist diese "Fairy Queen" keine weitere Adaption eines bekannten Stoffes. Auf der breiten Basis vieler Einflüsse ist eine eigenständige Interpretation eines Verwirrspiels mit neuen Perspektiven entstanden.  Die Corona-Auflagen sind fast ein Zwang zur historischen Aufführungspraxis. Doch aus dem Zwang wird ein Gewinn. Das Orchester...

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht

 "Die Hauptstadt" ist ein vor allem ein Wunschland Es bleibt dabei: gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Das gilt vor allem für "Die Hauptstadt"  am Deutschen Theater Göttingen. Statt Impulse zur Gegenwart zu geben, reiht

Eins sein mit sich und den anderen

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Festival schließt mit Tanzabend ab Das Theaternatur-Festival ist dann am besten, wenn es etwas wagt und neue Wege beschreitet. Das hat der Tanzabend "UnEins" unter Beweis gestellt. die drei Choreographien konnte auch die begeistern, sich sich sonst nicht so für Tanztheater erwärmen können. Damit bekam das Festival einen gelungenen Abschluss.  Es war durchaus ein Wagnis von Intendant Janek Liebetruth. Bisher ist Ballett in Benneckenstein nur auf begrenzten Zuspruch gestoßen. Das er mit der dreifachen Aufführung an den letzten Festivaltagen richtig lag, belohnt den Mut.  Die Klammer war das gemeinsame Thema. Das Individuum und die Gesellschaft, das Ich und das Ihr stand im Mittelpunkt der drei Beiträge. Damit verbunden war ein Querschnitt durch das, was moderenes Tanztheater ausmacht. Klassik. Modern Dance, Break und ein wenig Akrobatik fanden an den drei Abenden zusammen. Dies ermöglichte die Vielfalt an ausdrucksformen  Ein Solo, eine Quadrille und ein Ensemble. Auch hier...

Der Sandmann fährt Porsche

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 Es ist noch nicht soweit: Viele Ansätze, die nicht alle tragen Es bleibt dabei: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. So geht es auch dem Hauptstück “Es ist noch nicht so weit” beim diesjährigen Theaternaturfestival in Benneckenstein. Es steckt voller vielversprechenden Ansätze, die aber nicht immer umgesetzt werden. Es ist ein Zwei-Jahres-Programm auf der Waldbühne in Benneckenstein. Nachdem 2019 die Wende unter die Lupe genommen wurde, soll es in diesem Jahr um die Folgen der deutschen Einheit gehen. Auch dafür erging ein weiterer Auftrag an den Autoren Sören Hornung. Während seine letztjährige “Legende von Sorge und Elend” eine Anhäufung von Klischees war, kommen die Figuren in “Es ist noch nicht soweit” wesentlich differenzierter daher. Sandmann West, Achim und Kassandra am Dachfenster.  Alle Fotos Frank Drechsler Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er für diesen Anlass das gewohnte Narrativ von Gewinner West und Verlierer Ost durchbricht. Sein Stück kennt nur einen Ge...

Futter fürs Kino im Kopf

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Ein Stück Filmgeschichte als Buch: Die “Goldfinger Files” sind erschienen 192 Seiten und 2,5 Kilo für 6 Minuten 37 Kinokunst. Mit “The Goldfinger Files” haben Steffen Appel und Peter Waelty ein Werk vorgelegt, das sich um eine Legende der Filmgeschichte dreht, die Schweizer Episoden aus dem Bond-Film „Goldfinger“. Dabei setzt das Buch selbst neue Maßstäbe. Den Autoren ist mit den „ Goldfinger Akten “ eine beispielhafte Mischung aus Detailwissen und dem Blick fürs Ganze gelungen. Cineastische Fakten werden in die zeit eingeordnet, in den gesellschaftlichen Kontext gestellt und Entwicklungen aufgezeigt. Letztendlich steht so die Figur des James Bond für die vielfältigen Umwälzungen der 60-er Jahre. Dazu kommt die gelungene Präsentation. Die Texte sind auf das Mindestmaß reduziert. Ein Buch über einen Film braucht Bilder und mit 346 Abbildungen gibt es reichlich davon. Dabei schöpfen Appel und Waelty aus einem reichen Fundus. Es sind Fotos der Journalisten Hans Gerber, Josef Ritter u...

Mit Alice ins digitale Wunderland

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Theaterclubs eröffnen neue Dimension des Spiels Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal in der Corona-Krise hat das Deutsche Theater Göttingen die Maßstäbe für zeitgemäßes Spiel neu definiert. Mit “Ich sehe was, was du nicht siehst” haben die Theaterclubs eine neue Dimension eröffnet, in der sich Wirklichkeit und virtuelle Realität mischen. Das Urteil des härtesten Kritikers ist eindeutig: "Geil". Am Sonntag ging das Projekt gewissermaßen online. An diesem Termin sollte eigentlich der Start des Festivals “Am Puls” sein. Doch Corona hat dies und auch die Proben dazu verhindert. Da man aber doch etwas aufführen wollte, haben Gabriele Michel-Frei, Lisa van Buren und Jana Kühner etwas Neues konzipiert. Man könnte es als “Theater on demand” bezeichnen. Erst scannen, dann gucken, Alle Fotos: Kügler  In der Corona-Krise haben sich viele Theaterschaffende mit Streaming abgemüht. die wenigstens Ergebnisse waren länger als 15 Minuten sehenswert. DT-Intendant betont zu ...

Ein Dorf wird zur globalen Virenschleuder

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Ischgl-Buch von Hechenblaikner im Steidl-Verlag erschienen Wer wissen will, warum Corona schnell zur Pandemie wurde, der sollte sich dieses Werk besorgen. Mit “Ischgl” zeigt der Fotograf Hechenblaikner eindrucksvoll, wie aus einem Bergbauerndorf in Tirol die Virenschleuder Europas wurde. Manchmal werden Verlage von den Ereignissen überrollt. Das Buch war schon länger geplant. Nun hat der Steidl-Verlag die Erscheinung nach vorne gezogen. Aus einem Bildband wurde so ein Erklärstück zu Europa und seinen drängendsten Problem. Ischgl, hinter diesem einen Vokal und seinen fünf Konsonanten steckt das ganze Elend des alpinen Massentourismus. Auf 1.600 Einwohner kommen 25.000 Gästebetten. Das macht 1,4 Millionen Übernachtungen und 250 Millionen Euro Umsatz jährlich. Der Ort ist längst zur Marke geworden und zum Ballermann der Alpen verkommen. Zum Skifahren kommen nur die wenigsten. Hier ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Lois Hechenblaikner fotografiert seit den 80-er Jahr...

Die Grenzen des Theaters gesprengt

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"Die Methode" am DT Göttingen als Drive-In-Vorstellung Vergesst das Autokino. Kultur findet in der Tiefgarage statt. Mit „Die Methode“ hat das Deutsche Theater Göttingen ein Stück entwickelt, das die passende Antwort auf die Zeit ist. Es findet eben in der DT-Tiefgarage statt und begeistert mit einem Maximum an Nähe. Das erste Drive-In-Theater ist mehr als nur eine Überraschung. Das gestörte Verhältnis von Nähe und Distanz sei das sublime Thema der Corona-Krise. Das Fehlen der gewohnte Bipolarität würde die Menschen verunsichern, hatte Intendant Eric Sidler in der Pressekonferenz erklärt. Das wolle man mit dieser Inszenierung aufgreifen. Er hat zu wenig versprochen. „Die Methode“ ist eine geballte Ladung an Intimität und eine Stellungnahme zur Öffentlichkeit zugleich. Hinter allem steckt die Sehnsucht nach Liebe als Triebfeder menschlichen Handelns. Ein zutiefst humanistisches Statement in den Zeiten der Apparatschiks. Grundlage ist der Roman „Corpus Delicti“ von Juli Z...

Gegensätzliches Doppel

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Zwei opulente Bücher - Beide anders Die Parallelen liegen auf der Hand. Karl Lagerfeld und Peter Lindbergh gehören zu den Ikonen der internationalen Modeszene. Beide haben Maßstäbe gesetzt, der eine als Modeschöpfer, der andere als Modefotograf. Ihre Wege haben sich mehrfach gekreuzt und im letzten Jahr sind sie verstorben. Zeitgleich sind nun zwei opulente Bücher, die eine Überblick über ihr schaffen bieten soll. Zu beiden gibt es derzeit eine Retrospektive als Werkschau. Der eine wird in Halle gezeigt, der andere wird in Düsseldorf ausgestellt. Die beiden Bildbände dazu machen eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten deutlich. Das eine Buch heißt schlicht „Karl Lagerfeld – Fotografie“, das andere „Peter Lindbergh – On Fashions Photograhpy“. Finden sich die Parallelen auch in gedruckter Form wieder? Lagerfeld „Gerhard Steidl ist der beste Drucker der Welt.“ Mit diesem Lob hatte Lagerfeld schon vor Jahren den Göttinger geadelt. Schließlich geht die Zusammenarbeit der beid...