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Wie eine Dusche für die Seele

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Konzert mit vielen Genussmomenten:  Niniwe im Kreuzgang Walkenried Es braucht ganz zwei Tage Arbeitswelt und Berufsverkehr, um einen aus der Tiefenentspannung der Festtag herauszutreten. Es braucht lediglich zwei Minuten niniwe, um wieder in dieses Paradies einzutreten. Bei ihrem Konzert am Donnerstag im Kloster Walkenried gaben die vier Vokalartistinnen dem Publikum jenen Zauber der weihnachtlichen Friedfertigkeit zurück. Es war nicht "some procedure as every year". Statt Kaffeehausorchester oder Amarcord durften das Quartett aus Berlin erstmals die Spielzeit der Kreuzgangkonzerte beschließen. Es hat sich schlicht und einfach gelohnt. Ensemble und Programm passten zu Zeit und Ort. Die reduzierte Aufführung schuf den nötigen Raum für die Rückbesinnung. Konzentration auf das Wesentliche, das ist das Konzept der vier Sängerinnen und der Arrangements von Winnie Brückner. Keine Lichtspiele und auf Showeinlagen muss man wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Hier spricht ...

Make Musical great again

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Göttingen first: DT zeigt Uraufführung von Marilyn-Monroe-Musical  Der Erfolg hat drei Säulen: Starke Darsteller, eine großartige Inszenierung und eine schonungslose politische Analyse. Das Musical "America first" überzeugt in allen Belangen. Die Uraufführung am Deutschen Theater Göttingen ist  nicht nur der Blick auf eine der Ikonen der Pop-Kultur. Es ist zugleich eine Abrechnung mit den USA und das auf äußerst unterhaltsame Weise. Das Libretto von Christoph Klimke verzichtet aber durchweg auf den Zeigefinger. Eine Platinblondine hockt sich in einen knallroten Pullover. Dieses Bild gehört zum kollektiven Gedächtnis und jeder weiß, dass die Frau Marilyn Monroe sein muss. "America first" setzt im August 1962 ein. Seit der berühmten Fotosession mit Milton Greene sind sieben Jahre vergangen und aus der unbeschwerten Marilyn Monroe ist eine alternde Diva mit Depressionen geworden. Sie zitiert Shakespeares Ophelia und damit ist klar, dass hier bald gestorben wird. ...

Ich wollt wie Eurydike singen

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Barocke Opernpracht: Telemanns Orpheus am TfN Still und leise ginge das Telemann-Jahr zu Ende, gäbe es nicht das Theater für Niedersachsen. Dort stellte man sich dem Wagnis "Orpheus oder die Beständigkeit der Liebe". Die selten gespielte Oper zeigt in der Inszenierung von Sigrid T'Hooft barocke Opernpracht mit hohen Unterhaltungswert. Am Samstag war Premiere am TfN. Die Regisseurin Sigrid T'Hooft hat sich einen Ruf als Spezialistin für historische Aufführungspraxis gemacht. Ihre Inszenierungen wandeln dabei auf dem schmalen Grat zwischen angewandter Musikwissenschaft und opulenter Unterhaltung. Mit Imeneo bei den Händel-Festspielen in Göttingen konnte das niedersächsische Publikum 2016 zum ersten Mal einen Blick auf ihr Konzept werfen. Ihr Orpheus am Theater für Niedersachsen ( TfN ) ist Bestätigung und Ausbau zugleich. Opulenz an allen Orten. Diese Inszenierung ist ein Fest für Augen und Ohren, das vor allem erst einmal unterhalten möchte. Musik, Schauspiel, ...

Aus Freude am Verbrechen und am Spiel

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Zwei wie Bonnie und Clyde im hoftheater Das nennt mal wohl "Wie auf dem Leib" geschrieben. Im hoftheater läuft die Gaunerkomödie "Zwei wie Bonnie und Clyde" und nicht nur Petra Döring-Menzel und Dieter Menzel haben offensichtlich viel Spaß.  Die Inszenierung von Jürgen Kramer überzeugt durch die gelungene Mischung aus Slapstick, Wortwitz und feine Beobachtung. So entwickelt sich rasantes Spiel auf engsten Raum. Eigentlich sind Manni und seine Rosa alles andere als ein erfolgreiches Gangsterpaar. Er überambitioniert, sie ein wenig vertrottelt. Diese Kombination funktioniert seit Laurel und Hardy und ist immer ein Garant für Fehlschläge und deswegen für Lacher. Gerade haben sie vermeintlich einen großen Coup gelandet. Schicht für Schicht legen Rosa und Manni Patzer um Patzer frei, bis der der große Traum vom sorglosen Leben geplatzt ist. Damit ist der Streit vorprogrammiert. Das Publikum ist ihnen dabei immer einen Schritt voraus und darin besteht der besondere...

Nur im Ansatz gelungen

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Hohe Ansprüche: "1984" am Theater für Niedersachsen  Big Data ist Big Brother. Unter diesem Leitsatz inszenierte Reiner Müller am Theater für Niedersachsen die Bühnenfassung von Orwells Klassiker "1984". Doch die Premiere am Sonnabend zeigte, dass die eigenen Ansprüche nur teil umgesetzt werden konnten. Der Aktualitätsanspruch fehlt über weite Strecken.Es bleibt die Darstellung eines totalitären Staatsapparates. Die Anbindung sind die Jetztzeit sind ja da. Das Bühnenbild von Eva Humburg strotz nur so vor Computern und Bildschirmen. Bildschirme als Möbel, als Hocker, als Kletterhilfe, als Lebensinhalt. Die Blaumänner im Hoodie-Look mit modischen Sneakern verweisen auf Jetzt-Eben-Gerade. Das war es dann auch schon erst mal mit der Aktualität. Die Bezüge zu Big Data bleiben vorerst ein Versprechen, das nur zaghaft eingelöst wird. Total fit und entspannt in die Hass-Woche. Foto: TfN/Westhoff Die Inszenierung von  Reiner Müller  ist eher die Entdeckung der...

Von Menschenfeinden und Hundehassern

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"Die Hundegrenze" ist eine Dokumentation mit Theatermitteln Eine Menschenleben zählte an der innerdeutschen Grenze nicht viel und ein Hundeleben schon gar nicht. Dies zu zeigen, das gelingt Christian Georg Fuchs in seiner Inszenierung von "Die Hundegrenze" auf beklemmende Weise. Am Sonntag war Premiere im Theater unterm Dach Ausgangspunkt der Aufführung ist die gleichnamige Reportage von Marie-Luise Scherer. 1994 widmete sie sich im Spiegel auf beeindruckende Weise einem Kapitel der deutschen Trennung, das bis dahin weitestgehend vergessen war. Es ging um die sogenannten Trassenhunde, um jene Vierbeiner, die einst die Grenze bewachten. Angekettet und isoliert waren sie dem Wetter ausgeliefert. In einem unmenschlichen System standen die Tiere auf der untersten Stufe. Die emotionslose und klare Sprache, die die Reportage prägt, verdeutlicht die Unmenschlichkeit, das Fehlen jeglicher Empathie. Fuchs orientiert sich an eben diesem Stil. Er über nimmt ganze Passag...

Ballett mit viel Musical-Appeal

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Premiere von Romeo und Julia am Theater Nordhausen Was Tanztheater anbelangt, da ist Nordhausen derzeit der Hotspot in Thüringen und Mitteldeutschland. Das hat die Premiere von "Romeo und Julia" am Freitagabend mal wieder bewiesen. Ivan Alboresi legt eine Choreographie vor, die durch Vielfalt und Tiefe überzeugt. Das überraschend junge Publikum war begeistert, zu Recht. Die Werk des Neo-Romantiker Prokofjew zwichnet sich durch eine umfangreiche Klangsprache und chromatische Wendungen aus. Ähnlich umfangreich ist die Formsprache und Ausdruckstiefe einer Alboresischen Choreographie. Damit passen die Musik des Russen und Nordhausens Ballettchef so gut zueinander. Doch der Auftakt verläuft ohne Musik und ist deswegen so eindrucksvoll. Als Chor steht die  Tanzkompagnie auf der blanken Bühnen. Aus dem Off tönen Shakespeares Zeilen von überlassen. Ganz ohne Musik und zu dem Zeilen Shakespeares von den zwei Häusern, die einander im Hass zugewandt sind. Die Choreographie beginn...

Nur bedingt tauglich

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Das DT belebt Brechts Puntila und dessen Knecht Matti In einer Friede-Freude-Eierkuchen-Ära unbequeme Fragen zu stellen, die Wohlfühl-Politik mit dem Thema Macht und Herrschaft zu kontern, ist grundsätzlich löblich. Das war der Ansatz von Christoph Mehler. Doch seine Inszenierung von "Herr Puntila und sein Knecht Matti" am Deutschen Theater in Göttingen erfüllt die selbst gesteckten Ziele nur zum Teil. Was ein Kommentar zur Zeit sein könnte, gerät über weite Strecken zur historisierenden Schaustellung. Als das Licht angeht, geht der Blick ins Leere. Die Bühne ist komplett abgeräumt und es das Bühnenhaus ist nackt. In der Ferne baut sich der Chor auf und eine Stimme schüttelreimt den Anfang. Hier ist die Aufführung Brechtischer als Original. Die zahlreichen Nebenrollen hat Christoph Mehler in einem Chor zusammengefasst, der in vielen Stücken Brechts eine große, kommentierende und reflektierende Rolle spielt. Noch ist der Herr bei Sinnen und bestimmt nicht nüchtern.  F...

Eine Reise zurück in die Gegenwart

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Philippe Djian liest beim Göttinger Literaturherbst Einen Roman mit einer Vergewaltigung zu beginnen, so etwas traut sich nur Philippe Djian. Am Sonntag stellte er bei Göttinger Literaturherbst seinen Roman "Oh ..". Mit seiner Reise zurück in die Gegenwart beweist er, dass er immer noch zu den Autoren gehört, die wirklich etwas zu sagen haben. Die zentrale Figur in einem vertüddelten Geflecht ist Michèle, eine Frau Mitte 50. Die Mitinhaberin einer Filmproduktionsfirma ist geschieden, Mutter eines Sohnes auf der Suche nach sich, hat ein Verhältnis mit Robert, dem Mann ihrer Geschäftspartnerin. Seit Jahrzehnten weigert sie sich, ihren Vater im Gefängnis zu besuchen, der einst ein solch ungeheuerliches Verbrechen begangen hat, dass Michèle und ihre Mutter lange Jahre nicht nur der sozialen Ächtung ausgeliefert waren, sondern auch im sozialen Koma lagen. In der Vorweihnachtszeit wird sie von ihrem Nachbarn vergewaltigt. Erst allmählich begreift sie, was passiert ist, und Schi...

Ein leichtes Spiel für Jago

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"Otello" am Theater Nordhausen zeigt Studie eines rasanten Verfalls Zum 100. Geburtstag hat sich das Theater mit Verdis "Otello" mit einer Ausstattungsoper erster Güte selbst beschert. Die Inszenierung von Anette Leistenschneider pflegt die traditionelle Aufführungspraxis und erfreut die Freunde werkimmanenter Interpretationen. Unter der Leitung von Michael Helmrath zeigt das Loh-Orchester eine begeisternde Leistung, die alle Anforderungen übererfüllt. Musikalisch packt Verdi in diesem Spätwerk alles aus. Die Arbeit an seine Wunschprojekt beginnt er 13 Jahre  nach der Uraufführung der Aida. Das liegt auch daran, dass Arrigo Boito ein Liebretto vorlegt, dass Shakespeares Werk noch einmal straffte. Konzeptionell bedeutet diese Oper für Verdi einen weiteren Schritt nach vorn. Mit Otello wendet sich der Komponist endgültig von der Nummernoper ab und legt ein Stück aus einem Guss vor, durchkomponiert von der ersten Note bis zum traurigen Ende Die Ouvertüre ist klan...