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Es werden Posts vom Juli, 2014 angezeigt.

Musik aus allertiefster Seele

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Giora Feidman und Gitanes Blondes bei den Kreuzgangkonzerten Prolog: Ich hätte nicht gedacht, das ich mich so schnell selbst zitieren könnte. Sei's drum, auch nach dem Konzert von Giora Feidman und Gitanes Blondes gibt es zwei Gewissheiten. " Die Schubladen der Genres wurden für musikalischen Buchhalter geschaffen. Die Liebe zur Musik kennt nämliche keine Grenzen. Wer die Musik liebt, darf mischen und wer seine Musik liebt, der darf auch mal derbe Scherze machen. " Tja, aber damit beginnen die Schwierigkeiten. Wie soll ich etwas über einen Mann schreiben, über den bereits alles gesagt wurde? Über einen Mann, der in den Geschichtsbüchern der Musik steht. Also gut, erste Aussage: Feidman ist keine Figur der Geschichte, sondern noch verdammt lebendig. Giora Feidman ist in seine Musik versunken. Alle Fotos: tok Laut Ankündigung steht an diesem Abend Klezmer auf dem Programm. Es verspricht laut zu werden und schnell, trotzig und lebensfroh. Doch der Start ist besinnli...

Gefährliche Liebschaften haben am Ende nur Verlierer

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Das Musical als Uraufführung bei den Gandersheimer Domfestspielen Nun ist das Programm der 56. Gandersheimer Domfestspiele komplett. Ab Freitag erlebten die "Gefährliche Liebschaften" ihre Uraufführung. Eigens für die Bühne vor der Stiftskirche haben Heiko Lippmann, Andreas Gäßler und Christian Doll aus dem Briefroman von 1782 ein Musical gemacht.Leichter verdaulich ist das starke Stück um Lug und Trug dadurch nicht. Es gewinnt eher an Schärfe und deswegen spart das Premierenpublikum am Freitag auch nicht mit Applaus. Die Marquise Isabelle Merteuil schlägt dem Vicomte Sébastien de Valmont vor, die jugendliche Braut ihres früheren Geliebten Gercourt, Cécile de Volanges, noch vor der Hochzeitsnacht zu verführen. Frühere Intrigen haben die beiden in eine riskante Form der gegenseitigen Abhängigkeit gebracht. Eine Feindschaft könnte beide in den Abgrund stürzen. Das ist die erste Aussage des Musicals. Die Marquise und der Vicomte pflegen ein System von Ko-Abhängigkeiten. al...

Wenn die Heiligen das Halleluja blasen

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Philharmonic Brass spielt im Kreuzgarten Am Ende Konzerts im Kreuzgarten des Kloster Walkenrieds gibt es zwei Gewissheiten. Die Schubladen der Genres wurden für musikalischen Buchhalter geschaffen. Die Liebe zur Musik kennt nämliche keine Grenzen. Wer die Musik liebt, darf mischen und wer seine Musik liebt, der darf auch mal derbe Scherze machen. Am Anfang ist die Tuba und die geht zur Bühne und gibt den Rhythmus einer bekannten Swing-Nummer vor. Ja, genau, es ist "Sunny Side of the Street", das durch den Kreuzgarten schallt. Als zweites erklingt das Waldhorn von links, als drittes Instrument erklingt die Posaune und kommt von rechts auf die Bühne. Zum Schluss sitzt das ganze Ensemble vor dem Publikum. "In Blech geformt" heißt das aktuelle Programm der Philharmonic Brass und so erschaffen sie es. Am Anfang ist die Tuba und die ist beim Publikum. Alle Fotos: tok Das ist zwar nicht neu, Talking Heads lieferten 1983 mit "Stop making Sense" die Vorlage...

Achtung Abenteuer, ich komme

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Ronja Räubertochter als komplettes Stück bei den Domfestspielen Es wird gestritten, geliebt, gekämpft und gezittert. Es wird geschrien, geflüstert, gepupst, gesungen und geweint. Mit seiner Inszenierung von Lindgrens Kinderbuchklassiker "Ronja Räubertochter" zeigt Max Merker gewissermaßen eine Kindheit im Zeitraffer-Tempo, von der Geburt bis zur Adoleszens. Die Livemusik von Dominik Dittrich unterstreicht den lebensfrohen Grundton. Eine riesige Burg aus Getränkekisten bestimmt das Bühnenbild von Martin Dolnik . Der härteste Kritiker von allen ( siehe hier ) kommentiert nur kurz: "Die müssen aber viel getrunken haben". Die Burg ist seit Generationen die Heimat der Mattis-Räuberbande. Hier fühlen sich der Räuberhauptmann und seine Männer sicher. Hier erwarten sie die Geburt des Mattis-Kinds, des zukünftigen Räuberhauptmann. Das dies ein Mädchen ist, das tut der Räubersache keinen Abbruch. Gleich ist das Räuberkind da.  Fotos: Hillebrecht Seit dem Theater Rot...

Da blüht so einiges

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"My fair Lady" ist nicht nur perfekte Unterhaltung Die leichte Muse ist ein schweres Fach, aber mit seiner Inszenierung von "My fair Lady" ist Toni Burkhardt bei den Thüringer Schlossfestspielen in Sondershausen der große Wurf gelungen. Das Musical ist komplettes Unterhaltungstheater, das begeistert, entführt und auch dem Kopf einiges zu bieten hat. Es ist Ausstattungstheater, das ein klassisches Musical in die Jetztzeit fortführt. Überkandidelter Sprachforscher trifft auf ein Blumenmädchen, schließt mit dem Kollegen Pickering  eine Wette über das Mädchen ab, benimmt sich wie die Axt im Walde, dressiert das Mädchen, scheitert in ersten Anlauf, gewinnt dann doch die Wette und verliert das Mädchen fast. Diese Aufführung wird von drei Polen bestimmt. Oliver Koch als Professor Henry Higgins, dem Opernchor des Theater Nordhausen und einer grandiosen Katharina Boschmann als Eliza Doolittle. Koch und Boschmann stehen exemplarisch für die beiden Seiten des Musicals. ...

Die Welt will betrogen werden

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Extemporé spielt Macchiavelli mit unbändiger Freude Beim Namen Macchiavelli denkt man alles mögliche, nur nicht an Vergnügen. Dabei hat der Florentiner Philosoph gleich drei Komödien geschrieben. Eine davon spielt der Theaterverein in diesem Sommer mit großer Freude und prominenter Besetzung in der Traditionsbrennerei in Nordhausen. La Mandragola, der Liebesrtrank, ist dabei eine Inszenierung, die mit viel Witz, Hintersinn und Grimassen schneiden auch heute noch Spaß macht. Jeder bekommt sein Fett weg und am Ende siegt die Dreistigkeit. Kallimachus ist in Lukretzia verliebt. Die tugendhafte junge Dame ist aber die Gattin des Rechtsanwalts Messer Nikia Calfucci und sie fühlt sich an ihre Ehegelübde gebunden. Also spannt Kallimachus seinen Freund Ligurio ein, um trotz aller Hindernisse seine Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Liebestrank soll ihn weiterbringen.  Dabei kommt ihm die Tatsachen zu Hilfe, dass sich der Kinderwunsch des Ehepaars nicht erfüllen will und zudem der Gatte ni...

Dieser Haifisch, der hat noch Zähne

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Bettina Rehm inszeniert eine raue und ungeschliffene Dreigroschenoper Doch, Brechts Paradestück auf die Bühne zu bringen, das ist ein Wagnis. Irgendwie kann jeder was dazu sagen, also sind die Erwartungen gross und ebenso die Chance auf einen Verriss. Bettina Rehm ist dieses Wagnis am Theater für Niedersachsen (TfN) eingegangen und belohnt das Publikum, mit einer Deutung, die wohl näher am Original ist, was als vieles andere unter dem Label Brecht. Es geht nicht um die Philosophie der Relativität des Verbrechens im gesellschaftlichen Kontext, es geht  nicht um eine Fallstudie über die Wertbildung im Londoner Subproletariat und es geht vor allem nicht um Sozialromantik unter Ausgestoßenen. Diese Dreigroschenoper ist rau und ungeschliffen, direkt und spröde, gewalttätig und niederträchtig, steckt voller Sex und ist damit ganz nah dran am Original. Julia Hattstein hat die Bühne sparsam und damit variabel möbliert. Es gibt nur eine lange Tafel, die auch als Laufsteg dienen wird un...

Das Leben ist ein Laufsteg

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Thomas Klenk eröffnet mit Goldonis Sommerfrische die Domfestspiele Nach viel Vorprogramm ist das Schauspielprogramm der 56. Gandersheimer Domfestspiele  eröffnet. Thomas Klenk zauberte am Donnerstag mit "Die Sommerfrische" von Carlo Goldoni eine Neubearbeitung auf die Bühne vor der Stiftskirche, die keine Wünsche offen ließ. Es war der Abend von Gunter Heun, der in der Rolle des Leonardos ganz großes Theater bot. Alles will nach San Remo, zumindest diejenigen Mailänder, die zur  High Society gehören wollen. Solche Leute wie  Leonardo und seine Schwester Vittoria, der alternde Filippo und seine Tochter Giacinta andererseits. Beide Familien eint die Tatsache, dass sie sich den kostspieligen Aufenthalt in der Sommerfrische gar nicht leisten können. Sie sind allesamt pleite. Da hat sich eine feine Reisegesellschaft zusammen- gefunden. Alle Fotos: Hillebrecht  Dennoch werden sie nach langen Hin und Her, nach "rin in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln"...