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Es werden Posts vom 2013 angezeigt.

Radetzky an der schönen blauen Donau

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Das Bremer Kaffeehaus-Orchester beim Konzert zwischen den Jahren Ist es Pop mit Klassik-Appeal oder ist es Klassik mit Pop-Appeal? Auf alle Fälle bot das Bremer Kaffeehausorchester bei seinem Gastspiel im Kloster Walkenried ein umfangreiches Programm mit vielen Schmunzlern. Ein zufriedenes Publikum dankte mit viel Applaus für den Abend mit hohen Unterhaltungswert. Dabei war der Start durchaus holprig, denn beim Adeste fideles stimmen die Machtverhältnisse im Quintett noch nicht. Johannes Grundhoff galoppiert kraftvoll am Klavier davon, so dass die anderen Mühe haben, ihm zu folgen. Doch schon beim Sleigh Ride von Leroy Anderson fügt sich das Ensemble in Harmonie. Die Querflöte von Klaus Fischer hüpft und tiriliert, dass die kleinen Ponys vor dem Schlitten vor dem geistigen Auge Wirklichkeit werden. Constantin Dorsch bildet dazu mit der Violine die klangliche Ergänzung, die diesem Abend bestimmen wird. Zwei so unterschiedliche Instrumente verschmelzen hier zu einer Einheit, ...

Planeten ohne Zentralgestirn

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Eine zeitlose Möwe im Deutschen Theater Göttingen Fast 120 Jahre liegt die Uraufführung von Tschechow Stück zurück. Als Situationsbeschreibung des  spätzaristischen Russland konzipiert entlockt Mark Zurmühle bei seiner Neuinszenierung von "Die Möwe" dem Werk auch Aussagen zur Zeit. Desorientierung tötet. Sie frisst Seelen auf und sie tötet auf allen Ebenen. Na, da hat sich ja eine feine Gesellschaft zusammengefunden. Wie in all den Jahren zuvor treffen sich auch in diesem Sommer Freunde und Verwandte auf dem  Landgut von Pjotr Nikolajewitsch Sorin. Zu der illustren Gesellschaft gehören neben dem ehemaligen Gerichtspräsidenten auch seine Schwester Irina Nikolajewna Arkadina und dessen Sohn Konstantin "Kostja" Treplew. Im Schlepptau hat die verwitwete Schauspielerin ihr jüngeren Geliebten, den Schriftsteller Boris Trigorin. Zu den Satelliten dieser Sommergesellschaft gehören noch Mascha Iljewna, Tochter des Gutsverwalter Ilja Schamrajew, Semjon Medwedenko, Lehrer, ...

Am Ende des Lebens ziehen Teppichfransen vorbei

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Das TfN spielt schlechten Grusel auf hohem Niveau Warum immer so hochgeistig? Trash kann doch so schön sein. "Das Geheimnis der Irma Vep" ist mit Absicht ein Stück zum Gruseln. Es hat alles, was Boulevardtheater aus macht: Geheimnisse, rasante Wendung, Verzweiflung, Happy End und jede Menge Türen, die auffliegen und zuknallen. Nicht umsonst war das Werk von Charles Ludlum die Nummereins auf dem Off-Broadway.  Das Theater für Niedersachsen (TfN) spielt die Horrorkomödie auf sehr hohem Niveau, aber ohne Schenkelklopfer. Die Inszenierung von Tilo Esche lässt kein Klischee aus und spielt gekonnt mir unseren Erwartungen. Der Landsitz eines englischen Lords muss so aussehen wie er im Bühnenbild von Hannes Neumaier aussieht. Es ist alles da, was das kollektive Gedächtnis an Versatzstücken verlangt, eine Glastür in die weite Landschaft, ein Kamin und natürlich ein Portrait der verstorbenen Gattin. Ohne Frage trägt die Haushälterin Jane die weiße Haube zum schwarzen Kleid und Lord...

Begeisterung vom ersten Akkord an

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Viva Voce macht in Walkenried Lust auf das Fest Am 7. Dezember gastierte die A-Cappella-Formation Viva Voce mit ihrem Programm "Wir schenken uns nix" im Kloster Walkenried. Zum Schluss ergeben sich zwei Möglichkeiten, darüber zu urteilen: eine kurze und knappe Version und eine ausführliche Besprechung. Die kurze und knappe Version Geil,so macht Weihnachten wieder Spaß. Viva Voce hauchen dem Fest wieder Leben ein, frei nach dem Motto, dass Tradition nicht das Hüten der Asche sondern das Bewahren der Flamme ist. Die fnf Franken schauen musikalisch mit einem deutlichen Augenzwinkern auf unser aller Erwartungen und Erinnerungen an das größte Fest des Jahres. Sie amüsieren sich nicht darüber, sie machen es nicht lächerlich, sie schmunzeln und wir mit ihnen. Und dann lachen wir manchmal doch über uns selbst, wenn Basti davon singt, wie schwer es ist, sich an das Versprechen "Wir schenken uns nix" zu halten. Nix ist sicher vor den fünf Franken. Foto: Band Kein ...

Wirklich alles unter Kontrolle?

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Dokumentationstheater "Wegschließen, und zwar für immer" zeigt ungeschönten Blick Sicherungsverwahrung ist ein heikles Thema. Das Deutsche Theater Göttingen hat sich dieser Herausforderung gestellt. Der Gewinner ist das Publikum. Mit "Wegschliessen und zwar für immer" legen Nico Dietrich und Inken Kautter ein Stück Dokumentationstheater vor, das es versteht, Fakten auf emotionale und intelligente Weise zu vermitteln. In einer Rübe-ab-Atmosphäre der öffentlichen Diskussion setzten sie ein Zeichen und sagen: "Halt, so einfach ist das nicht!" Ob nun Gefängnis oder Sicherungsverwahrung, letztendlich geht es um Kontrolle über das Individuum. Am Einlass verkünden Meinolf Steiner und Thomas Hoffmann die Regeln in einer Haftanstalt. Dann folgen Taschenkontrolle und Leibesvisitation. Der schroffe Beginn macht deutlich: Hier geht es um Realität und eine JVA ist nun mal keinPuppenhaus. Das Publikum spielt mit. Es folgen viele Szenen, die ein Schlaglicht auf alle ...

Es gibt immer eine Sturmwarnung

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Peter Grimes findet keinen Platz beim TfN Benjamin Britten feiert im November 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat  das Theater für Niedersachsen die Oper "Peter Grimes" neu inszeniert. Die Premiere am 9. November zeigte ein Verdrängungswettbewerb um Moral und Schuld und einen Wettbewerb um den Platz des Einzelnen in der Gemeinschaft. Die TfN-Inszenierung siedelt dieTragödie in der klaustrophobischen Atmosphäre eines Fischer-Nest an, in dem jeder jedem kennt und kontrolliert.  Jeder hat seinen Platz gefunden und ve rteidigt ihn auch. Alle Fotos: TfN/Hartmann Den Auftakt macht die Requisite Stuhl. Die Symbolik ist eindeutig. Die Dorfgemeinschaft trifft sich zur Verhandlung "Das Volk gegen Peter Grimes". Jeder bringt seine Sitzgelegenheit mit, denn jeder hat seinen Platz in dieser Gemeinschaft. Nur eben Peter Grimes nicht. Der Angeklagte muss den Platz einnehmen, der ihn zugewiesen wird, die Anklagebank. Wie der Lehrling William ums Leben, das wird wohl nie...

Ein Heim, das nicht immer funktioniert

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Das steptext dance project zeigt den Körper als ein Zuhause Der Körper ist die Urform des Zuhauses. Es kann ein harmonisches Heim sein, das Verhältnis kann aber auch gestört werden. Dies zeigt das Tanztheaterstück  "Homescape" des steptextdance project beim "Neue Heimat"-Festival am Deutschen Theater in Göttingen. Das Werk des Österreicher Helge Letonja erlebte zusammen mit "The House That Never Walked" am 2. November die Premiere als Doppelvorstellung. Das steptext dance project ist eine gemeinsame Arbeit von sengalesischen und europäischen Tänzern, die sich im letzten Jahr zu ersten Mal in der École des Sables und in Bremen trafen. Ihr Thema ist das Zuhause, die Migration, der Austausch der Kulturen und der Dialog in den Formen des zeitgenössischen Tanztheaters. Während sich das Werk von Opiyo Ockach dem externen Aspekten des Heimat widmet, der Interaktion der Beheimateten und der Heimatlosen, sagt Letonja: Es gibt immer eine Heimat und das ist de...

Beim Tanzen lernen

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steptext dance project zeigt die Gemeinsamkeiten des Tanzes Ein Zuhause hat viele Bedeutungen und alle kann man so tanzen, dass sie sich dem Publikum erschließen. Dies zeigte das steptext dance project beim "Neue Heimat"-Festival am 2. November im Deutschen Theater Göttingen. Der Doppelabend mit "The House That Never Walked" und "Homescape" erlebt dabei eine Uraufführung. Es bleibt abermehr als die Gewißheit, dass Tanztheater auf diesem Niveau neugierig macht auf mehr. Das steptext dance project ist eine gemeinsame Arbeit von sengalesischen und europäischen Tänzern, die sich im letzten Jahr zu ersten Mal in der École des Sables und in Bremen trafen. Ihr Thema ist das Zuhause, die Migration, der Austausch der Kulturen und der Dialog in den Formen des zeitgenössischen Tanztheaters. Der Anspruch von Choreograf Opiyo Okach ist es, in "The House That Never Walked" zuhause als soziale Architektur zu zeigen. Dies gelingt ihm und der Kompanie, ein Z...

Auf der Fahrt ins Unglück nirgendwo ankommen

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Peter Grimes am Theater Nordhausen klärt die Schuldfrage nicht wirklich Prolog: Es gegebenen Anlass hier noch mal die Rezension zur Inszenierung von Peter Grimes am Theater Nordhausen im Frühjahr 2012. Der Vorhang geht nicht auf. Das Ensemble wartet auf das Publikum, Peter Grimes steht am Rande. Die Fronten sind klar: Hier kämpft einer gegen die Masse. Der, der am Rande steht, gegen die, die Bühne beherrschen. Deswegen gilt die Rolle des Fischer Grimes als eine der anstrengendsten in der zeitgenössischen Oper. Ständig muss ergegen jemanden ansingen. Aber Joshua Farrier in der Titelrolle kann das, er hat genug Stimme dafür. Was das Auge beim zweiten Blick fesselt, das ist das Bühnenbild. Karg und variabel wird es vom Wasser beherrscht. Mal kämpft Grimes gegen das Element, als Anti-Held in Ölzeug, mal ist die Wasserfläche der Spiegel der verzweifelten Seele und Ort der Sehnsucht. Die Bühne ist auch Weite und Leere, Haltlosigkeit und Verlorenheit. Ohne Umbau dient die Bühne mal als G...

Der Flut nicht ganz freiwillig entkommen

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TfN und Kinderchor inszenieren Brittens Noah Zwischen den Oper-Titanen Wagner und Verdi wird Benjamin Britten in diesem Jahr fast zerrieben. Wenigstens das Theater für Niedersachsen setzt einen eigenen Schwerpunkt zum 100. Geburtstag des Erneuerer des Musiktheaters . Auftakt der Britten-Tage in Hildesheim war am 19. Oktober die Inszenierung der Kinderoper "Noah und die Flut" in der Lamberti-Kirche. Die Koproduktion von TfN, TfN-Kinderchor und Musikschule Hildesheim schafft den Spagat zwischen altersgerecht, ansprechend und anregend. Der härteste aller Kritiker , sieben Jahre alt, theateraffin und theatererprobt, bestätigt das Urteil. Die Einführung in das Werk macht der musikalische Leiter Achim Falkenhausen. Er erzählt von Brittens Absicht, auch das Publikums beziehungsweise die Gemeinde aktiv in das Stück einzubinden. Bei der Premiere 1958 sicherlich ein Novum. Falkenhausen verweist noch auf die mittelalterlichen Mysterienspiele als Vorlage, die dem unbelesenen Volk die ...

Das Leben wohnt im Herz

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Dominique Horwitz liest Momo im Kreuzgang Man kann eine Geschicht  mit Musik erzählen und man kann diese Geschichte mit Musik auch mal ganz anders erzählen als alle anderen. Dies stand am Ende des Momo-Abends mit Dominiqaue Horwitz und dem David Orlowski Trio im Kloster Walkenried am 12. Oktober. Für die neue Sicht auf den Kindebuchklassiker bedankte sich das Publikum mit anhaltendem Applaus. Dominique Horwitz liest Momo, lautete die Ankündigung. Dominique Horwitz las aus Momo,wäre richtiger. Das Konzept des Abend ist nicht das chronologische Vortragen eines allseits bekannten Textes. Schließlich ist Momo von Michael Ende seit 40 Jahre das Manifest der Entschleunigung, auch wenn es diesen Begriff in den 70er Jahren noch nicht gab. Anstatt also Kapitel an Kapitel zu reihen konzentrierte sich Horwitz auf drei Passagen, die exemplarisch für Handlung und Botschaft des Werkes stehen. Da ist das Eindringen der grauen Herren in die unbekümmerte Gemeinschaft, der Versuch des Friseur Fu...

Desdemona hat nicht geredet, aber getanzt

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Ballettkompanie Nordhausen zeigt Shakespeare, wie er hätte auch sein können William Shakespeare und Prince haben Gemeinsamkeiten. Sowohl der Theater-Titan aus dem frühen 17. Jahrhundert und der Pop-Gott aus dem späten 20. Jahrhundert kennen diese schwere Enttäuschung, die in tiefe Verzweifelung mündet. Beide können sie so ausdrücken, das auch jeder sie versteht, und beide kennen sich mit theatralischen Momenten aus. Das ist nur eine Gewißheit aus "Shakespeare. Ein Ballett". Diese Eigenproduktion der Ballettkompanie Nordhausen sprüht vor Ideen aus der Kategorie "Es hätte auch so ausgehen können". Doch die Erzählung mit vielen Wendungen und Überraschungen glänzt auch mit humorvollen Seiten und mit Bildern voller Klarheit und Optmismus. Bei der Premiere im Theater Nordhausen bedankte sich das Publikum mit langanhaltenden Applaus. Shakespeare und seine Figuren bleiben sich anfangs fremd. Fotos: Tilmann Graner/Theater Ndh Zu den bekannte und unbekannten Seite de...