Direkt zum Hauptbereich

Wenn der Applaus donnert wie die tosende See

 Zucchini Sistaz bei den Kreuzgang Konzerten

Zu dieser Auswahl kann man dem Team der Kreuzgangkonzerte nur gratulieren, denn besser konnte der Auftakt nicht sein. Die Zucchini Sistaz eröffneten die Spielzeit 2024 mit einem traumhaften Konzert und zum Schluss gab es Applaus, der wie die tosenden See donnerte. Damit toppte das Trio aus Münster die Premiere vor zwei Jahren.

Die drei Damen haben ein neues Programm im Seesack und das lautet "Tag am Meer". Es geht um Sehnsüchte, Romantik und andere Klischees, die Landratten mit der Seefahrt verbinden. Es ist eine Thematik aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, als sich die Menschen in zahlreichen Krisen in die Ferne weggeträumt haben oder gehofft haben, dass der Seemann etwas Abwechslung in den Alltag bringt. Diese Phänomen erlebt derzeit eine Renaissance und deswegen ist es das richtige Programm für die Jetztzeit.

Alle Frauen an Bord, es kann losgehen.
Fotos: Kügler 

Es ist eine Mischung aus Jazz, Blues und Rumba, die so schön temporeich swingt. Angesichts des Durchschnittsalters im Publikum ist es gut, dass Sinje Schnittker, Jule Balandat und Tina Werzinger mit ihre Versions von Trenets "La mer" das Tempo herausnehmen. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre. 

Es swingt so schön und die Zucchini Sistaz sind die kleinste Big Band der Welt. Dafür sorgt vor allem Sinje Schnittker als Multiinstrumentalistin. Dem Publikum bietet das Trio eine strikte Rollenverteilung und damit eine einfache Identifikationsmöglichkeit. Da ist die stille Sinje Schnittker in der Rolle des stillen Genies, Tina Werzinger an Gitarre und Mikrofon als femme fatale und Bassistin Jule Balandat als leader of the pack. 

Das Spiel mit dem Publikum beherrschen die Drei meisterhaft. Man nimmt ihnen ab, dass das, was sie gerade sagen und performen nur für das Publikum im Walkenrieder Kreuzgang gedacht ist. Das gerät zwischendurch zum Selbstzweck und man wünscht sich "Mädels, redet nicht so viel, spielt und singt lieber".

Kein Konzert sondern eher ...

Der Begriff Konzert bezeichnet den Abend im Kreuzgang nur unzureichend. Es ist eher eine Perf0ormance. Alle Bewegungen der Musikerinnen sind ein einstudiert und sitzen und die Garderobe gehört genau so dazu. Im ersten Teil orientiert sich die Bekleidung an der Seefahrer-Romantik der 30er Jahre, im zweiten Teil an der Südsee-Sehnsucht der 50er Jahre. Der Auftritt ist auch ein Spiel mit dem Klischees und weil Klischees immer da sind, hat der Auftritt der Zucchini Sistaz einen Hauch von Comedy und Satire. 

Sinje Schnittker, Tina
Werzinger 
und Jule
Balandat im Profil.
Diese eingeübten Rollen drehen sie gern mal um. Geht es im Original von "Copacabana" um eine gealterte Tänzerin aus einem zweitklassigen Nachtclub selben Namens, dreht sich die Version der Zucchini Sistaz um einen alten Mann, der sich an der Copacabana in eine Tänzerin verliebt und ihr verfällt. Dass ein Song der Beach Boys eines Tages mal im altehrwürdigen Kreuzgang gespielt, das hat Brian Wilson nie zu träumen gewagt. Zu seinem "Fun, fun, fun" wird eine junge Frau, die das will, was zu Zeiten der Beach Boys den Männern vorbehalten war, nämlich fahren, fahren, fahren. Emanzipation im 4/4 Takt.

Der Auftritt ist klar strukturiert. Vor der Pause Nordsee, nach der Pause Südsee. Musikalisch wird es im zweiten Teil vielfältiger und Band und Trio sind mittlerweile so gut aufeinander eingespielt, dass beim "Hey (Nah Neh Nah)" von Vaya con Dios die Zuhörer ungefragt zu Mitsängern werden. So kommt zum Schluss das, was kommen muss: donnernder Applaus, einige Zugaben und die Zusage, 2026 wiederzukommen. Vielleicht haben sie dann Götz Alsmann im Gepäck. Schließlich haben die drei Grazien mit dem Grandseigneur der gepflegten Unterhaltung gerade was am Laufen. Man kann sich schon jetzt drauf freuen. 

   



Das Programm der Kreuzgangkonzerte.

Der Heimathafen der Zucchini Sistaz

Die Entdeckung der Kreuzgangkonzerte 2022


    

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Eine Inszenierung auf Tratsch-Niveau

 Im DT Göttingen bleibt "Der junge Mann" an der Oberfläche Zu viel Narrativ, zu wenig Analyse. Die Inszenierung von Jette Büshel leidet an Oberflächlichkeit. Die Figuren werden nicht ausgelotet. Deswegen war die Premiere von "Der junge Mann" am 3. November zwar unterhaltsam, ging aber nicht unter die Haut. Das ist schade für das Ein-Personen-Stück auf der Studio-Bühne. In der autofiktionalen Erzählung "Der junge Mann" berichtet Annie Ernaux von ihrer zurückliegenden Beziehung zu einem 30 Jahre jüngeren Mann. Das Buch liegt seit dem Frühjahr in deutscher Übersetzung vor und postwenden haben Jette Büshel und Michael Letmathe ein Stück für das DT Göttingen draus gemacht. Strube bereit zur Berichterstattung. Alle Fotos: Lenja Kempf/DT GÖ Der erste Ansatz verpufft gleich. Seit der Ehe von Brigitte Trogneux und Emmanuel Macron haben Beziehungen zwischen älteren Frauen und jungen Männer so gar nix skandalöses mehr an sich. Auch das Duo Klum-Kaulitz hat null S...

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...