Direkt zum Hauptbereich

Stotterstart bei den Schlossfestspielen

Addams Family in Sondershausen ist vor allem routiniert

Acht Monate war der Spielbetrieb des Theater Nordhausen und des Loh-Orchesters lahmgelegt. Bei den Schlossfestspielen in Sondershausen erfolgt mit der Premiere der “Addams Family” am Donnerstag der Neustart. Doch das Musical war ein Stotterstart.

Die letzten beiden Spielzeiten fanden im Park vor dem klassizistischen Flügel statt. Nun sind die Festspiele in den Innenhof zurückgekehrt. In seiner Begrüßungsrede freute sich Intendant Daniel Klajner, wieder im Wohnzimmer spielen zu dürfen.

Doch mit der Rückkehr in den Schlosshofes ist viel an sommerlicher Atmosphäre verloren gegangen. Konnten die Festspiele 2019 und 2018 mit Weite, Licht und Luftigkeit verzaubern, herrscht nun wieder mittelalterliche Enge.

Darunter leidet auch das Bühnenbild von Wolfgang Rauschning. Es wirkt gedrängt und eingequetscht. Vor allem leidet es unter dem Manko, dass der Sitzplatz über den Genuss entscheidet. Wer rechts auf der Tribüne sitzt, dem ist schlicht die Sicht versperrt.

Marvin Scott gehört in der Rolle des 
Onkel Fester zu den Pluspunkten.
Alle Fotos: Julia Lormis 
Die “Addams Family” ist ein Musical, das die Andersartigkeit und die Vielfalt thematisiert. Damit ist es wie geschaffen für Zeiten, in denen gratismutige Fußballer Armbinden in bunten Farben tragen. Zumindest diese Herausforderung und die Anforderungen eines innergesellschaftlichen Clash of Cultures arbeiten Regisseur Ivan Alboresi und Juliane Hirschmann heraus.

Die Bewegung aufeinander zu verändert beide Seite. Wednesday Addams entwickelt eine ungewohnte Zuneigung zu Tieren, Alice Beineke entdeckt ihre lüsterne Seite und Morticia Addams muss erkennen, dass auch ihre Ehe unter Abnutzungserscheinungen leidet. Ausgerechnet der junge Pugsley ist den Erwachsenen schon früh einen Schritt voraus. In einem der wenigen gelungenen Soli singt ere davon, dass auch er sich wird ändern müssen.

Die Comics mit der Addams Family war in den 60-er Jahren die skurrile Antwort auf die heile Welt der kleinbürgerlichen Familien. Aber in Zeiten, in denen in deutschen Vorstädten Tausende Addams-Familien wohnen, hat die Ausgangslage an Reiz verloren. Mancher Gag zündet nur noch bei der Generation Ü 60.

Es bleibt vor allem der Eindruck “vorhersehbar, zu routiniert und wenig inspirierend”. Auch wenn die Inszenierung nach der Pause deutlich an Tempo und Witz gewinnt, so sind 75 Minuten Aufwärmzeit einfach zu viel.

Verloren gegangen ist auch der Reiz der andersartigen Musik. Als Reminiszenz an die 60-er Jahre und an die spanischen Wurzeln der Addams steckt dieses Musical eigentlich voller Mambo und Rumba. Doch das Loh Orchester unter Henning Ehlert hat die Exotik verbannt. Die Musik klingt nach Musical-Massenware und in der Feinabstimmung hapert es bei der Premiere auch ein wenig.

Acht Monate lang gab es kein Lebenszeichen vom Theater Nordhausen und auch nicht vom Loh Orchester. Wo andere Ensembles den Weg in die Digitalisierung gewagt haben oder einfach neue Formen ausprobiert haben, haben die Thüringer Theater die Füße still gehalten. Das hat ihnen nicht gut getan. Das wird in dieser Premiere mehrfach deutlich. An einigen Stellen ruckelt und holpert es.

Alice und Morticia beim Blick ins
Familienalbum. 
Alle Fotos: J. Lormis
So braucht Marian Kalus mehr als eine halbe Stunde, bis er sich in seine Rolle eingefunden und hereingesungen hat. Da fehlt es an Tiefe und Leidenschaft. Es klingt wie vom Blatt gesungen. Aber auch anderen Darstellerinnen und Darstellern geht es nicht besser. Philipp Franke fehlt es einfach an Körperlichkeit, um die Rolle des robusten und burschikosen Mal Beineke glaubhaft auszufüllen. Da kann man nur hoffen, dass sich das Ensemble und das Orchester in den kommenden Wochen einspielen.

Das wird aber nicht die dramaturgischen Defizite beheben. Das Musical wirkt wie eine Nummernrevue. Viele Szenen stehen zusammenhanglos nebeneinander. Im Gegenzug wurde die Folterszene mit Wednesday und Pugsley, in der sich der Konflikt kristallisiert, auf Unkenntlichkeit verkürzt.

Für die Überraschungen sorgen Marvin Scott und Brigitte Roth. Der Tenor gibt der amorphen Gestalt des Onkel Fester nicht nur eine überzeugende Stimme. Er macht auch ihm eine echte Person, die zu den wenigen handelnde Gestalten dieser Inszenierung gehören. Seine Partien mit dem Chor der Vorfahren sind die musikalischen Höhepunkte und die treibenden Szenen.

Wo andere in Ungewissheit baden, sprudelt Brigitte Roth als Grandma geradezu vor Energie. Mit fester Stimme und fixen Bewegungen zeigt sie, dass auch 102-Jährige durchaus in der Lage sind, Veränderungen zu bewältigen.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Eine Inszenierung auf Tratsch-Niveau

 Im DT Göttingen bleibt "Der junge Mann" an der Oberfläche Zu viel Narrativ, zu wenig Analyse. Die Inszenierung von Jette Büshel leidet an Oberflächlichkeit. Die Figuren werden nicht ausgelotet. Deswegen war die Premiere von "Der junge Mann" am 3. November zwar unterhaltsam, ging aber nicht unter die Haut. Das ist schade für das Ein-Personen-Stück auf der Studio-Bühne. In der autofiktionalen Erzählung "Der junge Mann" berichtet Annie Ernaux von ihrer zurückliegenden Beziehung zu einem 30 Jahre jüngeren Mann. Das Buch liegt seit dem Frühjahr in deutscher Übersetzung vor und postwenden haben Jette Büshel und Michael Letmathe ein Stück für das DT Göttingen draus gemacht. Strube bereit zur Berichterstattung. Alle Fotos: Lenja Kempf/DT GÖ Der erste Ansatz verpufft gleich. Seit der Ehe von Brigitte Trogneux und Emmanuel Macron haben Beziehungen zwischen älteren Frauen und jungen Männer so gar nix skandalöses mehr an sich. Auch das Duo Klum-Kaulitz hat null S...

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...