Shakespeares "Was ihr wollt" am DT Göttingen
Poesie und Proll,zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Inszenierung von Moritz Beichl. Schräg, schrill und auch derb. Wer Gefallen am „Dinner for one“ findet, dem dürfte „Was ihr wollt“ im Deutschen Theater durchaus gefallen. Für alle anderen hat die Aufführung auch noch ein ganze Reihe von zärtlichen und lyrischen Momenten.Es ist letzte Komödie von William Shakespeare. Der aufkeimende Puritanismus nahm den Briten nach 1600 jeden Spaß am öffentlichen Lachen und verbannte Frauen von den Bühnen. Ob Shakespeare mit dem Verwirrspiel um Liebe und Triebe und Identitäten ein Zeichen setzen wollte gegen diese Entwicklung, das liegt schon nahe. Entsprechend der puritanischen Vorgaben musste seinerzeit ein junger Mann eine Frau spielen, die sich als junger Mann ausgibt.
Das Trio infernale: Toby, Mary und Andy.
Alle Fotos: Thomas Müller
|
Doch während Daniel Mühe als Andrew allzu oft in den Status des Volltrottels abgleitet, gelingt es Gabriel von Berlepsch, dieser Figur noch eine Restwürde zu geben. Sir Toby lässt sich nicht alles Gefallen und zum Ränkeschmieden ist er allemal noch fähig. Als kongeniale Partnerin findet er Felicitas Madl in der Rolle der Kammerzofe Maria.
Auch wenn Madl, Mühe und Berlepsch sich an ihren Figuren und Einfälle mehr als einmal berauschen, so kann man doch gerade bei Sir Toby und Maria immer wieder Gefallen finden an ihren Wortspielen, Andeutungen und Zitate, die weit in die Jetztzeit hineinreichen.
Überhaupt ist nicht viel geblieben von Shakespeares Stabreimen. Jascha Fendel hat das Werk sprachlich entkernt. Das sorgt gelegentlich für deutliche Brüche. Allein der Narr und Haushofmeister Malvolio bleiben dem Duktus und auch der Kostümierung des 16. Jahrhunderts verhaftet.
Sie nehmen dem Malvoilio auf die Schippe. Fotos: Müller |
Christoph Türkay hat auch das Glück der Tradition. Doch sein Malvolio ist getrieben von Eitelkeit und Ehrgeiz. Das bringt Türkay sehr plastisch auf die Bühne. Damit macht er den Kontrast zum gesunden Menschenverstand und führt das Konzept der Pole, zwischen denen man sich orientieren muss, fort. Doch in dieser Inszenierung bekommt die Randfigur ein Gewicht, dass ihr nicht zusteht. Die Bloßstellung des Ehrgeizling droht zum zenralen Motiv der Aufführung zu werden. Das macht sicherlich Spaß, hat aber wenig, was über den Moment hinausweist.
Pole hier und da, Ying und Yang dort. Beichl hat das Geschwisterpaar Viola und Sebastian als Parallelen angelegt. Dies manifestiert sich nicht nur im Text, das wird schon deutlich, all beide im Takt über die dreigeteilte Vorbühne hüpfen.
Ist dies der Gleichklang der Herzen in einer lebenslänglichen Beziehung? Dieses Motiv wiederholt sich in der Vorstellung mehrfach. Wie schmal der Grad sein kann, macht Gaia Vogel in der Rolle der Gräfin Olivia deutlich. Ihre Trauer um den verstorbenen Bruder steigert sich in dieser Inszenierung nicht ins Entrückte sondern ins Inzestöse.
Dazu gelingt es Beichl und Vogel, dieser Figur neue Dimensionen zu geben. Ihre Olivia ist keine Madonnengleiche Abgöttin sondern eine Frau, die gelegentlich von den Anforderungen, die an sie gestellt werden, und von den Begehrlichkeiten, die sie weckt, erdrückt wird. Immer wieder gruppiert sich ihr Hofstaat so eng um sie, dass ihr keine Luft zum Atmen bleibt. Fast möchte man mit ihr weinen. Damit wird die Zuneigung zum vermeintlichen Jüngling Cesario zum Auswege aus zwanghaften Verhältnissen.
Doch den besten Balanceakt bringt Judith Strößenreuter auf die Bühne. Sie schafft die Wechsel zwischen Viola und Cesario wunderbar. Erst verzweifelt und verletzlich und dann im nächsten Moment bestimmt und selbstbewusst spielt Strößenreuter hier ihren breites Repertoire an Mimik, Gestik und Stimme aus. Die zarten Duette mit Volker Muthmann als Orsino sind voller Poesie und Zauber und kontrastieren wunderbar zum derben Treiben von Madl, Mühe und Berlepsch.
Kurze Momente des Glücks. |
Zuletzt hatte Mark Zurmühle 2013 "Was ihr wollt" auf die Bühne des DT Göttingen gebracht. Diese Inszenierung war von Elfen und Empathie geprägt. Diesen Vorwurf kann man Beichl sicher nicht machen. Während Zurmühles Werk wie ein langer ruhiger Fluss wirkte, ist die aktuelle Inszenierung eher der Whirlpool im Käfig voller Narren. .
Material #1: Deutsches Theater Göttingen – Der Spielplan
Material #2: Was ihrwollt – Die Inszenierung
Material #3: William Shakespeare – Die Biografie
Material #4: Was ihr wollt – Das Stück
Material #5 Was ihr wollt - Die DT-Inszenierung von 2013
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen