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Eine Schublade voller Träume

Domfestspiele 2018: Abheben mit Peter Pan

Die Antworten auf die Fragen, was witzig und was sehenswert ist, kann die Generationen spalten. Nicht so beim Familienstück der Gandersheimer Domfestspiele 2018. Peter Pan in der Inszenierung von Sarah Speiser lässt Große träumen und Kleine wachsen. Es ist ein komplettes Werk, dass nicht  nur die Sonnenseiten zeigt. Neid und Missgunst werden nicht ausgespart.

Aber es ist vor allem der Kinderzimmer-Charme, der diese Inszenierung so zauberhaft macht. Das Ausstattung von Karen Briem und Sandra Becker wirkt, als wäre sie gerade eben erst entstanden, als wäre hier eine ganze Menge kindlicher Fantasie am Werke gewesen.

Alles, was es braucht, ist ein wenig Vertrauen, Zuversicht, ein bisschen Feenstaub und ein wenig Mobiliar. "Mach die Schublade mit deinen Träumen auf, lass sie raus und bau' mit dem Küchentisch ein Piratenschiff". So lautet die Botschaft.

Der härteste aller Kritiker ist wieder Zuhause. 
Alle Fotos: Kügler
Das Schiff des Bösewicht Capt'n Hook wirkt wie selbst gezimmert, das Krokodil ist eindeutig ein Kett-Car und die Betten werden auch zweckentfremdet. Das nimmt das Publikum quer durch alle Altersklasse mit auf die Reise nach Nimmerland.

Die ist vor allem rasant. Trotzdem schafft Sarah Speiser die Gratwanderung. Ihr Peter Pan kippt nicht in den Klamauk ab. Das ist so überzeugend, dass der härteste aller Kritiker mit der gebotenen Ernsthaftigkeit an sein Werk geht.

Ja, doch, der härteste aller Kritiker war mal wieder bei den Domfestspielen. "Mein Wohnzimmer", wie er sagt und das schon seit fünf Jahren. Auf jeden Fall gab der Reich-Ranicki des Kinder- und Jugendtheaters vier von fünf Sternen für diese Inszenierung.

Er musste zugeben, dass es viel zu lachen gab und er eben auch entgegen der Kritikerwürde viel lachte. Egal, ob nun Pudel, Wolkenmobil oder Krokodil, die Vielzahl an Einfällen überzeugten ihn. Obwohl er ja in seinem fortgeschrittenen Alter eigentlich viel zu erwachsen ist für so ein Theater, meint der härteste aller Kritiker. Aber was soll da erst der Vater des Kritikers sagen?

Es sind die beiden Pole, die diese Inszenierung tragen. Peter Pan ist nicht nur der Kampf gegen das Erwachsen werden, es ist auch der Kampf zwischen Gut und Böse. Mit Stephan Luethi und Marco Luca Castelli hat  Sarah Speiser  die ideale Besetzungen für Peter Pan und Capt'n Hook gefunden.

Peter Pan muss mal ein ernstes Wörtchen mit
Glöckchen reden.
Brust raus, Kopf hoch und deutlich gesprochen. Luethi scheint die personifizierte Lebensfreude. Sein Spiel ist fast atemlos und selbst die Erwachsenen nehmen ihm dem Pan ab. Die Kinder sowieso, weil Luethi ganz offensichtlich Spaß an dieser Figur hat und diesen Spaß auch vermitteln kann.

Ähnlich gilt wohl auch für Castelli als Hook. Vor allem schafft er immer wieder den Umschwung zwischen den zu tiefst bösen Piraten und den Krokodil-Phobiker. Mal ganz große Geste und starke Worte, dann aber wieder so klein mit Hut. Da fragt sich manch Erwachsener, ob nicht solch ein Exemplar wie diesem Piraten-Boss auch in seiner Chef-Etage hat.

Aber die meisten Lacher produziert Florentine Kühne als Glöckchen. Vielleicht gebührt ihr auch die meiste Anerkennung, denn trotz der Beschränkungen ihrer reduzierten Texte schafft sie es, die recht zweifelhafte Fee und ihre Motive allein durch Gestik und Mimik so darzustellen, dass auch Kinder ihr mühelos folgen können. Wenn sie wütend sein soll, dann ist sie auch wütend. Jeder kann das sehen. Einfach großartig.

Letztendlich fügt sich auch hier alles zum guten Schluss. Das Happy End ist programmiert und trotzdem verstehen Kinder, Eltern und Großeltern, dass immer in Nimmerland zu leben doch recht anstregend sein kann. Erwachsen oder nicht, Hauptsache ist, dass man weiß, wie man die Schublade mit den eigenen Träumen öffnet. 






Material #1: Gandersheimer Domfestspiele - Die Geschichte
Material #2: Gandersheimer Domfestspiele - Offizielle Website
Material #3: Peter Pan - Die Inszenierung

Material #4: Sarah Speiser - Offizielle Website

Material #5: Peter Pan  - Die Geschichte
Material #6: James Matthew Barrie -  Der Autor



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Der härteste aller Kritiker - Teil eins
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