Sonntag, 14. Juli 2013

Jubilierende Hörner und Violinen im Dialog

Dresdner Kapellsolisten feiern Sommerfest im Kloster Walkenried

Sofort sind sie da, die beiden Hörner. Mit enormen Präsenz jubilieren Michael Schneider und Klaus Gayer das Allegro aus Vivalds Concerto per l'orchestra di Dresda und füllen den Kreuzgarten im Kloster mit Klang. Besser kann man einen Sommerabend nicht beginnen.
Die Dresdner Kapellsolisten sind wieder zu Gast in Walkenried. Dresdner Klangpracht heißt das Programm und mit diesen Auftritt untermauern sie ihren Anspruch, zu Deutschlands besten Barock-Ensembles zu gehören.
Auf die Hörner antwortet das Ensemble. Vivaldis Concerto ist ein Beispiel für barocke Tutti-Solo-Architektur. Neben den Blechbläsern kommen die Violinen, die Oboen und das Fagott zur Geltung. Im zweiten Satz streichelt Susanne Branny die weichen Passgen des Grave aus ihrer Violine, ehe der dritte Satz wieder das lebehafte Tutti feiert.
Es gibt keinen besseren Ort für Barockmusik
im Landkreis Osterode. Foto:tok
Leider ist Guiseppe Torellis Sinfonia D-Dur sehr kurz gehalten,so dass Mathias Schmutzler nur wenig Gelegenheiten hat, seinen Solotrompete zu entfalten mit seinen präzisen und kraftvollen Tönen. Immerhin gehört er zu den Besten seines Fachs. Aber zum Abschluss wird er bei Händels Wassermusik wieder die Bretter betreten, um wieder genussvoll in den Dialog mit den anderen Blechbläser und den Streichern zu treten.
Bach Concerto d-Moll gehört ganz den Streichern. Erst bilden Susanne Branny und Jörg Kettman an den Solo-Violinen eine Klangeinheit, bis sie dann Largo ma non tanto in ein Zwiegespräch eintreten, fast in ein Liebesduett. Ein wunderbarer Frieden strömt durch den sommerlichen Klostergarten, ehe im Allegro das Tutti wieder kräftige Akzente setzt.
Der zweite Teil des Abends beginnt mit dem selten gespielten Jan Dismas Zelenka. Der Zeitgenosse Bach arbeitet als Streicher und Komponist am Dresdner Hof. Seine Sinfonia a otto, seine Sinfonie für acht Stimmen, bietet ausgiebige Solo-Partien. Der Böhme im Dienst der Sachsen gab so den Instrumenten eine Stimme, die sonst in der zweiten Reihe stehen. Das Andante wirkt wie ein andauerndes Solo für Oboe, Fagott, Basso Continuo, Cembalo und Violine. In der Aria die Capriccio kommt es gar zum Dialog zwischen dem warmen weichen Fagott und der näselnden Oboe. Erik Reine zeigt dem Publikum, dass das große Holzblasinstrument keineswegs statisch ist sondern munter durch einen Sommerabend hüpfen kann. Man könnte meinen, Zelenka hat seine Sinfonie den Dresdnern auf den Klangkörper geschrieben. Dieses Werk kommt nur dann zur Geltung, wenn es von einem Ensemble erstklassiger Solisten gespielt wird.
Zu den hervorragenden Musikern gehört auch ein führender Kopf. Helmut Branny arbeitet am Pult zwar mit deutlichen Gesten, bleibt aber dennoch zrückhaltend in der Körpersprache. Er ist mehr Reiseleiter durch die Klangwelten als ein Dirigent. Als primus inter pares gibt den Applaus an seine Solisten weiter. Er liebt den unvergleichlichen Spielort und die Freude am Tun merkt man ihn an, diese Freude übertragt sich auf das Ensemble und diese Freude übertragt sich letztendlich auf das Publikum.
Höhepunkt des Abends ist die zweite Suite aus der Wassermusik von Georg Friedrich Händel. Hier sind sie wieder, die Hörner und die Trompeten. Mit barocker Klangpracht füllen die Blechbläser den Innenhof den Kreuzgarten. Die anderen Ensemblemitglieder tragen ihren Teil dazu bei und der Innenhof des Klosters Walkenried quillt über vor musikalischer Fülle. Grandios wird das Alla Hornpipe. Die Streicher entwickeln ein Thema, reichen es an die Trompeter weiter und diese werfen den Hörnern den musikalischen Ball zu. Das verlangt geradezu nach Zugabe.
Als in der zweiten Zugabe das Publikum das Angebot wahrnimmt und zum Abendlied "Der Mond ist aufgegangen" mitsingt, da ist klar: Besser kann ein Sommerabend nicht enden.

Die nächsten Konzerte

Die Dresdner Kapellsolisten.



Montag, 8. Juli 2013

Das Glück im Unglück suchen

Der Fliegende Holländer als Abhängigkeitsstudie

Wagners Singspiel ist nicht ein Drama um einen verfluchten Kapitän. Bei den Schlossfestspielen in Sondershausen wird die Oper zur Tragödie weil die Heilserwartungen nicht aufgehen können-Alle suchen Glück und Erlösung, das kann nicht gut gehen. Getragen wird die Aufführung des Nordhäuser Ensembles bei den Schlossfestspielen vor allem von einer starken musikalischen Leistung des Orchesters, dreier Sänger und Kathleen Parker als Senta. Auf dieser Basis kann Toni Burkhardt in seiner Inszenierung eine neue Seite bei Wagner aufschlagen, die vor allem die Abhängigkeiten der Handelnden in den Vordergrund stellt
Schon im Präludium begeistert das Loh-Orchester mit Dynamik und malt das kommende Unglück musikalisch in die Sommernacht. Vor allem das präzise Zusammenspiel im Dialog mit den Sängern zeigt das Ensemble unter der Leitung von Markus Frank seine ganze Klasse. Kraftvoll, wenn es kraftvoll sein muss, leise, wenn Zurückhaltung geboten ist und nie in den Vordergrund drängend. Mit den operettenhaften Teilen im zweiten Akt wiegt das Orchester das Publikum in kurzen Augenblicken der Freude.
Da zieht ein Sturm herauf. Fotos: Graner
Senta, Tochter des Kapitän Daland, gehört in der Sonderhausener Inszenierung die erste Szene. Allein tanzt sie gegen die Gemeinschaft die Gruppe der  Seleute und der Dorfbewohner an. Es ist deutlich, sie gehört nicht zur grauen Masse und sie will hinaus aus der Enge der norwegischen Provinz. Diese Senta ist kein Leidensträgerin oder sondern bereit, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Dann folgt die Aufführung wieder dem Wagnerschen Erzählstrang.
Daland ist ein erfolgreicher Kapitän und nun mit seinem Schiff auf den Weg in die Heimat. Seine Mannschaft hat er fest im Griff, er ist die Nummer eins und nur die Naturgewalten können ihn aufhalten. Dies macht Roger Krebs in der Rolle des norwegischen Kapitäns deutlich, ohne in eine Karikatur zu verfallen. Da passt einfach alles. Nur hat Sonja Hesse ihm nicht die Kleidung eines Seemanns zugestanden, sondern ihn in die Gewänder eines saturierten Unternehmers des 19. Jahrhunderts gesteckt. Denn Daland ist eben auch ein Kaufmann, der am Ende des ersten Akts seine Tochter verschachert. Er gibt vor an ihr Glück zu denken, meint doch aber nur das eigene.
Festgefahren in den Kodex und die Verhaltensmuster seines Standes und seiner Generation verliert er die Kontrolle, als er auf den Holländer trifft. Kai Günther erscheint in der Titelrolle eher als ein Racheengel. Während seiner Gesang das Publikum mitnimmt auf die Reise in die erhoffte Erlösung, bleibt seine Minenspiel in der Kategorie „Grimmig“ verhaftet. Das ändert sich auch nicht als er auf Senta trifft. Vielleicht ist er wegen fortgesetzter Unfreundlichkeit verdammt? Aber der Holländer will keine Liebesbeziehung, er hat ein Geschäft abgeschlossen: Erlösung gegen Geschmiede. Und Senta hat auch einen Tausch vor: Gefolgschaft gegen Befreiuung aus kleinlichen Verhältnissen. Ist das noch Interdependenz oder liegen hier schon Ko-Abhängigkeiten vor?
Kai Günther und Kathleen Parker sind die
Schicksalsgemeinschaft Holländer - Senta.
Damit wäre die Schicksalsgemeinschaft perfekt, wenn da nicht der enttäuschte Liebhaber wäre. Doch Joshua Farrier ist kein wilder Jäger aus Norwegens Wäldern, sondern ein Sachwalter der bestehenden Verhältnisse, ein verhinderter Held mit Ärmelschonern. Man will ihm das versprochene Glück nehmen und selbst dagegen kann er sich nicht wehren.
Mit der Ausstattung holt die Sonderhausener Inszenierung Wagners Oper aus dem Historizismus und macht sie zu einem Stück über Zwang und Gegenwehr, über die Flucht aus beengenden Verhältnissen. Das die Situation so ist, daran lässt schon das Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning keinen Zweifel. Alles ist Schiff und von einer Reeling umgeben. Liegt dort ein Mastbaum quer oder ist es ein Kreuz?
Mit dem „Fliegenden Holländer“ begann Richard Wagners Aufstieg und viele sehen darin den Beginn des Musikdramas. Mit dieser Inszenierung haben Toni Burkhardt, das Nordhäuser Ensemble und das Loh Orchester Sondershausen das Werk fortgeführt und Fragen gestellt, die auch schon der Komponist stellte. Damit haben sie Wagner neu interpretiert und Verhältnisse und Verhaltensmuster aufgezeigt, die heute noch aktuell sind.

Die nächsten Aufführungen bei den Schlossfestspielen finden am 12., 13., 14, 19. und 20. Juli statt.

Karten und Beschreibung gibt es hier.