Eine Oper über King George und Barock-Star George F. Händel
Ist das die Zukunft der Oper? In einer wohl dosiert schrägen und schnellen Produktion erzähltdasTrio Elena Kats-Chernin, Axel Ranisch und Danya Segal am TfN von der schwierigen Beziehung zwischen dem englischen König George und seinem Hofkomponisten Georg Friedrich Händel. Es gelingt ihnen eine moderne Oper, die nicht verstört, sondern unterhält und trotzdem einen Wendepunkt in der Musikgeschichte erklären kann. Alles mit einem Schmunzeln und einen Musikmix, der Barock, Jazz, Tango und Rap vereint und die Erzählweise des 21. Jahrhunderts aufgreift.
Zur Ausgangslage: Der Welfenherzog Georg hat seinen Hoflkomponisten Georg Friedrich Händel einst mit nach London genommen. Dort entwickelte sich der Deutsche zum ersten Pop-Star der Musik-Geschichte und solange er seinen König mit immer neuen Opern "beliefert" bleibt er auch der Favorit seiner Exaltiertheit. Doch dann kommt es zur Krise und fast zum Zerwürfnis zwischen King George und seinem Composer George. Aber zum Schluss wird alles Gut und das Publikum erlebt die Wiedergeburt Händels als Komponist unvergänglicher Werke.
Zweimal George und zwei Lakaien. Alle Fotos: TfN |
So frei kann Heiko Pinkowski nicht aufspielen, aber die Rolle des Hofkomponisten George Handel ist eben so angelegt. Erst ist es der Druck des strengen Vaters, dann ist der Musiker den Erwartungen des Arbeitgebers ausgesetzt. Händel steht immer unter Zugzwang und Pinkowski kann dies deutlich machen, besonders als es zur Krise kommt, als der King eben mal was neues will. Immer nur Oper mit Kastratengesang, das geht doch auf Dauer auf keinen Hermelin.
Kats-Chernin und Ranisch ist es gelungen, den Umbruch in Händels Leben nach der Pleite der Opernakademie nicht zu einer trockene musikhistorischen Abhandlung zu machen, sondern sie als Roadmovie auf die Bühne zu bringen. Händels Sinnsuche in Italien wird zur Casting-Show, in der auch mal gerappt wird, in der angemacht wird und in der Muttersöhnchen im Weltmusik-Look vor sich hinpiepsen dürfen. Georg Friedrich Händel und Dieter Bohlen, eigentlich trennen nur knapp 200 Jahre. Die Unterschiede zwischen dem Musik-Biz damals und heute sind wohl rein äußerlich und Händel war eben der Pop-Titan des Barock. Es ist davon auszugehen, dass Händel an dieser Deutung seinen Spaß gehabt hätte.
Casting-Shows waren schon damals eine Herausfor- derung. Foto: TfN |
Diese Inszenierung lebt auch von den optischen Gegensätzen. Der barocken Opulenz der meisten Kostüme hat Steffen Lebjedzinski ein klares und reduziertes Bühnenbild entgegengestellt. Ein Rampe, ein paar Möbel und ein Vorhand, alles in kräftigen Farben. Da ist nicht mehr als unbedingt sein muss und das erlaubt die Konzentration auf die Personen und die Handlung. Die Ausstattung geht eine wunderbare Symbiose mit dem Licht-Design von Alexander Koppelmann ein. Wenige Meter neben dem Spot-Licht herrscht schon Dunkelheit. Strahlender Glanz neben Finsternis, Ambivalenz und Vielschichtigkeit der Person als Sache des Lichts, eine deutliche Aussage.
In der Not hilft manches Mal eine Partie Skat. |
Ist das die Zukunft der Oper? Auf jeden Fall ist es ein Weg, der Kulturschaffenden und Kulturkonsumenten Genuss auf vielen Ebenen verschafft. Wer der alten Dame Oper neue Jünger verschaffen will, der muss sich auf solche Varianten wie "George" einlassen.
Zum Schluss stellt man sich die Frage, ob es schade ist, dass diese Produktion schon nach neun Aufführungen beendet war oder ob man sich freuen sollte, solch etwas Einmaliges erlebt zu haben. Ich habe mich für die zweite Frage entschieden und sage eindeutig: Ich freue mich, dass ich so etwas Einmaliges erleben durfte.
Das Interview mit Jochen Kowalski zum Spaß am "George"
Jochen Kowalski im Kreuzgang Walkenried