Konzert mit vielen Genussmomenten: Niniwe im Kreuzgang Walkenried
Es braucht ganz zwei Tage Arbeitswelt und Berufsverkehr, um einen aus der Tiefenentspannung der Festtag herauszutreten. Es braucht lediglich zwei Minuten niniwe, um wieder in dieses Paradies einzutreten. Bei ihrem Konzert am Donnerstag im Kloster Walkenried gaben die vier Vokalartistinnen dem Publikum jenen Zauber der weihnachtlichen Friedfertigkeit zurück.Es war nicht "some procedure as every year". Statt Kaffeehausorchester oder Amarcord durften das Quartett aus Berlin erstmals die Spielzeit der Kreuzgangkonzerte beschließen. Es hat sich schlicht und einfach gelohnt. Ensemble und Programm passten zu Zeit und Ort. Die reduzierte Aufführung schuf den nötigen Raum für die Rückbesinnung.
Konzentration auf das Wesentliche, das ist das Konzept der vier Sängerinnen und der Arrangements von Winnie Brückner. Keine Lichtspiele und auf Showeinlagen muss man wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Hier spricht die Musik für sich: Vier Stimmen in perfekter Abstimmung. Dafür gab es auch auf internationalen Bühnen zahlreiche Auszeichnungen.
Winnie Brückner (vorne) ist das Mastermind bei niniwe. Fotos: Kügler |
Kein Beatboxen, kein Barbershop, keine duub-duub --- duub-duub-Linien und auch keine imitierte Rhythm-Section. Niniwe setzen ganz auf Melodie und Harmonie. Damit gehen sie eine Symbiose mit dem Klanggewohnheiten des Kreuzgang ein. Das erzeugt diese wohltuende Innerlichkeit.
Auf dieser Basis kommen Sängerinnen und Publikum sehr gut durch den ersten Teil. Darin finden sich gregorianische Gesänge genau so wie europäische Volksweisen und Pop-Songs. Die Bearbeitungen durch Brückner lassen die Vielfalt in der Einheit bestehen.
Erst beim Bach-inspirierten "O Jesulein zart" zeigen die Damen, dass sie auch anders können. Jetzt zeichnet sich doch eine leichte duub-duub --- duub-duub-Linie am Horizonte ab, locker und leicht klettert Hanna Schellmann gescatete Tonleitern hoch und runter. Bach verträgt doch jede Menge Jazz.
Auch beim schwedischen Staffansvisa wird es noch ein mal rhythmischer. Die Sängerinnen schaffen es sogar, die so typischen Drehleiern zu imitieren. Den Höhepunkt im ersten Teil setzt Winnie Brückner mit ihrem Solo beim Gloria in Cielo. Es schwingt sich an den Säulen des Kreuzgang empor und verhallt dort in luftiger Höhe ganz langsam im weiten Raum. Es war eine weise Entscheidung, auf Mikros und Verstärker zu verzichten.
Hier zeigt sich Einkehr und Innerlichkeit ohne Religiosität. Das kommt aus tiefster Seele und kann auf den theologischen Diskurs verzichten. Besser kann man einen "Augen-zu-und-einfach-genießen"-Teil wohl nicht besser beenden. Nach der Pause gibt es das Kontrastprogramm. Nun zeigen die Damen, warum sie unter dem Label Jazz firmieren.
Im zweiten Teil gab es nicht nur anderes Licht sondern auch ein wenig Bewegung. fotos: Kügler |
Höchst komplex wird es beim Spinnin' Wheel. Lena Sundermeyer macht im Solo jede Volte mit, die Blood, Sweet & Tears hier einst schlugen. Bach verträgt Jazz, aber Grieg auch. Hanne Schellmann besingt Solveig's Sang lyrich, geradezu elfengleich. Doch das ist nur ein Täuschungsmanöver. Schon in der zweiten Strophe klettert sie wieder Tonleitern rauf und runter, während die Mitsängerinnen für den Rhythmusteppich sorgen.
Es ist Winnie Brückners Credo, dass es nicht darum geht, die Kriterien einer Musikgattung zu erfüllen, sondern viel darum, den Geist, die Aussage deutlich zu machen. Wenn Ausdruck auch noch auf Kunstfertigkeit trifft, dann bleiben keine Wünsche offen.
Es gibt Konzerte, danach kann man nicht nur den ärgsten Feinden sondern sogar den engsten Verwandten verzeihen. Manchmal auch den Kollegen. Dieses war so eins.
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