Samstag, 17. März 2018

Ein Yeti in Afrika

Impro-Theater mit Acker Nordhausen

Im Improvisationstheater hat Konjunktur. Warum, das zeigte die Premiere von "Acker Nordhausen" im Theater unterm Dach. Auf jeden Fall war die Premiere am Sonnabend ein voller Erfolg.

Wie schreibt man eine Kritik zu einer Vorstellung, die einmalig ist, die es so nie wieder geben wird? Am besten wohl gar nicht. Oder man beschränkt sich auf eine Schilderung dessen, was ImproTheater, wie die Eingeweihten sagen, so ausmacht und worin für den Zuschauer und für die Zuschauerin der Reiz besteht.

Also vorweg, keine Vorstellung ist reproduzierbar.  Das liegt daran, dass  das Publikum ein wichtiger Teil ist. Ach ja, das Publikum. Es ist der Motor der Veranstaltung. Nein, nicht der Motor sondern eher die Gangschaltung. Es legt per Akklamation die  und die Akteure fest. Damit nimmt es Einfluss auf das Tempo, ohne aber zu wissen, wohin die Reise geht. Damit sind die Grenzen zwischen Darstellern und Zuschauern aufgehoben.

Auf geht's, Acker Nordhausen.
Foto: TNLos Drobi
Wie unwahrscheinlich es ist, dass dieselben Leute dieselben Zwischenrufe in derselben Reihenfolge zweimal machen, darüber kann nur der zweitgrößte jemals gebaute Computer aus dem "Hitchhicker's Guide to the Galaxy" spekulieren. Damit ist eine Premiere und jeder weitere Auftritte ganz dem Hier und Jetzt verhaftet. So weit so gut.

Dann ist da noch das Lenkrad und das heißt an diesem Abend Christian Georg Fuchs. Er erläutert die Vorgehensweise, siedelt sich irgendwo zwischen Animateur und Referee an und achtet darauf, dass die "Fünf, vier, drei, zwei, eins, Klatsch und los geht es"-Regel auch eingehalten wird. Er gibt die Rahmenbedingungen vor, ob Dialog, Triplette und Vierer-Gespräch. Ganz so frei ist das Spiel dann doch nicht. Aus den Zurufen des Publikums wählt er aus.

Er bleibt aber ernst und glänzt mit trockenen Humor und ein wenig Ironie. Schließlich hat sich ja die Fan-Base auf die Tribüne geschlichen und die muss ausgebremst. Damit baut Christian Georg Fuchs einen netten Kontrast zum überdrehten Ambiente an diesem Abend. So in etwa funktioniert auch das Animationsprogramm auf einem Ausflugsdampfer.

Ach ja, dann sind da ja auch noch die Darsteller: Zehn Jugendliche aus dem Theaterjugendclub. Erstaunlicherweise gibt es ein männliches Übergewicht. Jeder und jede bekommt eine Nummer und wird dadurch zum ausführenden Organ.

Also, nach all diesen theoretischen Erwägungen, Analogien und Vergleichen, nun zur Praxis: Es macht einfach Spaß.

Im Laufe des Abends bevölkern ein wahres Panoptikum die Bühne im Theater unterm Dach und egal, wer auftritt, es sind fast nur Situationen am Rande des Merkwürdigen. Es ist nicht immer brüllend komisch. Es gibt Piloten und Stewardessen und auch ein afrikanischer Yeti spielt eine kleine Rolle.

Das ist nicht die Aufstellung der üblichen Ver-
dächtigen sonder der Akteure.    Foto: Drobi
Vieles entspringt der reinen Fantasie und in einigen Beipsilen spiegelt sich auch überdrehte Alltagserfahrung mit. Trotzdem ist es bewundernswert, mit welcher Geschwindigkeit die Darstellerinnen und Darsteller eine skurrile Situation an die andere Reihe.

Das klappt nicht bei jeder Aufgabe gleich gut, manchmal stockt das Spiel und ringen die Akteure sichtbar um den nächsten witzigen Einfall. Es ist halt Theaterjugendclub. Aber dennoch spricht es für die exzellente Arbeit, denn nichts verlangt so viel Vorbereitung wie die Spontanität.

Welche Tücken dieses Model haben kann, zeigt sich aber auch. Aus dem sicheren Dunkel heraus fordern die Zuschauer eine Szene mit einem Drogendealer. Die vier Jugendlichen haben sichtbare Bauchschmerzen mit dieser Szene und nehmen die Herausforderung an. Das Ergebnis ist dementsprechend nur bedingt witzig.

Aber das ist der einzige Hänger an diesem Abend. Spaß haben aber alle. A
lso bleibt zu hoffen, dass es noch viele Abende mit Acker Nordhausen geben wird.




Material #1: Der Theaterjugendclub
Material #2: Acker Nordhausen
Material #3: Spielplan am Theater Nordhausen




Sonntag, 11. März 2018

Viel gewagt, viel gewonnen

Timo Vollbrecht und Fly Magic im KVHS Forum

Das war sicher ein Konzert Rande der Hörgewohnheit,Musik irgendwo zwischen Fusion und Free Jazz. Aber zum Schluss waren alle zufrieden. Nach donnernden Applaus gab es noch eine Zugabe aus der Kategorie konventionell.

Den Jazzfreunden Osterode eilt der Ruf voraus, doch eher dem Dixie und Skiffle zugetan zu sein. Nun mal dahingestellt, ob dies stimmt, das Konzert mit Timo Vollbrecht und seiner Combo war durchaus risikobehaftet. Doch der Zuspruch war erstaunlich groß. Etwa 100 Experimentierfreudige fanden sich im Forum der KVHS zusammen. Am Ende war der Abend ein Gewinn für alle.

Das lag nicht nur daran, dass der Saxofonist und seine Band zu den Großen des Genres gehören. Es lag auch daran, dass das Publikum bereit war, sich mal auf Neues einzulassen.

Timo Vollbrecht hat sich mit der Zeit gewandelt.
Alle Fotos: Thomas Kügler
Bei seinem letzten Besuch in Osterode war Vollbrecht Mitglied von Gerry Getz Chet, seitdem hat er das Label Cool Jazz weg. Doch das war einst. Mit Drums, Bass, Gitarre, Saxofon und Loop Machine produziert auch Fly Magic einen Klangteppich, der das Publikum wie eine Decke hüllt. Doch diese Decke kratzt an einigen Stellen.

70-er statt 50-er Jahre. Es ist Musik irgendwo auf der Grenze zwischen Fusion und Free Jazz, eher Theolonius Monk als Chet Baker. Zwar bleibt die Atonalität in weiter Ferne aber in dem Tonreihen der Solo-Instrumente lässt sich nur auf den zweiten Blick eine Melodie erkennen. Dies gibt den Zuhörern aber die Gelegenheit selbst frei zu assozieren.

Dazu spielt Keisuke Matsuno eine Gitarre, die sich am Frank Zappa der 70-er Jahre orientiert. Effektgeräte hintereinander geschaltet, viel Phaser und sehr viel Reverb. Es ist schwierig, einzelne Töne auszumachen, der Eindruck zählt. Die rockigen Einlagen machen den Fusion-Anteil an diesem Abend aus. Dem Publikum gefällt es allemal.

Dazu spielt Sebastian Merk ein Schlagzeug, das nicht dem Rhythmus dient sondern eher assoziativ wirkt. Vieles scheint zufällig und ist doch passend und kalkuliert. Dabei bleibt Merk aber unaufdringlich und im Hintergrund. Die Leichtigkeit des Seins mit dem Schlagzeug gewissermaßen.

Doch sein Drum-Solo im zweiten Set gehört ohne Frage zu den Highlights an diesem Abend. Aus dem zufälligen Begleitinstrument wird der Rhythmuskönig.

Einzig Sam Anning am Bass gibt dem freien Spiel der Solo-Instrument die Struktur. Er ist die reduzierte Rhythm-Section und bleibt zurückhaltend. Dass er auch anders kann, das zeigt der Australier am Ende des zweiten Sets. Warum nicht schon früher?

Eine recht rockige Gitarre. 
Der Eindruck zählt. Der Klangteppich gibt die Impressionen der Fly-Magic-Touren durch Asien wieder und erzählt mit Tönen von den Menschen, die sie unterwegs getroffen haben. Der Klangteppich wird zum fliegenden. Erst im dritten Song kehren Vollbrecht und seine Musik zu gewohnten Strukturen zurück. Da sind aber schon mehr als 20 Minuten vorbei.

Zu diesem Zeitpunkt haben sich Publikum und Musiker schon längst gefunden. Das Rezept von Fly Magic funktioniert und so gibt es bereits zur Pause reichlich Applaus. Nach der Pause weiß man, was man voneinander zu erwarten hat. Doch der Ausschlag auf dem Applausometer steigt von Stück zu Stück. Mit dem letzten Song "Schaumburg" sind Musiker und Besucher wieder auf dem Klangteppich unterwegs. Es ist auf jeden Fall entspannt. Erst mit der Zugabe kehren sie in gewohntes Fahrwasser des Jazz zurück.  Auf jeden Fall gibt es viel Applaus für diesen Ausflug in ungewohnte Gefilde.




Material #1: Die Website der Jazzfreunde Osterode
Material #2: Timo Vollbrecht bei Jazzthing
Material #3: Timo Vollbrecht in der wikipedia
Material #4: Die offizielle Website




Mit Bildern in die Balance gebracht


Ramser inszeniert Köck: Ein Füllhorn an Einfällen

Mit "paradies fluten" hat Thomas Köck ein neues Genre geschaffen: Das Öko-Drama. Das Deutsche Theater zeigt nun den ersten Teil der Klimatriologie. Die Inszenierung von Katharina Ramser stellt der Flut an Text beeindruckende Bilder an die Seite. Damit kommt das Stück in die Balance.

Man wird den Eindruck nicht los, dass Autor Köck von der Ambition "Ich erkläre die ganze Welt in einem Stück" getrieben wurde. Auf jeden Fall baut er auf drei Strängen auf. Diese sind nicht miteinander verwoben, sondern verlaufen parallel. Nur gelegentlich tauchen die missing links auf. Das Publikum ist gefordert, die Verknüpfungen, die kausalen Zusammenhänge zu finden. Damit hat Katharina Ramser erfolgreich die Gefahr umschifft, der "Ich erkläre euch die Welt"-Versuchung zu

Auch die letzten Menschen müssen sich noch filmen.
Alle Fotos: Thomas Müller
Als der Vorhang aufgeht, hängen fünf verrenkte Körper von der Decke. Sonst herrscht Dunkelheit. Es scheint, als hätte man hier ein Gemälde von Hieronymus Bosch auf das Minimum, auf das Wesentliche reduziert. Nun geht, es um nichts weniger als den Weltuntergang und da schaut man gern mal gebannt zu.

Zu entspannten elektronische Tönen erzählen Stimmen aus dem Off, wie die Menschen von den Fluten in den Abgrund gerissen wurden. Mit dem Schmelzen der Polkappen haben die Menschen sich die zweite Sintflut selbst zuzuschreiben. Dann tauchen Gerd Zinck und Nikolaus Kühn als "Der von der Prophezeiung vergessene" und als "Der von der Vorsehung vergessene" auf. Am Ende der Rationalität flüchtet das Theater in eine neue Religiosität.

Sie wirken wie Estragon und Wladimir. Doch ihr Godot wird ganz bestimmt nicht kommen, denn die Vergessenen sind die letzten Beiden der Menschheit und das wissen sie auch. Am Ende der Rationalität wendet sich die Regisseurin wieder dem absurden Theater zu. Angesicht der Flut morg und angesichts der Atombombe gestern scheinen die Situationen wohl vergleichbar.

Nikolaus Kühn und Gerhard Zinck werden mit der letzten Szene auch den Schlusspunkt setzten. Damit ist klar, dass es kein Entrinnen gibt.

Darin eingebettet entwickelt Ramser die beiden anderen Stränge. Da ist Familie Namenlos irgendwann in den Frühzeiten des Turbokapitalismus. Der Vater will den Aufstieg schaffen und sich selbstständig machen mit einer Kfz-Werkstatt und mit einem Reifenhandel. Nicht mehr Arbeiter sein, das ist sein Motiv. Florian Eppinger vermittelt dieses mit einer kleinbürgerlichen Beharrlichkeit, die später in schiere Ratlosigkeit umschlagen wird. Eppinger kann aber auch den geistigen und körperlichen Zerfall des gescheiterten Kleinstunternehmer fast greifbar machen.

Doch es ist eine Selbstständigkeit am Rande de Existenzminimums. Die Mutter rebelliert und kann sich doch nicht durchsetzen. Deswegen antwortet Angela Strube nur in Ton der kalten Wut.

Die Grauen Herren haben alle im Griff.
Alle Foto: Thomas Müller
Streit durchzieht die Familie und nur der Großvater könnte vermitteln. Doch der ist vom alten Schlage und versteht nicht so recht, was dort vor sich geht. Mit sparsamer Gestik  vermittelt Paul Wenning genau diese Hilflosigkeit.

Die Tochter möchte Tänzerin werden, doch das ist finanziell eigentlich nicht drin. Sie wird es doch und schlägt sich als Ich-AG durch den Theaterbetrieb. Mit Querfinanzierungen löst sich die Tickets für eine bessere Zukunft, die sich aber nicht einstellen wird. Zum bösen Schluss schiebt sie Vater und Mutter in das Pflegeheim ab und verkauft deren Haus.

Kapitalismus isst Familien auf, zerstört soziale Bindungen und die Kinder leben nur noch von der Substanz, die die Eltern einst angehäuft haben. Damit liefert Köck eine treffliche Analyse ab. Ramser setzt dies in klare Bilder um. Ständig sind die Darsteller in Bewegung und kommen doch nicht an.  Eine blanke Bühne, auf der nichts übrig bleibt.

Der Verzicht auf zeitgeistige Videoprojektionen ist durchdacht und passt ins Konzept. Es gilt das Primat des Theaters.

Zu diesen eindringlichen Spiel ist Elisa Alessi ein markantes Bühnenbild gelungen. Im Hintergrund droht der Bug eines Containerschiffs als Sinnbild der Globalisierung. Die Arche Noah ist es auf jeden Fall nicht.

Der dritte Strang ist die Eroberung des brasilianischen Urwalds durch die Kautschuk-Industrie am Ende des 19. Jahrhunderts. Der Kautschuk und die Reifenproduktion ist das Bindeglied zu Familie Namenlos.

Im Goldenen Zeitalter des Fordismus regnet es Geld.
Foto:Müller 
Köck vermengt in seinem Amazonien historische Ereignisse und Personen mit Akteuren von Heute. Da überspringt der Ingenieur Simon Baumann mal schnell 100 Jahre. Warum auch nicht? Die Eroberung des Urwalds und die Enteignung der Einheimischen dauert ja.

Idealist Baumann trifft auf die Vertreter des internationalen Kapitals die wirken wie die grauen Herren von der Zeitsparkasse. Da kann Florian Donath noch so viel Verzweifelung aufbringen wie er mag, gegen diese amorphe und wandlungsfähige Masse kann er nicht gewinnen. Schön, wie Ronny Thalmeyer hier mit Plattitüden Akzente setzen kann und Paul Wenning in seiner lakonischen Art den abgebrühten Finanzjongleur gibt. Auch hier schafft das Ensemble im Miteinander mit dem großartigen Bühnenbild bleibende Momente. Da kann man den Patzer mit dem Spanisch vernachlässigen.

Die Inszenierung von Katharina Ramser ist auch voller Idee, die überzeugen. Das barocke Ballett zum goldenen Zeitalter des Fordismus und des Keynesianismus ist so eine. Was wie eine nette Posse beginnt, endet im Goldtaler-Regen. Zum Schluss werden dem von der Prophezeiung vergessene die letzten Taler aus der Tasche fallen. Eine schöne Brücke und ein starkes Symbol: Es ist endgültig vorbei.

MDR-Redakteur Tom Bille stellt vor kurzen die Behauptung in den Raum,  das das Theater wieder die Bühne für die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist weil die anderen Künste in der Reproduktion des Bekannten gefallen. Die Aufführung am Deutschen Theater ist ein Beleg für diese These. Dabei verzichtet Katharina Ramser auf einen scheinbar wissenschaftlichen Diskurs. Sie setzt auf die Mittel des Theaters, auf Ästhetik und auf die Macht der Bilder.




Material #1: Absurdes Theater
Material #2: Thomas Köck



Deutsches Theater #1: Der Spielplan
Deutsches Theater #2: Das Stück.








Mittwoch, 7. März 2018

Quicklebendig in den Tod

TfN spielt die Love Story

Hier ist alles auf das Ende hin konstruiert und das dürfte bekannt sein: Jennifer Cavalleri ist tot. Im zarten Alter von 25 rafft sie die Leukämie dahin. Doch bis es soweit ist, zeigt sich das Ensemble des Theater für Niedersachsen quicklebendig. IN der Inszenierung von Chef Jörg Gade bleiben die Taschentuch-Phasen erfreulich kurz.

Als Film war Love Story die Gefühlsattacke der 70er Jahre. Die Geschichte ist auch herzzerreißend. Junger Schnösel trifft auf talentiertes Mädchen aus einfachen Verhältnissen. Nach ersten Zankereien verlieben sie sich ineinander. Gegen den Widerstand seiner Eltern heiraten beide und verzichten auf Geld und Karriere. Unter widrigen Umständen bringt er sein Studium zu Ende und bekommt eine Anstellung. Doch als alles gut zu werden droht, erkrankt sie und stirbt in Windeseile.

Vierzig Jahre später haben Stephen Clark und Howard Goodall daraus ein Musical gemacht. die Inszenierung von Jörg Gade am TfN überzeugt, weil sie den Fokus weg vom Herz-Schmerz hin zur Entwicklung der beiden Hauptfiguren verschiebt. So wenig Heul wie möglich, soviel Heul wie nötig, mag man unzuverlässig verkürzen.

Das erste Date beim Kaffee verspricht nichts Gutes.
Alle Fotos: TfN
Vor allem strahlen Elisabeth Köstner und Jürgen Brehm in den Hauptrollen eine erfrischen Jugendlichkeit aus. Fast scheint es als ginge Jennifer quicklebendig in den Tod. An die Jugendlichkeit wirkt nicht aufgesetzt oder erzwungen. Höchster Ausdruck dieser Lebendigkeit ist die Koch-Szene am Anfang des zweiten Aktes.

Dabei kann Köstner schauspielerisch und stimmlich überzeugen. sie findet auch den Schalter, um schnell in die besinnlichen Momenten umzuschalten, wenn sie im zweiten Akt im Zwiegespräch mit ihrer toten Mutter vertieft. Die Dominanz der heiteren Szenen lässt den Absturz in die Todesspirale aber um so härter empfinden.

Jürgen Brehm kann vor allem als sturköpfiger Sohn überzeugen. Leider schwächelt Jens Krause als sein Widerpart ein wenig in den Vater-Sohn-Szenen. Ein bisschen weniger Gentleman und etwas mehr Anstrengung im Erziehungsgeschäft sollte man Krause ruhig mal ansehen dürfen. Dennoch haben sie einen hohen Wiedererkennungswert und tragen dazu bei, den Fokus weg von der Geschichte hin zu den Handelnden zu verschieben. Dabei wirkt das Bühnenbild aus Bücherrücken fast schon wie ein Arena.

Alexander Prosek verfügt in der Rolle des Phil Cavalleri da über eine ganz andere Präsenz. Er macht mit großen Gesten den italienischen Papa so, wie man ihn sich vorstellt: Laut, launisch aber herzlich. da wirkt der Dialekt manchmal zu dick aufgetragen.

Friede, Freude und kein Eierkuchen im Eigenheim.
Mit dem Stationstheater und mit der schnellen Abfolge der Szenen gelingt es Gade, das Tempo eines Filmes zu imitieren und die große Zeitspanne kurzweilig zu überbrücken. So rafft er die Entwicklung von fünf Jahren auf zwei Stunden zusammen. Der Umbau bei offenen Vorhang erhöht Spannung und Tempo gleichermaßen. Das variable Bühnenbild von Hannes Neumaier schafft nicht nur einen kleinen Kosmos. Mit seinen vielfältigen Funktionen ist es gleichermaßen wie ein Schweizer Taschenmesser.

Mit der Beerdigung als Start- und Schlussszene schafft er einen erzählerischen Ring, der die Entwicklung umso deutlicher macht. Das manche Dialoge dabei direkt aus dem Film stammen, das erfreut vor allem die Cineasten und andere Fachleute.

Die Szene, die sich aber einbrennt ist die Diagnose Leukämie. Erst himmelhoch jauchzend und beschwingt, sterben schlagartig alle Geräusche, die Bewegungen werden eingefroren und die Stille ist so großartig, dass man sogar den Nachbar zwei Reihen vorne schlucken hört.

Aus musikalisch dominieren vor allem die heiteren Töne und Musical-Tempo. Clark und Goodall haben sich ein wenig von der Vorlage entfernt. Wohl kein Song hat in den 70er Jahren die Lautsprecher so verkleistert wie die Schicksalsmelodie aus dem Love Story Soundtrack. Zum Glück taucht dieses Motive nur einmal in dieser Inszenierung auf.

Anfang und Ende: Die Beerdigungsszene. 
Alle Fotos: TfN
Überhaupt verzichtet Andreas Unsicker als musikalischer Leiter auf's Lamento. Klarinette und Bläser setzen  einen deutlichen Kontrast zu den Streichern. Zusammen ergibt dies eine transparenten Klang.

Na gut, was noch bleibt, ist die Botschaft. Sie verzichtet zu seinen Gunsten auf ihre Karriere und vermisst doch nichts Autor Erich Segal musste sich in den 70er Jahren dafür den Vorwurf  des Konservativismus gefallen lassen. An der Botschaft hat sich nichts geändert und trotzdem regt sich niemand auf. Vielleicht liegt es daran, dass solch ein altbackenes Bild für die Generation Klettverschluss wieder an Attraktivität gewonnen hat.

Die Inszenierung des TfN ficht das nicht an. Sie setzt vor allem auf lebendige Jugendlichkeit bis zum Schluss. Das ist das, was von Jennifer Cavalleri bleiben wird und damit ist sie in den Himmel der Popstars aufgestiegen.



TfN #1: Der Spielplan
TfN #2: Das Stück


Material #1: Der Film
Material #2: Der Autor