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Achtung Abenteuer, ich komme

Ronja Räubertochter als komplettes Stück bei den Domfestspielen


Es wird gestritten, geliebt, gekämpft und gezittert. Es wird geschrien, geflüstert, gepupst, gesungen und geweint. Mit seiner Inszenierung von Lindgrens Kinderbuchklassiker "Ronja Räubertochter" zeigt Max Merker gewissermaßen eine Kindheit im Zeitraffer-Tempo, von der Geburt bis zur Adoleszens. Die Livemusik von Dominik Dittrich unterstreicht den lebensfrohen Grundton.
Eine riesige Burg aus Getränkekisten bestimmt das Bühnenbild von Martin Dolnik. Der härteste Kritiker von allen (siehe hier) kommentiert nur kurz: "Die müssen aber viel getrunken haben". Die Burg ist seit Generationen die Heimat der Mattis-Räuberbande. Hier fühlen sich der Räuberhauptmann und seine Männer sicher. Hier erwarten sie die Geburt des Mattis-Kinds, des zukünftigen Räuberhauptmann. Das dies ein Mädchen ist, das tut der Räubersache keinen Abbruch.
Gleich ist das Räuberkind da. Fotos: Hillebrecht
Seit dem Theater Rote Grütze und dem preisgekrönten "Was heißt hier Liebe?" wurde keine Geburt so eindrucksvoll auf die Bühne gebracht, inklusive dem überforderten werdenden Vater. Aber als die ganze Räuberbande inklusive Säugling jubilierend durch das Publikum läuft, da ist das für manchen jungen Zuschauer zuviel. Soviel direktes Spiel sind Vierjährige wohl nicht gewohnt. Denn wenn es auch ein zauberhafte Geschichte und Inszenierung ist, ein Märchenspiel ist Ronja Räubertochter trotz Wilddruden und Graugnome nicht.
Es wird viel gefeiert, musiziert und gesungen und die Polkas und der Balkanbeat von Dominik Dittrich, natürlich alles live, trägt zur atmosphärischen Dichte und zum Tempo der Inszenierung bei. So laut und schrill wird es wohl bei Räubers zugehen.
Die nächste Szene setzt erst viel später ein. Ronja ist den Windeln längst entwachsen und will nun die Welt entdecken. Denn die ist viel größer als die Mattisburg und der Mattiswald und überhaupt. Graugnome und Walddruden, pah. Achtung Gefahren, ich komme. Alice Hanimyan spielt nicht nur eine freche und frohe Ronja. Sie kann auch die verwirrenden Momente vermitteln, wenn Ronja auf Birk trifft, Abkömmling der verfeindeten Burk-Sippe, oder wenn Glatzen-Per (Hans-Jörg Frey) ihr deutlich macht, dass das Räuber-Dasein hauptsächlich auf dem Ausrauben der anderen basiert. Ronja Räubertochter ist keine Kasperl-Seppel-Geschichte wie der Hotzenplotz, sondern eben die Geschichte einer Kindheit, einer Jugend und einer Lösung vom Elternhaus, eben nur im Räuberwald auf der Mattisburg. Das beruhigt die Eltern von Pubertierenden: Das Diebesvolk hat die gleichen Probleme wie ihr. Denn am Ende steht für Ronja und Birk fest: Wir wollen was anderes als unsere Eltern.
Da herrscht Stille im Publikum: Ronja und ihr
Vater versöhnen sich wieder. Foto: Hillebrecht
Man zittert mit Alice Hanimyan, als die Graugnome kommen, die tödliche Walddrude über dem Kopf schwebt und als der Tod durch Erfrieren droht. Und das Publikum ist ganz, ganz still, als Ronja sich wieder mit ihrem Vater versöhnt. Schön, wenn auch Kinder und Jugendliche solche Momente im Theater erleben dürfen. Sie können die Gewissheit mit nach Hause nehmen: Kinder und Eltern bleiben immer Kinder und Eltern.
Seit dem Hotzenplotz bei den Domfestspielen 2012 scheint Gunter Heun auf den Räuber abonniert zu sein. Mit seiner Bühnenpräsenz und den raumgreifenden Gesten ist er wohl die ideale Besetzung für den Typus "Erst einmal Poltern". Deswegen kann er auch den Vater, der nicht so recht aus seiner Haut heraus kann, so gut vermitteln. Und dann ist da noch die bereits beschriebene Versöhnungsszene. Einfach ein starker Moment, vielleicht die stärkste in der ganzen Inszenierung von Max Merker. Aber wenn er sich mit Räuberrivalen Burka prügeln darf, dann ist dieser Mattis wieder ganz in seinem Element.  So macht Räuber sein seit Generationen Spaß und so macht Räubern dabei zugucken genauso lange Spaß. Ein schönes Stück Slapstick mit ebenso schönen Ausgang.
Zum Schluss dürfen Mattis und Burka wieder ganz
Räuber sein. Foto: Hillebrecht
Zwischen der quirligen Ronja und dem polternden Mattis ist Glatzen-Per  der ruhende Pol, der allwissende Alte, der die Veränderung der Zeit schon ahnt. Er war schon da, als Mattis noch jung war, er freut sich auf den neuen Räuberhauptmann und findet sich damit ab, als er begreift, dass es nicht so kommen wird, wie es seit Generationen Räuberbrauch ist. Mit wohl gesetzten Spiel kann  Hans-Jörg Frey dies kindgerecht vermitteln und selbst in der eigenen Sterbeszene weiß er noch einen humoristischen Moment zu setzen. Auch dies zeichnet diese komplette Inszenierung aus: Sterben gehört zum Leben dazu und ein derber Spruch hilft hier manchmal mehr als salbungsvolle Worte. Die Räuber dürfen auch mal "beschissen" sagen oder auch zweimal oder dreimal, schließlich ist es eben Diebsgesindel und kein Mädchenpensionat. Der härteste aller Kritiker erfreut sich an der lebensnahen Sprache. Nur eins bemängelt er dann doch: "Es ist mir zu lang." Aber das ist wohl eben eine Altersfrage.


Der Regisseur Max Merker
Der Komponist Dominik Dittrich
Ausstatter Martin Dolnik

Das Stück in der Selbstdarstellung
Der Spielplan der Domfestspiele


Der härteste aller Kritiker - Teil eins
Der härteste aller Kritiker - Teil zwei
Der härteste aller Kritiker - Teil drei
Der härteste aller Kritiker - Teil vier
Der härteste aller Kritiker - Teil fünf

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