Direkt zum Hauptbereich

Grinsend sterben

Mit einen breiten Grinsen in den Tod 

 “Romeo und Julia” im Sommertheater Nordhausen ist eine Tragikomödie

 Im Takt klatschen und schunkeln und das bei “Romeo und Julia”? Doch das ist möglich und unterhaltsam ist es auch. Im Shakespeare-Jahr hat der Verein extempore für sein Sommertheater das “Theaterdinner” engagiert. die Truppe aus Leipzig hat aus der todtraurigen Geschichte eine Farce gemacht, bei der man nicht nur schmunzeln muss, sondern auch breit grinsen darf.

Um die Traditionalisten zu beruhigen: Auch in dieser Inszenierung sterben der junge Montauge und seine noch jüngere Frau den Liebestod. Doch bis es soweit ist, schütteln die fünf Darsteller des Shakespeare ordentlich durch. Es ist ein rasanter Wechsel aus frei erfunden und irgendwie dicht am Original. Statt des Chor eröffnet Schwarzmarkthändler Luigi das Spiel. Sonnenbrillen zweifelhafte Herkunft will er verkaufen, bevor er von seiner Gattin aus dem Off zur Raison gebracht wird.

Gemäß der Vorlage treten nun zwei Diener auf und der seit Jahrhunderten andauernde Streit der Capulets mit den Montagues flammt wieder auf. Wer gedacht hat, er sei nun in ruhigen Fahrwasser sieht sich getäuscht. Es ist Jugendsprech im “Yoh män, konkret krass Digger”-Modus, den Oscar-Wolf Maier und Hans Machowiak hier ablassen.

Julia hält Ausschau nach ihrem Romeo .... 
Alle Fotos: tok
In diesem Sinne geht es weiter bis zum tödlichen Schluss, auch wenn sich die Sprache schnell dem Normalmodus annähert. Es ist ein respektloser Umgang mit dem Übervater aus Stratford-upon-Avon und das ist auch gut so..Mit ihrer Inszenierung unterhalten Irene Holzfurtner und Mathias Engel nicht nur. Doch, sie eröffnen auch eine neue Perspektive auf das Überwerk der europäischen Theatertradition und mit der Wahrnehmung des Traditionstheaters.

Zwei Stunden lang reihen die fünf Darsteller Schüttelreim an Schüttelreim. Doch wer genau hinhört erkennt den Trick, man darf sich nicht vom Versmaß täuschen lassen. Was so altbacken daherkommt ist eine sehr freie Interpretation der Vorlage. Es werden auch schon einmal Zitate von Goethe, aus dem Volksmund und aus der Werbung dazwiwschen gepackt. Aber es passt trotzdem.

Zudem ist es ein Spiel mit Stereotypen und mit Klischees. Das beschränkt sich nicht nur auf den verhinderten Latin Lover Luigi. Romeos Nebenbuhler Graf Paris kommt als Frühform von Louis de Funes daher, einschließlich des legendären “Nein - doch - Ooooh”-Dialogs. Julia Vater rollt das “R” so schön wie einst Marcel Reich-Ranicki. ein Schelm, wer böses denkt.

Noch schöner als das Spiel mit Zitaten und Klischees ist aber das Spiel mit dem Publikum. Das ist fester Bestandteil der Inszenierung, wird immer wieder direkt angesprochen und eingebunden. Es trägt so seinen Teil zum Gelingen des Abends. Spaß macht es allen Beteiligten und deswegen klatscht das Publikum begeistert mit, als sich die Capulets und der Graf zum Klang von Al Bano und Romina Powers mit Takt wiegen.

Aber der mag nicht hinschauen.
Der größte Teil der Vorstellung findet sowieso zwischen den Stuhlreihen statt. Publikum und Darsteller sind fast auf Augenhöhe und die Bühne wird fast zur bloßen Dekoration. Die Gegebenheit  vor Ort werden voll einbezogen. Für die Balkon-Szene muss ein Treppenaufgang herhalten. Überhaupt bilden die Kostüme, die Mittelalter imitieren, und die englisch inspirierte Architektur der Traditionsbrennerei, die nicht anderes tut, als Mittelalter zu imitieren, wunderbar zusammen.

18 Rollen für 5 Darsteller, das ist schon eine ordentliche Aufgabe. Doch das Leipziger Ensemble bewältigt die selbst gestellte Aufgabe bestens. Es sind eben Erzkomödianten, die in Sekundenbruchteilen in ein neues Kostüm und in eine neue Rolle schlüpfen, die sie dann genauso glaubwürdig verkörpern wie die anderen drei zuvor auch. Am besten gelingt dies  Hans Machowiak. Egal ob als Diener, als Benvulio, als Tybalt oder als Pater Lorenzo, man nimmt ihm alles ab. Vielleicht sollte er Sonnenbrillen verkaufen. Grandios ist er in der Rolle des Geistlichen mit einer Schwäche für Marihuanna. Ganz entspannt und locker. Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Shit und Weihrauch, fragt man sich hier.

Zwischen aller Ulkerei gibt es noch eine spektakuläre Szene mit dem Degenduellen  Tybalt - Mercutio  und Tybalt - Romeo. Theaterdinner glänzt auch in der Kategorie “Mantel und Degen”. Ob nun lustig, albern oder kämperferisch, dem Publikum am Premierenabend gefiel es.

Die letzte Vorstellung ist am 13. August in der Traditionsbrennerei. Karten gibt es unter extempore-sommertheater.de.


Das Sommertheater Nordhausen

Das Theaterdinner


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Grell und schnell in Richtung gestern

"Deutsches Haus" ist Heim für überlebende Hirnspender Ein Ensemble in Höchstform, ein Bühnenbild zum Fürchten, eine rasante Inszenierung mit Rocky Horror Momenten und jede menge laute und leise Lacher. Die Uraufführung von Philipp Löhles Eigenwerk "Deutsches Haus" in Eigenregie am Deutschen Theater in Göttingen überzeugt. Doch eins sollte man nicht machen: Diese Komödie zum Politikersatz hochstilisieren. Die Aufführung beginnt mit einem Aha-Effekt. Das Bühnenbild von Thomas Pump verlängert den Plüsch des altehrwürdigen Dekors des DT Göttingen bis auf die Brücke. Das ist nicht neu und gab es in Göttingen vor vielen Jahren schon einmal beim "Zauberberg" zu sehen. Aber es wirkt immer noch. Diese  bauliche Maßnahme durchbricht noch vor Spielbeginn die "vierte Wand" und macht dem Publikum deutlich: Ihr seid ein Teil der Inszenierung! Immer eine Kann in der Hand: Im  "Deutschen Haus" wird gebechtert wie in einer Dorfkneipe. Fotos: DT Gö/ Thom...

Wie ein Kostümfest in Nordhausen

Idomeneo wird zerrieben zwischen Kohl und Sohn Mozart "Idomeneo" erlebt selten eine Aufführung und das hat gute Gründe. Wer das schwächelnde Werk auf den Spielplan setzt, muss eine starke Inszenierung in der Hinterhand haben. Das kann Nordhausens Operndirektor Benjamin Prins nicht von sich sagen. Bei der Premiere zeigt seine Inszenierung einige starke Szenen, die reichen aber nicht, um die Aufführung zum Gewinn für das Publikum zu machen. Trotz der Kürzungen an der Vorlage gibt es an diesem Abend über weite Strecken mehr Fragezeichen als Antworten. Die Aufführung bietet gleich zu Anfang einen mutigen Schritt, von dem das Publikum profitiert. Thomas Kohl schlüpft in die Rolle des Erzähler, der Vorgeschichte und aktuelle Ereignisse vorträgt, die Beziehungen der Akteure und ihre Motivation erläutert. Der auktoriale Erzähler im Bild ist ein Hilfsmittel aus den B-Movies der 50 Jahre, bis er in der Rocky Horror Picture Show als Karikatur endet. Sohn und Vater im Dauerkonflikt. F...