Direkt zum Hauptbereich

Wirklich eine Klasse für sich

GSO gastiert bei den Kreuzgangkonzerten

Das Heimspiel war wohl zugleich das Abschiedsspiel. Am Sonntag stellte sich das Göttinger Symphonie Orchester (GS0) unter der Leitung von Christoph-Mathias Mueller im Kloster Walkenried vor. Besonders Solist Timothy Hopkins begeistert mit seinem Cello-Spiel das Publikum. Ohne Zugabe durfte das Ensemble die Heimreise nicht antreten.

Nach dem Loh-Orchester und dem Braunschweiger Staatsorchester war mit dem GSO der dritte große Klangkörper aus der Region zu Gast im Kreuzgang. Überschrieben war das Konzert mit "Klasse! Klassik!" und diesem Anspruch wurde das Orchester wohlauf gerecht.

Den Auftakt machten die Ouvertüre und der "Reigen seliger Geister" aus der Oper "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck. Eigentlich kann man nicht besser in einen Klassik-Abend starten, als mit einem Werk, dass das Ende des Barocks einläutete und damit am Übergang zu einer neuen Zeit steht.

Die Streicher dominierten das Programm.
Alle Fotos: tok
Während die Ouvertüre noch von den Blechbläsern dominiert wird, die die aufkeimende Meldik regelmäßig übertönen, zeigt doch im Reigen schon die ganze Brillanz und Vielfalt der Klassik. Musikalische Lebendigkeit gegen musikalische Mathematik lautet das Motto und das GSO kann es bestens umsetzen.

Weich und rund führen die Streicher in die Melodik ein, pass genau setzen die Querflöten dann ein bis der gesamte Klangkörper schwelgt. Diese Leistung ist vor allem dem Dirigat von Christoph-Mathias Mueller zu verdanken. Unaufgeregt und zurückhaltend setzt er die Akzente. Wenn es so etwas gibt, dann ist er eindeutig ein lyrischer Dirigent.

Es ist fast schön eine Symbiose zwischen Leiter und Geleiteten, dass das Publikum an diesem Abend im Kreuzgang beobachten dürfen. Daher ist es um so schmerzlicher, dass der Schweizer das GSO im kommenden Sommer verlassen wird.

Auch das Cellokonzert Nr. 1 C-Dur von Joseph Haydn hat in der Musikgeschichte epochale Bedeutung. Es läutete den Aufstieg  des Cellos zum akzeptierten Solo-Instruments ein. Mit Timothy Hopkins präsentierte Mueller an diesem Abend einen überragenden Solisten. Der junge Emsländer zeigte die gesamte Bandbreite seines Spielgerätes und erntete dafür Szenen-Applaus.

In diesem Programm tobte sich Haydn einst aus und Hopkins kann ihm folgen, von ganz tief unten bis himmelhoch jauchzend. Von den weichen Läufen des Moderato wechselt er übergangslos ins Stakkato, um sich dann wieder ins Gesamtbild einzureihen.

Timothy Hopkins hat recht flinke Finger. 
Hopkins verfügt nicht nur über eine erstaunliche Fingerfertigkeit. Er hat mit 22 Jahren schon die Ausdrucksstärke, um die ihn ältere Kollegen wohl beneiden dürften. Im Adagio liefert ein solo zum Dahinschmelzen ab. Hier ist es nur folgerichtig, dass ihm der Dirigent das Feld komplett überlässt. Hopkins eilt voraus und das GSO folgt ihm. Bei manchem im Publikum wächst die Gewissheit, dass man an diesem Abend einen kommenden Star lauschen durfte.

Ein glückliches Händchen beweißt Christoph-Mathias Mueller mit der Auswahl des dritten Werkes. Das Singspiel "Orpheus und Eurydike" des russischen Komponisten Jewstignej Fomin. Er kontrastiert Gluck mit einem Werk der Hochklassik. In den expressiven und dramatischen Teilen gibt der Dirigent seine Zurückhaltung auf, um bei den ruhigen Passagen wieder Zurückhaltung zu üben.

Auch Fomins Werk zeigt, was Klassik ausmacht. Es steckt voller Lebendigkeit und Ausdruck. Die Streicher und die Holzbläser des GSO können hier brillieren. Überhaupt geht die Klangfülle des Orchester eine hervorragende Synthese mit der Akustik des Kreuzgangs ein.

Schwung und Überschwang zeichnet die Symphonie Nr. 3 D-Dur von Franz Schubert aus. Anders als allgemein angenommen, kann sich der junge Komponisten schon in diesem Frühwerk von seinen Vorbildern Mozart und Beethoven deutlich absetzen. Am Ende wird der Dirigent sagen, dass Schubert durchaus anstrengend sein kann. Aber von dieser Anstrengung profitieren Orchester und Publikum gleichermaßen.




Kreuzgangkonzerte #1: Das Programm

Göttinger Symphonie Orchester #2: Die Website







Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Grell und schnell in Richtung gestern

"Deutsches Haus" ist Heim für überlebende Hirnspender Ein Ensemble in Höchstform, ein Bühnenbild zum Fürchten, eine rasante Inszenierung mit Rocky Horror Momenten und jede menge laute und leise Lacher. Die Uraufführung von Philipp Löhles Eigenwerk "Deutsches Haus" in Eigenregie am Deutschen Theater in Göttingen überzeugt. Doch eins sollte man nicht machen: Diese Komödie zum Politikersatz hochstilisieren. Die Aufführung beginnt mit einem Aha-Effekt. Das Bühnenbild von Thomas Pump verlängert den Plüsch des altehrwürdigen Dekors des DT Göttingen bis auf die Brücke. Das ist nicht neu und gab es in Göttingen vor vielen Jahren schon einmal beim "Zauberberg" zu sehen. Aber es wirkt immer noch. Diese  bauliche Maßnahme durchbricht noch vor Spielbeginn die "vierte Wand" und macht dem Publikum deutlich: Ihr seid ein Teil der Inszenierung! Immer eine Kann in der Hand: Im  "Deutschen Haus" wird gebechtert wie in einer Dorfkneipe. Fotos: DT Gö/ Thom...

Wie ein Kostümfest in Nordhausen

Idomeneo wird zerrieben zwischen Kohl und Sohn Mozart "Idomeneo" erlebt selten eine Aufführung und das hat gute Gründe. Wer das schwächelnde Werk auf den Spielplan setzt, muss eine starke Inszenierung in der Hinterhand haben. Das kann Nordhausens Operndirektor Benjamin Prins nicht von sich sagen. Bei der Premiere zeigt seine Inszenierung einige starke Szenen, die reichen aber nicht, um die Aufführung zum Gewinn für das Publikum zu machen. Trotz der Kürzungen an der Vorlage gibt es an diesem Abend über weite Strecken mehr Fragezeichen als Antworten. Die Aufführung bietet gleich zu Anfang einen mutigen Schritt, von dem das Publikum profitiert. Thomas Kohl schlüpft in die Rolle des Erzähler, der Vorgeschichte und aktuelle Ereignisse vorträgt, die Beziehungen der Akteure und ihre Motivation erläutert. Der auktoriale Erzähler im Bild ist ein Hilfsmittel aus den B-Movies der 50 Jahre, bis er in der Rocky Horror Picture Show als Karikatur endet. Sohn und Vater im Dauerkonflikt. F...