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Musik einfach fantastisch

Staatsorchester Braunschweig verzaubert das Theaternatur-Festival



Ein Sinfonieorchester auf der Waldbühne in Benneckenstein. Kann das funktionieren, kann das überhaupt klingen? Ja, das kann und am Sonntag hat es wunderbar funktioniert und zauberhaft geklungen. Mit dem Konzert „Hexenwerke“ verzauberte das Staatsorchester Braunschweig das Publikum beim Theaternatur-Festival. Alle widrigen Umständen zum Trotz.

Die bestanden einzig im Wetter. Zum Konzertbeginn waren die Temperaturen derart in den Keller gerauscht, dass das Ensemble um die wertvollen Instrumente fürchtete. Deswegen wurde das Programm umgestellt und gekürzt. Das Wetter war wohl auch für den überschaubaren Zuspruch verantwortlich. Um eine Floskel zu bemühen: Jeder, der nicht da war, hat was verpasst.

Die technische Frage zuerst: Im Klangbild gab es keine Abstriche. Ganz im Gegenteil. Auf der Naturbühne unter dem Blätterdach gibt es nichts, was mitschwingt, verstärkt oder ablenkt. Es ist ein puristischer und klarer Klang, der das Publikum von Anfang an in den Bann zog.

Leider war das Gast-Musiker-Verhältnis fast 1:1.
Fotos: Kügler
Anders als angekündigt macht die „Fantastische Sinfonie“ von Berlioz den Auftakt. Bevor die Temperaturen eine Aufführung endgültig verhindert, will das Ensemble das Hauptwerk des Abends vollendet haben.

Die "Symphonique fantastiue" ist ein revolutionäres Werk, dass an der Schwelle zwischen Romantik und Programm-Musik steht. Der Romantik bleibt es mit seinen traumhaften Themen verhaftet, in die Programm-Musik gehört die durchgängige Geschichte, die der Komponist hier erzählt.

Mit diesem Werk hat Hector Berlioz nicht nur das Leitthema in die Musik eingeführt. Immer wieder taucht die "Idée fixe",  hier als die Geliebte, in zahlreichen Variationen auf, bis sie verzerrt in einem gigantischen Finale im Wahn zerfällt. Der Traum ist ausgeträumt und am Ende bleibt eine schale Tanzweise.

Berlioz hat auch den Klangraum des Orchesters erweitert und das Ensemble zum Akteur gemacht. Der Klarinettist wird die Bühne verlassen, um den Dialog der Hirten sichtbar zu machen. Vier Pauken kündigen das Unheil an, Glockenspiele symbolisieren das kalte Metall des Fallbeils. Mitte des 19. Jahrhunderts war dies eine Revolution. Der Franzose nimmt vieles vorweg, was man leichtfertig Richard Wagner zuschreibt.

Ein Ensemble muss schon ein gesundes Selbstbewusstsein mit sich bringen, um sich der Herausforderung „Fantastische Sinfonie“ zu stellen. Das Werk stellt höchste technische Anforderungen an die Musiker, vor allem an die Streicher. Tempi-Wechsel reihen sich aneinander und erfordern auch schnelles Umschalten im Spiel.

Streicher und Bläser befinden sich im ständigen Dialog. Für die Laien kommen die Übergänge plötzlich, immer wieder tun sich neue Perspektiven auf. Alles klappt brillant. Dirigent Christopher Hein hält das Tempo hoch und trotzdem überfährt er das Publikum nicht. Alles bleibt transparent und erhörbar.

Die Dunkelheit verwandelte die Waldbühne in einen
mystischen Ort.
Es ist geht nicht nur um Technik. Trotz der erdrückenden Thematik und des monumentalen Finales ist Sinfonie ein Werk, dass von einem filigranen Klangbild geprägt ist. Die Dominanz der Streicher ist gebrochen und andere kommen auch zu ihrem Recht. Mit immer wieder überraschender Instrumentierung öffnet Berlioz Klangräume, die es zuvor nicht gegeben hat.

Diese Durchmischen der musikalischen Farben erledigt das Staatsorchester mit meisterlicher Hand. Es scheint, was ob jeder Ton, und sei er noch so klein, zur Geltung kommt. Dies wird mit Applaus nach jedem Satz reichlich belohnt. Natürlich gibt es viel Beifall zur Pause.

Damit hatte das Publikum das Ensemble wohl weich geklopft. Denn trotz weiterhin fallender Temperaturen spielte es noch die Ouvertüre zum Freischütz, wohl der deutschesten aller Opern. Das Staatsorchester Braunschweig setzte seine Meisterleistung aus dynamischen Spiel und transparenten Klangbild fort.

Vielleicht war diese Reihenfolge sogar die bessere Variante. Denn die mythengeladenen Musik von Weber ging nur eine Symbiose mit der Nacht, die die Waldbühne in Dunkelheit tauschte. Das Scheinwerferlicht formte das Blätterdach zur Höhle und die Lichtinstallationen im Wald erweiterten die Spielfläche optisch. So entstand ein audio-visuelles Gesamtwerk, das durch auch den Titel "Hexenwerk" verdient hat.

Unabhängig von der Musik machte sich die Fantasie eines jeden Zuhörer allein auf die Reise. Geplant oder nicht, ergaben sich Bilder, die in Erinnerung bleiben werden. Geplant oder nicht, aber zum Träumen und Nachdenken anregen, das ist kulturelle Höchstleistung.


Damit das Publikum aber mit dunklen Gedanken den Heimweg durch den finsteren Forst antreten musste, gab es spontan als Zugabe von einen Strauß-Walzer oben drauf. Soviel Abweichung muss sein.    







Theaternatur-Festival #1: Die offizielle Website
Theaternatur-Festival #2: Der Auftritt bei facebook



Staatsorchester #1: Die offizielle Website
Staatsorchester #2: Der Eintrag bei wikipedia
Staatsorchester #3: Die Braunschweiger im Kloster Walkenried








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