In Schönheit sterben

Madama Butterfly im Theater Nordhausen

Gefällig und opulent, Sänger der Extraklasse, ein Schmaus für Augen und Ohren und eine Inszenierung ganz im Sinne authentischer Aufführungen. Das Theater Nordhausen zeigt eine "Madama Butterfly", die der Tradition verpflichtet ist. Dafür gab es bei der Premiere am Freitag donnernden Applaus.

Ein amerikanischer Marineoffizier kommt zur Jahrhundertwende nach Japan, nimmt Haus und Frau in Besitz, schwängert sie und setzt sich dann wieder in die Heimat ab. Drei Jahre später kehrt er mit seiner amerikanischen Frau zurück und will seinen Sohn mit in die Staaten nehmen. Die Mutter kann die Schmach und die seelische Pein nicht mehr ertragen und tötet sich selbst im Angesicht des Kindes. Das ist die Kurzversion, aber in Puccinis Oper steckt noch viel mehr. Sie ist fast schon eine Vorschau auf die Konflikte, die die Welt mehr als hundert Jahre nach der Uraufführung beschäftigen.

Die Musik setzt klassisch mit einer Fuge ein. Doch die gewohnten Töne werden bald um ein Hauch Fernost ergänzt.  Das Bühnenbild von Wolfgang Kurima Rauschning schwelgt in japanischen Fantasien. Ein großes Tor ist umrankt von Vögeln. Als Kyaunghan Seo als F.B. Pinkerton und Marian Kalus als Heiratsvermittler Goro die Bühne betreten, öffnet sich das Tor und gibt den Blick frei auf ein japanisches Haus.

Bild aus glücklichen Tagen: Pinkerton und Butterfly.
Alle Fotos: Marco Kneise
Dieses dreht sich im Laufe des Abends mehrfach und zeigt seinen einzigen Raum. Es fährt nach vorne, rückt dem Publikum auf die Pelle und verengt den Raum. Dann fährt es wieder nach hinten und macht Platz. Leider wird nicht klar, welchen Kriterien diese beeindruckende Choreographie folgt.

Auch wären zwei Meter weniger mehr gewesen. Das übermächtige Element beherrscht die ganze Bühne. Alles konzentriert sich auf diese Stätte und es ist kein Raum für Geschehen am Rande. Alles fokussiert sich auf die Titelfigur.

Die Ausstattung orientiert sich an den Idealen der Entstehungszeit. Die Kostüme sind opulent und authentisch. Sie bemühen sich darum, den Schritt vom 19. ins 20. Jahrhundert zu verdeutlichen. Hier die praktisch gekleideten Amerikaner als Symbol einer dynamischen Klasse, dort die Japaner, deren Kleider das Erstarren in Konventionen und Regeln begreifbar macht.

Dazwischen steht Goro als östlich-westliche Chimäre. Er ist ein kleines Teufelchen mit dem Charme eines Vorstadtzuhälters. Er verdient sein Geld damit, Frauen zu verkaufen. Diese Figur wurde von Marian Kalus fein herausgearbeitet.

Eindrucksvoll führt sich Jaco Venter als Konsul Sharpless ein. Der Bariton verfügt über eine beachtliche Dynamik, die sich gelegentlich zu deutlich bemerkbar macht. Aber gerade im zweiten Akt zeigt Venter, dass er auch die leisen Töne beherrscht.

Doch die Überraschung des Abends ist Kyaunghan Seo. War sein Vortrag in den bisherigen Produktionen doch recht technisch, so hat er nun Gefühl und Pathos entdeckt. Diese kann er mit Stimme und mit Schauspiel auch vermitteln.

Zum Schluss bleibt nur der Suizid.
Alle Fotos: Marco Kneise
Doch Star des Abends ist ohne Frage Hye Won Nam in der Titelrolle. Ihr Sopran beeindruckt mit Dynamik und einen klaren Vortrag. Da findet sich selbst in den höchsten Tönen kein Zittern. Glasklar und lupenrein.

Diese musikalischen Qualitäten ergänzt sie mit darstellerischen Fähigkeiten. Sie hat die Butterfly schon an anderen Häusern gespielt und kann dementsprechend auf Erfahrung in dieser Rolle bauen, ohne allzu routiniert zu wirken. Ihr Vortrag bleibt frisch und mit dieser Besetzung ist Regisseurin Annette Leistenschneider ein Glücksgriff gelungen. Das ist es nur konsequent, wenn sich der Großteil der Inszenierung um das Seelenleben der Protagonistin dreht.

Die Duette mit Kyaunghan Seo lassen das Publikum im ersten Akt in tiefer Liebe schwelgen. Ihre Sol im dritten Akt erzeugen Gänsehaut. Vor allem in der Schlussszene gelingt Hye Won Nam eine beeindruckende Leistung. Ihr Freitod auf dem Futon, mit dem passenden Licht inszeniert, ist das stärkste Bild in dieser opulenten Aufführung.

Was der Inszenierung sicherlich gut getan hätte, wäre ein wenig mehr an Zuspitzung und Dramaturgie. Schließlich ist Puccinis Werk reich an Themen. Da sind die Landnahme und der Imperialismus, der Zusammenprall unterschiedlicher Welten, die verkruste Gesellschaft, die keine Antworten findet auf die neuen Herausforderungen, die Neuorientierung, die in Einwurzelung endet und nicht zuletzt die nicht existenten Rechte der Frauen. Diese werden wie Waren zwischen Japanern und Amerikaner hin- und hergeschoben. Doch leider streift diese Inszenierung diese Problemfelder bestenfalls mit kleinen Symbolen wie den verkohlten "Stars and Stripes". Was bleibt, sind Videosequenzen mit jeder Menge Weichzeichner.

Exotik und exzellente Hauptdarsteller, dazu ein herzzerreißende Geschichte und ein opulentes Bühnenbild erzeugen einen starken Eindruck. Somit ist die Begeisterung des Publikums gerechtfertigt.







Material #1: Theater Nordhausen - Der Spielplan
Material #2: Madama Butterfly - Die Inszenierung


Material #3: Madama Butterfly - Die Oper 


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Turandot vergibt jede Menge Chancen

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Eine Inszenierung auf Tratsch-Niveau