Direkt zum Hauptbereich

Da capo, da capo

Die Chursächsische Kapelle beschert dem Südharz einen italienischen Abend

"Tutto bene",  so einfach kann man das Konzert der Chur Sächsischen Staatskapelle am 4. Juli im Kloster Walkenried beschreiben. Es hat einfach alles gepasst bei dieser Mischung aus Kultur, Kulinarik und Klatsch.

"Wir haben ein Experiment gewagt", kommentierte Thomas Krause die für Walkenried neue Veranstaltungsform Wandelkonzert. Neben den ungewöhnlichen Aufführungsformen war italienische Barockmusik der höchsten Genussstufe die zweite Zutat zu diesem gelungenen Abend. Das Experiment ist durchweg gelungen und darf gern wiederholt werden.

Was auf den ersten und zweiten Blick wie eine Neuerung aussieht, ist im Grunde genommen nur die Rückkehr zu einer Aufführungspraxis wie sie üblich war, bevor die späte Klassik und die frühe Romantik die Musik auf einen sehr hohen Sockel gestellt haben. Damit war der italienische Abend im Kloster Walkenried eher die Rückkehr zu den barocken Freuden. Für Esoteriker mag die Einheit von Musik und Speisen ein italienische Yin Yang sein, für unbeschwerte Zeitgenossen ist es einfach Genuss mit allen Sinnen.

Voigt und die Viola da spalla legen  die Basis für den hellen Streicherklang. Alle Fotos: tok
Der Auftakt ist Barock in klassischer Praxis. Die Chursächsische Kapelle intoniert auf der Bühne im doppelten Kreuzgang Antonio Vivaldi und Francesco Manfredini. Schon mit den ersten Klängen schwang die Leichtigkeit Vivaldi durch das Kloster. Anne Schumann, Dorothea Vogel und die anderen Mitglieder des Ensembles beherrschen diesen hellen Streicherklang, der so typisch ist für Werke des Venezianers. Im Allegro des Concerto für 2 Violinen, 2 Violoncelli, Streicher und Basso continuo ist das Spiel lebendig und agil. Die Basis legen Klaus Bundies und Klaus Voigt mit der Viola da Spalla. Dieses Instrument ist im Grunde genommen die Miniaturausgabe des Cello und es war fast vergessen.

"Früher war der Zoo viel größer als man denkt", kommentiert Klaus Voigt später. Der Streicher aus Sondershausen hat es sich schon vor mehr als 20 Jahren zur Aufgabe gemacht, die Werke des Barocks in ihrer ursprüngliche Form zu bringen. Dies ist auch ein Anspruch der Chursächsischen Kapelle. Auch aus diesem Blickwinkel ist der Aufbruch zu neuen Ufern ein Schritt zurück zu den Wurzeln.

Was eben im Allegro noch so hell und sommerlich war, klingt nun im Largo weich und rund. Das Ensemble aus leipzig beherrscht den nathlosen Übergang.

Das stellt es vor allem in Vivaldis Opus 3 Nr. 9 unter Beweis. Die schnellen Wechsel zwischen Anne Schumann und Dorothea Vogel an den Soloinstrumenten und dem Tutti funktionieren mit einer bewunderswerten Präzision. Im Larghetto darf dann Frank Pschichholz an der Barockgitarre die Wechsel Solo und Tutti bestimmen. Die Passagen erinnern auch im zweiten Allegro an die Entwicklung der Melodie in Vivaldis Meisterwerk "Quattro stagioni".

Dorothea Vogler und Anne Schumann
warfen sich musikalische Bälle zu.
Auch das Zusammenspiel der Solo-Geigen im Manfredinis Concerto grosso hat eine selten gehörte Qualität. Anne Schumann und Dorothea Vogel werfen sich musikalische Bälle zu, nehmen Themen auf, entwickeln sie und übergeben sie wieder. Im abschließenden Allegro darf das Ensemble noch einmal seine gesamte Dynamik ausspielen.

Nach dreißig Minuten hebt das Ensemble die starre Sitzordnung auf und es geht zum Essen. Aber es geht nicht nur zum Essen. Es geht auch Richtung Kommunikation. Mit Getränken und Speisen versorgt können die Gäste dort Platz nehmen, wo sie wollen und mit den Nachbarn das Gespräch über das Gehörte und das Kommende eröffnen. Eine im Barock nicht nur an den Höfen übliche Rezeptionsmethode.

Währenddessen spielt das Ensemble an mehreren Stationen in kleinen Gruppierungen. Klaus Bundies und zwei Kolleginnen spielen im Badehaus. Dorothea Vogler und Anne Schumann eröffnen ihre Wechselspiele in der Abtskapelle. Auch im Kreuzgarten erklingt Musik.

Die Musik, die an allen Orten erklingt, ist selten auf einem Konzert zu hören. Es sind meist Tänze aus dem Italien des 17. und 18. Jahrhunderts, Volksmusik eben. Damit zeigt die Chursächsische Kapelle, dass die Grenzziehung zwischen Hochkultur und musikalischer Basis im italienischen Barock nicht so streng, nicht so strikt war.

Mit dem Wandelkonzert  verändert sich auch die Rolle des Publikums. Der Zuhörer wird zum Gestalter seines Programms. In der nun aktiven Rolle bestimmt jeder, was er hören will und wie lange. Und dies Form bietet jede Menge Ansätze zur Kommunikation zwischen Künstler und Publikum, zum Austausch und zum Erklären. Die Musiker sind von dem hohen Sockel, auf das sie die Klassik und Romantik einst stellte, hinab gestiegen.

Mit dem italienischen Abend ist der Chursächsischen Kapelle und den Kreuzgangkonzerten ein Rückgriff auf eine authentische Aufführungsform gelungen, die belebend wirkt. Zum Abschluss bleibt die Aufforderung "Da capo, da capo."  




Die Kreuzgangkonzerte

Die Chursächsische Kapelle






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Grell und schnell in Richtung gestern

"Deutsches Haus" ist Heim für überlebende Hirnspender Ein Ensemble in Höchstform, ein Bühnenbild zum Fürchten, eine rasante Inszenierung mit Rocky Horror Momenten und jede menge laute und leise Lacher. Die Uraufführung von Philipp Löhles Eigenwerk "Deutsches Haus" in Eigenregie am Deutschen Theater in Göttingen überzeugt. Doch eins sollte man nicht machen: Diese Komödie zum Politikersatz hochstilisieren. Die Aufführung beginnt mit einem Aha-Effekt. Das Bühnenbild von Thomas Pump verlängert den Plüsch des altehrwürdigen Dekors des DT Göttingen bis auf die Brücke. Das ist nicht neu und gab es in Göttingen vor vielen Jahren schon einmal beim "Zauberberg" zu sehen. Aber es wirkt immer noch. Diese  bauliche Maßnahme durchbricht noch vor Spielbeginn die "vierte Wand" und macht dem Publikum deutlich: Ihr seid ein Teil der Inszenierung! Immer eine Kann in der Hand: Im  "Deutschen Haus" wird gebechtert wie in einer Dorfkneipe. Fotos: DT Gö/ Thom...

Wie ein Kostümfest in Nordhausen

Idomeneo wird zerrieben zwischen Kohl und Sohn Mozart "Idomeneo" erlebt selten eine Aufführung und das hat gute Gründe. Wer das schwächelnde Werk auf den Spielplan setzt, muss eine starke Inszenierung in der Hinterhand haben. Das kann Nordhausens Operndirektor Benjamin Prins nicht von sich sagen. Bei der Premiere zeigt seine Inszenierung einige starke Szenen, die reichen aber nicht, um die Aufführung zum Gewinn für das Publikum zu machen. Trotz der Kürzungen an der Vorlage gibt es an diesem Abend über weite Strecken mehr Fragezeichen als Antworten. Die Aufführung bietet gleich zu Anfang einen mutigen Schritt, von dem das Publikum profitiert. Thomas Kohl schlüpft in die Rolle des Erzähler, der Vorgeschichte und aktuelle Ereignisse vorträgt, die Beziehungen der Akteure und ihre Motivation erläutert. Der auktoriale Erzähler im Bild ist ein Hilfsmittel aus den B-Movies der 50 Jahre, bis er in der Rocky Horror Picture Show als Karikatur endet. Sohn und Vater im Dauerkonflikt. F...