Dienstag, 5. Mai 2020

Gegensätzliches Doppel

Zwei opulente Bücher - Beide anders

Die Parallelen liegen auf der Hand. Karl Lagerfeld und Peter Lindbergh gehören zu den Ikonen der internationalen Modeszene. Beide haben Maßstäbe gesetzt, der eine als Modeschöpfer, der andere als Modefotograf. Ihre Wege haben sich mehrfach gekreuzt und im letzten Jahr sind sie verstorben. Zeitgleich sind nun zwei opulente Bücher, die eine Überblick über ihr schaffen bieten soll.

Zu beiden gibt es derzeit eine Retrospektive als Werkschau. Der eine wird in Halle gezeigt, der andere wird in Düsseldorf ausgestellt. Die beiden Bildbände dazu machen eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten deutlich.

Das eine Buch heißt schlicht „Karl Lagerfeld – Fotografie“, das andere „Peter Lindbergh – On Fashions Photograhpy“. Finden sich die Parallelen auch in gedruckter Form wieder?

Lagerfeld

„Gerhard Steidl ist der beste Drucker der Welt.“ Mit diesem Lob hatte Lagerfeld schon vor Jahren den Göttinger geadelt. Schließlich geht die Zusammenarbeit der beiden schon bis in die Mitte der 90-er Jahre zurück. Der passionierte Fotograf Karl Lagerfeld ließ seine Bilder in Buchform in Göttingen veröffentlichen.

„Karl Lagerfeld - Fotografie“ ist eine Rundumschau über sein Schaffen mit der Kamera. Es versammelt Bilder aus den späten 80-er Jahren bis ins Jahre 2018. Es ist nicht mehr als der Katalog zur Ausstellung und damit nur ein Appetithäppchen.

Aber es ist ein Galamahl für Bibliophile., Buchkunst in Vollendung Es ist eine Fest der Sinne und ein weiterer Beweis, warum analoge Haptik digitaler Optik immer noch überlegen ist. Das Format von 24,5 mal 32 ergibt eine Diagonale von 22 Zoll. Das wirkt.

Das ungestrichene Papier in 150er Qualität ist nicht nur warm und angenehm zu greifen. Drucktechnisch nicht ganz einfach, zaubert es aber weiche Farben in unendlichen Abstufungen. Das wird besonders bei den Daguerreotypien und Platinotypien deutlich.

In der Einleitung betont Gerhard Steidl, dass sein Partner Lagerfeld in allen Dingen eine Perfektionist war. Offensichtlich sind hier die passenden Gemüter aufeinander getroffen. Deswegen hielt die Zusammenarbeit über mehr als 25 Jahre und 49 Werke lang.

Der Meister fotografiert sich selbst. 
Fotos: Thomas Kügler
Der Zugang zu Lagerfelds Bilder ist nicht einfach. Er gelingt nur, wenn man die Erläuterungen von Hubertus Gaßner gelesen hat und sich immer wieder vor Augen führt.

Es sind verkopfte Bilder, die man zu schätzen weiß, wenn man antike Mystik und barocke Kunst zumindest ansatzweise im Hintergrund mitführt. Ansonsten bleibt es ein bloßes Betrachten, stellt sich keine Verstehen ein.

Lagerfeld verweigert den Betrachter den emotionalen Zugang zu den Dargestellten. Vielleicht hat der Fotograf Lagerfeld auch nie diesen gewissen Draht zu den Abgelichteten gefunden. Einzige Ausnahmen sind die die Portraits von Brad Kroenig in „Metamorphes of an American“.

Lagerfeld lebt sein Faible für Barockes aus. Er greift das Mittel der Tableaux vivants, der lebenden Bilder auf, und sorgt mit kleinen Brüchen in den Details gleichzeitig für ihre Ironisierung. Alles ist artifiziell, alles ist gestellt, alles ist Pose. Er macht auch kein Hehl aus der Inszenierung und damit ist er ehrlicher als Lindbergh.

Hier ist nichts lebendig und die Models starren am Betrachter vorbei in die Ferne. Da ist keine Beziehung zwischen dem Mensch am Auslöser und den Objekten vor der Kamera. Damit kann auch das Publikum keinen Zugang finden. Lagerfeld bleibt der Modefotografie der 60-er Jahre verhaftet.

Lagerfeld zitiert Feininger, Stettheimer oder Hopper. Es sind gut gemachte Zitate, aber eben nicht mehr. Erst in der Überhöhung des Artifiziellen in der Serie „Fendi“ findet er 2011 einen eigenen Ausdruck. Das vielfache Spiel mit dem Bild, der Kopie und dem Original verwirrt und bezieht dann doch Position: Nichts ist so wie es scheint.

Aber wirklich lebendig werden die Bilder erst dann, wenn Lagerfeld sich selbst porträtiert. Zumindest zu seiner Person findet er einen Zugang. Ungewollt verdeutlicht das Werk damit die Einsamkeit des Karl Lagerfelds.

Lindbergh

“Peter Lindbergh - On Fashions Photgraphy”: Dieses Buch ist ein Hammer und es trifft einen mit voller Wucht. Deshalb sollte man es nur in kleinen Häppchen. Peter Lindbergh hat die Modefotografie geändert und über Jahrzehnte geprägt. Er hat die Grenzen zwischen Kunst und Kommerz aufgehoben. “On Fashion Photography” macht deutlich, warum.

Lindbergh hatte das Glück, das Vorwort zu diesem Werk noch selbst schreiben zu können. Schließlich hat seine Ausstellung "Untold Stories" noch selbst kuratiert. Er gibt dort einige Erläuterungen zu seinem Werdegang und seiner Berufsauffassung. Dazu gehört eben auch der Begriff des Erzählens. Geschichten erzählen mit der Kamera, mit Licht und Schatten, Schärfe und Unschärfe, eben mit den Mitteln der Fotografie.

Anders als im Falle Lagerfeld braucht man diese Worte nicht, um das Werk zu verstehen. Die Bilder sprechen für sich. Der Zugang ist jedem möglich, der sehen kann.


Der Meister und die Models.
Foto: Kügler
Deshalb kann man es in eine Frage und eine klare Antwort fassen. Was macht die Erzählung aus? Niemals die Kleider.

Es ist der Mensch, den Lindbergh ablichtet, den kompletten Menschen gefasst in einen Sekundenbruchteil. Die Grenze zwischen Fotograf und Motiv ist aufgehoben. Der Mann aus Düsseldorf muss ein Magier gewesen sein. Selbst dem spröden Lagerfeld konnte er zweimal ein breites Lächeln entlocken.

Diese Magie wird gleich klar. Der Einstieg erfolgt mit jenen legendären “White Shirts” für die amerikanische Vogue. Das Bild, entstanden 1988 am Strand von Malibu, hat das Genre verändert. Sechs Top-Models im albernen Spiel miteinander, so viel Lebendigkeit gab es in der Modefotografie bis dahin nicht. Danach war alles anders.

Hier verspielte Jugend, dort entspannte Erfahrung. Das Portrait von Pina Bausch ist wie ein Blick zurück auf ein ganzes Leben. Die Kamera taucht hinab das Innerste der Tanzikone. Lindbergh schafft es, eine komplexe Erzählung in ein einziges Bild zu packen. Das ist ganz große Kunst.

Erst spät hat Lindbergh die Farben entdeckt. Selbst dort blieb er noch reduziert. Die meisten Werke sind schwarz-weiß. Im Vorwort erklärt der Fotograf seine Vorliebe zu den tiefen Tönen. So wird die Konzentration auf das Motiv noch einfacher. Wenige Seite hinter Bausch lässt sich Richard Gere in die Seele blicken. Sein Kopf und Schopf tauchen gewissermaßen auf aus einem unbekannten Meer. Das Konzept der Konzentration erreicht hier den Höhepunkt.

Aber man sollte sich nicht täuschen lassen. Man merkt gar nicht, dass es um die Präsentation von Oberbekleidung geht, so sehr stehen die Menschen im Vordergrund. Das Tuch tragen sie  ganz selbstverständlich, sie werden eins.

Auch wenn die Sprache häufig rau und spröde ist, das Make Up unsichtbar bleibt und vieles beiläufig wirkt: Hier wurde nichts dem Zufall überlassen. Alles ist arrangiert. Auch wenn die Bilder wie Schnappschüssen vom Set wirken, sie sind alles, nur kein Beifang. Damit gleichen sich Lagerfeld und Lindbergh dann doch.

Das Buch ist der der Hammer und es trifft einen mit voller Wucht. Die 440 Seiten sollte man häppchenweise genießen. Sonst wird man von den Eindrücken erschlagen.





Material #1: Karl Lagerfeld - Das Buch
Material #2: Peter Lindbergh - Dem sein Buch




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