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Theater für Kopflastige

Im Kopf von Kurt Gödel ist eine ganze Welt, eine ganz eigene Welt, und die Welt der Kopfmenschen ist das Metier von Daniel Kehlmann. Beide riefen die Geister von Princeton. Nach der Uraufführung in Berlin zeigt das DT in Göttingen nun das erste Drama des Romancier Kehlmann und es ist Theater für den Kopf und Theater, das im Kopf spielt, kopflastig.
Zog  “Die Vermessung der Welt” ihren Reiz noch aus der Gegenüberstellung des idealistischen und weltfremden Alexander von Humboldt und des pragmatischen Carl Friedrich Gauß ihren Reiz, ist “Die Geister von Princeton” durch und durch ein Gelehrtenstück. Der grobe Überblick über die Propheten der Wiener Kreises erleichtert das Verständnis der Auseinandersetzungen.  Aber ob sie nun Carnap oder Waismann oder von Neumann, hier werden sie scheitern, weil die Welt in ihren Köpfen nur peripher mit dem zu tun hat, was sich als Realität bemerkbar macht. Kurt Gödel geht den Schritt weiter. Egal, ob als kleiner Junge, als Student, als Doktorand oder als Dozent, er lebt in seiner eigenen Welt und die sich um ihn selbst. “Die Geister von Princeton” zeigen den Logiker in vier Alterstufen, in Zeitsprüngen über wichtige Lebensstationen, ausgehend von der Beerdigung, gleich vier mal als Alter Ego.
Das macht dasBühnenbild deutlich. Immer wieder taucht der Kreis, der Kreis um sich selbst, als Element auf. Es ist nicht der Kreis einer runden Sache, es ist der Kreis als geschlossenes System. Schön, wenn die Ästhetik des Surrealismus sich im Aufbau von Amelie Hensel wiederfindet.
Auch wenn Gödel immer wieder behauptet, ein Gedanke sei unwiderruflich in der Welt, wenn er einmal gedacht wurde, so ist Gödel selbst nicht ganz in dieser Welt. Er würde ja gern, aber er kann nicht und deshalb verzweifelt er an sich selbst. Vielleicht ist aber ein Tick zuviel Verzweifelung im Spiel von Florian Eppinger, findet sich die Stimme im Kopfbereich. Nie gibt es Raum für Hoffnung, stets ist klar, dass es nicht gut enden kann.
Seine einzige Verbindung nach draußen, das sind die Frauen, sei es seine Mutter oder seine Frau. Das wird auch in der Göttingern Inszenierung klar. Die starke Rolle ist  die der Adele Gödel, der Frau des Eremiten, eindrucksvoll umgesetzt von Gaby Dey und besonders stark im schwachen Moment, als sich die Verzweiflung über ein vertanes Leben Bahn bricht.
Dieser ganz eigenen Welt der Geistesgrößen setzt die Göttingern Inszenierung einen Kontrapunkt entgegen: John von Neumann, der sich den wandelnden Bedingungen anpassen, die Chancen des amerikanischen Exils zu nutzen weiß, passend verkörpert von Paul Wenning. Ein Albert Einstein wirkt dagegen eher wie der gute Clown von Princeton.
Vielleicht wärenallen geholfen, wenn sie Wittgenstein Satz 6.54 beherzigt hätten: Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.




Bild: DT


Der Spielplan

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