Abschied mit Premiere

Abegg Trio verabschiedet sich mit Beethoven


Man soll gehen, wenn's am schönsten ist. Auf ihrer Abschiedstournee schaute das Abegg Trio noch einmal in Walkenried vorbei. Dabei zeigte es, warum es auch nach vierzig Jahren immer noch zu den Spitzenensembles in Sachen Kammermusik gehört.

Seit 1976 musizieren Ulrich Beetz, Birgit Erichson und Gerrit Zitterbart zusammen. 1976? Damals zog David Bowie  gerade nach Berlin und die Puhdys kündigten ihre erste Abschiedstournee an. Die Schmuserocker sind immer noch unterwegs in Sachen Aufhören und wie die Sache mit David Bowie ausgegangen ist, dürfte bekannt sein.

Der Kapitelsaal ist  ein geschlossenes  
Die erste Premiere zum Abschied war der Spielort. Zum ersten Mal wurde es an diesem Abend die Kammermusik nicht im Kreuzgang sondern im Kapitelsaal dargereicht. Die Verlegung hat sich ausgezahlt. Der Kapitelsaal bietet eine intime Atmosphäre, die zurückführt zu den Anfängen der Kammermusik als musikalisches Ereignis für einen begrenzten, abgeschlossen und sogar familiären Kreis. Das ist der Charakter dieser Gattung: konzentriert und vertieft.

Somit ist die Bezeichnung Konzert sogar irreführend. Es war eine Soiree unter dem Titel "Beethoven um sechs". So blieb das Abegg-Trio seinem Anspruch, einer authentischen Aufführungspraxis mit passenden Umfeld bis zuletzt treu.

Die zweite Premiere war im Programm versteckt. Dort waren drei Klaviertrios von Beethoven versammelt. Von Opus 1.1 bis Opus 1.3 sind es die ersten Werke, die Beethoven als Neuankömmling in Wien veröffentlicht hat. Sie sollten wegweisend werden.

Wer das Schlagwort von Mozarts Geist weitergereicht mit Haydens Händen strapaziert, der führt ein wenig in die Irre. Bei Beethoven stellt sich immer die Frage: "Wer er noch Spätklassiker oder schon Frühromantiker?" Nach diesem Abend ist die Antwort ein entschiedenes Jein. Die herausgehobene Stellung des Instrumentalisten, die Auflösung des Tutti, die Individualität jedes einzelnen Tones und die verschleppten Übergang und die abrupten Wendungen. Schon in diesem Werken aus den Jahren 1793 bis 94 erahnt man, was später einmal die Gattung Romantik ausmachen wird, auch wenn das Klangbild der Klassik verhaftet.

Das Hammerklavier zeigt deutlich Reminiszenzen an das Cembalo. Gerrit Zitterbart zaubert aus dem Holzkonstrukt einen warmen, leicht näselnden Klang. Dann geht er ganz zurück an die Anfänge der Karriere des Instrumentes, das das folgende Jahrhundert dominieren wird. Im Klaviertrio Es-Dur ist der Hammerflügel  das tonangebenden Instrument, auch wenn es immer wieder den Dialog mit den Streichern, vornehmlich  mit der Violine sucht.

Das intuitive Miteinander zeichnet das Abegg Trio
schon immer aus.
Hier liegt die Stärke des Abegg-Trios seit seinen Anfangstagen: das intuitive Verständnis von drei starken Instrumentalisten. Durch alle drei Stücke der Soiree hindurch ist es dieser Dialog, dieser nahtlose Wechsel der Solisten, der für Erstaunen sorgt.

Es ist nicht nur das freie Spiel der Soli, es ist auch die gleichbleibende Stärke in allen doch sehr unterschiedlichen Sätzen. Wenn man arglistig wäre, dann könnte man meinen, dass der 23-jährige Beethoven mit diesem Kompositionen im jugendlichen Überschwang zeigen wollte, was er am Tempiwechsel für möglich und nötig hält.

Dennoch zeigt sich besonders im Adagio cantabile die Dominanz des Tasteninstrument gegenüber den Streicher. Dankenswerterweise verzichtet Zitterbart aber darauf, die Vorherrschaft deutlich auszuspielen. So bleibt für Ulrich Beetz noch genug Raum, seine Violine zur Geltung zu bringen.

Im Finale des ersten Stück kann das Publikum den gereiften Beethoven schon erahnen. Das Presto ist Surm und Drang in Tönen. Es kommt mit einer Wucht daher, die die späteren Sinfonien auszeichnet und es bedarf schon der Klasse eines Abegg Trios, eben jene Dynamik verlustfrei mit nur drei Instrumenten auf die Bühne zu bringen.

Das Abegg Trio tritt von der Bühne ab.
Komplett anders klingt dann das Largo aus dem Trio G-Dur op 1.2. Nicht umsonst trägt es den Zusatz "con espressione", denn im Vorgriff auf die Romantik steht hier der Ausdruck, die Vermittlung von Gefühl im Vordergrund. Beetz, Erichson und Zitterbart liegt dies deutlich.

Der nächste Kontrapunkt ist das Menuetto quasi allegro im c-Moll Trio. Hier blickt Beethoven noch einmal zurück in die Musikgeschichte. Jeder einzelne Ton scheint zu hüpfen, der Urgewalt der Presti hat Beethoven die Leichtigkeit eines sommerlichen Tanzes gegenübergestellt. Bei aller Routine hat auch das Abegg Trio an dieser Unbeschwertheit und Luftigkeit seine Freude, die sich auf das Publikum überträgt. Die verkürzte Distanz zwischen Zuhörer und Künstler im Kapitelsaal tut ihr übriges dazu.

Der Klassiker Antonio Salieri soll ja mal die steile These aufgestellt haben, dass der Mensch nur eine begrenzte Zahl an Tönen aufnehmen kann. Der Frühromantiker Beethoven wollte mit diesen drei Werken wohl deren Anzahl ausloten. Das Abegg Trio hat im Kloster Walkenried auf jeden Fall jeden einzelnen davon zelebriert.

Ja, man sollte aufhören wenn's am schönsten ist. Geleistet hat das Abegg Trio Überragendes. Aber wie gesagt, die Abschiedstournee der Puhdys dauert ja immer noch an. Vielleicht nehmen sich Beetz, Erichson und Zitterbart ja auch daran ein Beispiel.



Die Website des Abegg Trio
Das Abegg Trio bei wikipedia

Die Kreuzgangkonzerte im Kloster Walkenried


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