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Zwischen Poesie und Klamauk

Duo Mimikry im Zappelini -Zelt

Die sogenannte Kleinkunst hat es schwer, besonders in Zeiten der Pandemie. Auf jeden Fall hätte der Auftritt des Duo Mimikry im Zappelini-Zelt mehr Publikum vertragen. Mit dem Programm "Tasty Biscuits" haben Rocher und Liermann gezeigt, wo die Messlatte für Pantomime heutzutage hängt, nämlich sehr hoch. 

Es ist schon eine unverschämte Koketterie zu behaupten, man sei die schlechtesten Pantomimen der Welt. Das mag stimmen, wenn man die Maßstäbe der 70-er Jahre anlegt. Aber wer macht das?

"Visual comedy" nennen die beiden Berliner ihr Konzept. Aber es geht nicht nur um Lacher sondern auch um Emotionen, die die beiden so fast ohne Worte darstellen. Das ist sicherlich nicht für Feingeister, denn die Gesten sind in der Regel raumgreifend und die Gesichter plakativ. Oft genug poltert und klappert es aus dem Hintergrund. Doch das Duo kann ganz auf die Ausdruckskraft ihrer Körper und Bewegungen vertrauen und auf Requisiten verzichten. Das Publikum denkt sich die fehlenden Teile. Überhaupt gelingt dem Duo das Spiel mit den Zuschauern und ihren Erwartungen. 

Die Komik besteht dann meist darin, dass sie gewohnte Verhältnisse auf den Kopf stellt. Da wird in der Geschichte "Superman beim Zahnarzt" ganz klar. Der Superheld wird vom Dentisten an den Rande des Nervenzusammenbruchs gebracht. Dabei funktioniert Nicolas Rocher die Kanzlerinraute zum Erkennungssymbol der Sadisten um. Wer auf die Details schaut, hat mehr von der Vorstellung. Deswegen ist diese Pantomime ein Angebot an die Erwachsenen.  

Emotionen ohne Worte aber mit Gestik
und Mimik.     Foto: Duo Mimikry

Aber sie können auch wortlos Geschichten erzählen. Die Show startet mit dem Raub der vier Kekse, der Tasty Biskuits eben. Es ist ein munteres Spiel mit popkulturellen Versatzstück und mit der Musik und dem Tempo der Rififi-Filme der 60-er Jahre. Würden Peter Selles oder David Niven auf einmal auf der Bühne stehen, niemand würde sich wundern. 

Im Erzählen liegt überhaupt die Stärke von Liermann und Rocher. Es sind auch Geschichten wie die vom Puppenspieler  Pepe und seiner Handpuppe Eric. Diese verlangt ein hohes Maß an Koordination, spätestens als Puppenspieler und  Puppe gemeinsam jonglieren.

Aber es ist vor allem eine feine Dramaturgie. Stück für Stück kehren sich die Machtverhältnisse um, Für das Publikum ist es ein Entwicklung in poetischen Bildern und mit kleinen Merkmalen. Immer häufiger übernimmt Eric die Kontrolle und es verwundert nicht, dass zum Schluss Pepe als willenlose Puppe auf dem Hocker sitzen bleibt. 

Diese Umkehrung der Verhältnisse bestimmt auch die Geschichte vom König und seinen Narren. Nur geht es hier robuster zu. Da wird viel gefochten ohne Schwert. Es fallen Stühle, die nicht sichtbar sind, und es rollen Köpfe, die auf keinem Hals sitzen. Aber es darf fürchterlich viel gelacht werden und am Ende siegt die Freundschaft von König und Narr, 

Doch manchmal  bleibt einem das Lachen im  Halse stecken. In der gewaltüberladenen Nummer "Cheeseburger Comedy Club" machen Liermann und Rocher sehr deutlich, dass vieles, was in den Medien als Komik daher kommt, auf der Erniedrigung des Anderen basiert. 

Da ist es doch gut, dass der Abend mit der überdrehten  Heavy-Speed-Death-Metal-Nummer endet. Harte Jungs werden hier entzaubert und nach so viel Tempo ist alle Last weggeblasen. 



Material #1: Das Zappelini-Zelt - Die Website  


Material #2: Duo Mimikry - Die Website

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