Direkt zum Hauptbereich

Wagners Welt in 105 Minuten

Weimar Brass und Markus Fennert präsentieren Ring in Rekordzeit

Wagner-Fans müssen dicke Bretter bohren und Sitzfleisch haben. Laut anerkannter Zeitrechnung dauert "Der Ring des Nibelungen" mit allen vier Teilen mehr als 16 Stunden. Dass dies auch kürzer geht, haben Markus Fennert und das Quintett Weimar Brass am vergangenen Wochenende bei den Kreuzgangkonzerten bewiesen. Sie schafften den Parforceritt durch mystische Gefühlswelten in 105 Minuten.

Trotz der Rekordzeit vermisst man nichts. Das ist vor allem Uwe Komischke und dessen Arrangement zu verdanken. Der Trompeter hat Wagners bombastisches Werk auf das Wesentliche reduzieren. "Der Ring" braucht lediglich vier Stimmen: Trompete, Posaune, Horn und Tuba. Alles andere ist Gedöns und Streicher werden überbewertet. Gerade die Reduzierung auf die Blechbläser entspricht der düsteren Grundstimmung in Wagners Werken. 

Zudem ist es Komischke gelungen, aus Wagners überbordender Klangwelt die bestimmenden Melodien herauszufiltern. Das macht den Ring und seine viert Teile ohne bleibenden Schäden konsumierbar. 

Das Quintett ist ein Ensemble aus Talent und Erfahrung. Vor allem Emanuel Jean-Petit-Matile, der an diesem Abend Jörg Brückner am Horn vertritt, kann sich mehrfach als Solist auszeichnen und ist mehr als ein Ersatz. Zudem ist die Kombination aus Parforceritt und Horn offensichtlich gelungen. 

Uwe Komischke und Andrea Marques Sancho an den Trompeten erweisen sich als gutes Duett. Besonderes ihr Wechselspiel steckt voller Leben und kontrastiert mit seinen hellen Momenten diese finstere Grundstimmung.

Nun ist das Zusammenspiel aus Erzählung mit sonoren Bass, düsteren Texten und Musik kein neues Konzept. Carlos Perón hat seit den 90er Jahren mehrere solcher Projekte mit bleibendem Erfolg umgesetzt. Aber hier kommt das schauspielerische Talent von Markus Fennert hinzu und das öffnet eine Dimension, die ähnliche Umsetzungen nicht bieten.

Dem Schauspieler gelingt es gleich zu Beginn, die sprachlichen Herausforderungen eines Wagner-Textes zu verdeutlichen. Mit Freude zitiert Fennert den Meister. Sein "Weia! Waga! Woge, du Welle! walle zur Wiege! Wagala weia! Wallala weiala weia!" scheint geradezu aus dem Mund des Redners zu sprudeln. Ähnliche Perlen der verkrampften Alliteration streut Fennert im Laufe des Programm immer wieder unters Publikum.

Es ist nicht klar, ob Fennert sich an solchen Wortungetümen erfreut oder ob er bereits in den Bereich der Karikatur übergesiedelt ist. Auf jeden Fall präsentiert er eine erstaunliche Erkenntnis: Richard Wagner ist der Erfinder von Yoda-Sprech. Bedenke, gut Schauspieler du sein musst.

Das wirkt im Kreuzgang umso besser, weil der Vortrag, das mittelalterliche Gemäuer und die pointierte Beleuchtung ein stimmiges Gesamtbild sind, das die Atmosphäre der finsteren Nibelungenzeiten begreifbar macht. 

Markus Fennert reduziert den Vortrag auf die bestimmenden Elemente, auf den roten Faden gewissermaßen und der ist blutrot. Ständig wird betrogen, gemeuchelt und gemordet. Die Götter sind nur allzu menschlich. Eifersucht und enttäuschte Liebe sind ihre Triebfedern und der "Ring des Nielungen" steckt voller Sex and Crime. Nächste Erkenntnis: Wagner ist das Original und "Games of Thrones" und der "Herr der Ringe" nur saftlose Coverversionen.

Damit bietet Fennert den Nicht-Wagnerianern endlich mal den Durchblick durch das Gestrüpp des Mammutwerkes. Er wird zum Wegweiser im Beziehungsdschungel. Verschlungene Pfaden werden einigermaßen begradigt. Aber der mündliche Vortrag steht streckenweise so sehr im Vordergrund, dass der musikalische Beitrag fast zum Beiwerk wird.

Die Inszenierung stellt somit Wagners Unterfangen, die absolute Musik zu schaffen, sehr infrage. Alles, was an diesem Abend geblasen wird, ist zweckgebunden. Es hat lediglich die Aufgabe, Stimmung zu erzeugen und den Text zu bekräftigen. Mit dieser Tonmalerei wird Richard Wagner zum Vorreiter der Programmmusik. Das ist das Transzendente, das über den Momente hinausweisende an diesem Abend. Weimar Brass und Markus Fennert gelingt es, den Titanen Wagner vom Sockel zu holen und zu erden. Dafür haben sie reichlich Applaus verdient.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Dieter Nuhr offenbart sich als Menschenfreund in Vollzeit

In Goslar zeigt er Werke, die Distanz schaffen Seit dem Auftritt von Christo hat keine Werkschau in Goslar solch ein Aufsehen erregt. Dieter Nuhr stellt dort aus unter dem Titel „Du denkst an durchfahrene Länder“. Es geht um Menschen und Landschaft, denen der Mann vom Niederrhein auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.  Zur Vernissage am 21. Juli war der Garten im Mönchehaus Museum bis auf den wirklich allerletzten Platz belegt. Direktorin Bettina Ruhrberg und Dieter Nuhr machten im Einführungsgespräch deutlich, dass man den Kabarettisten und Künstler voneinander trennen sollte, auch wenn es nicht immer gelingt. Schließlich geht es um zwei Seiten derselben Person.  Dieter Nuhr begann sein Studium als Kunstlehrer 1981 an der Folkwangschule in Essen. Er wollte Künstler werden, sein Vater bestand auf den Lehrer. ein typischer Kompromiss für die alte Bundesrepublik der 70-er und 80-er Jahre. Dass er dann Kabarettist geworden ist, bezeichnete er als Unfall und dann als Glücksfa...

Viel Abwechslung mit nur einem Instrument

Vier Cellisten beim Kammerkonzert im Kunsthaus Wer Piazzolla spielt, kann kein schlechter Mensch sein. Schon gar nicht, wenn´s gleich zweimal Piazzolla ist. Bis es soweit ist, darf das Publikum einige andere Highlights beim Kammerkonzert der vier Cellisten im Kunsthaus Meyenburg erleben. Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause gibt es bedächtige Romantik, nach der Pause wird es rhythmusbetont. Kein Grund zur Besorgnis: Das Cello schafft das schon. Das Instrument und das Ensemble bringen dafür ausreichend Potential mit. Erst klassisch, .... Den Auftakt macht Joseph Haydn und sein "Divertimento in D-Dur". Dies hat er einst für eben die Besetzung des Abends geschrieben, für vier Celli. Im zweiten Satz ist das Quartett das erste Mal gefordert. Das Allegro di molto verlangt ein präzises Zusammenspiel, damit der Dialog der Instrument funktioniert und er funktioniert. Im Allegretto des anschließenden Menuetts zeigt Sebastian Hennemann, dass ein Cello tanzen und hüpfen kann...

Hier zerbricht mehr als nur ein Krug

Beichl verschiebt Kleist in die Gegenwart  Der Meister des Klischees und der Plattitüden überrascht positiv. Mit seinem "Zerbrochenen Krug" am Deutschen Theater Göttingen legt Moritz  Beichl legt eine Inszenierung vor, die Themen zu Tage fördert, die ansonsten unter dem Deckel das Schwanks verborgen bleiben. Damit macht er aus dem Klassiker der Aufklärung ein Stück für die Gegenwart. Premiere war am 7. Dezember. Dabei kann er auf starke Besetzungen in den Nebenrollen bauen. In Bastian Dulitsch als Gerichtsschreiber Licht und Leonard Wilhelm als  Bauernsohn Ruprecht Tümpel überzeugen mit starken Darstellungen von Menschen, die sich auf ihre Weise gegen das ancien régime wehren und damit erfolgreich sind. Am Ende steht eine neue Ordnung, die menschengemacht ist. Denn letztendlich siegt die Macht der Liebe über die Selbstherrlichkeit des Dorfrichter Adam. Als Intro wird auf den Gaze-Vorhang ein Video-Clip projiziert, in dem sich Eve und Rupprecht knutschen und kusch...