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Mozart und Marley sind Cousins

Gelungenes Crossover: Uwaga! bei den Kreuzgangkonzerten

Schubladen haben keinen Sinn und die Grenzen sind fließend. Das ist das Konzept von Crossover. Mit Uwaga! war am Freitag einer der Pioniere dieser musikalischen Spielart zu Gast bei den Kreuzgangkonzerten. Das Quartett hat deutlich gemacht, dass Crossover nichts für den Kopf ist sondern für das Tanzbein. Er kann auch Spaß machen.

Im Südharz war bisher nicht bekannt, dass die Violine eigentlich die kleine Schwester der E-Gitarre ist. Diese Wissenslücke haben Christoph König und Maurice Maurer am vergangenen Wochenende geschlossen. Ein ums andere Mal duellierten sich die beiden Virtuosen wie einst Peter Frampton und Jimmy Page und andere Gitarrenhelden der 70-er Jahre.

Um so etwas leisten zu können, muss man sein Streichinstrument schon exzellent beherrschen. Es verlangt zudem ein gewisses Maß an blindem Verständnis. Nur wer ganz genau hinhörte, bemerkte die zwei bis drei verpatzten Einsätze. Doch das tat der Stimmung keinen Abbruch.

Die Abwesenheit von Notenständern ist die nächste Parallele zur Rockmusik. Alles, was ertönt, liegt irgendwo zwischen knallhart einstudiert und frisch improvisiert. Nur Kontrabassist Jakob Kühnemann schaute gelegentlich aufs Blatt.

Dabei ging der Abend so ruhig los. Maurer schwelgte auf der Violine in weit ausholenden Bewegungen in Melancholie, dann bekam er Unterstützung von Miroslav Nisic am Akkordeon. Als dann König und Kühnemann einstimmten, nahm der Zug durch die musikalischen Welten deutlich an Fahrt auf und dieser Zug hatte keine Bremsen.

Es ging kreuz und quer durch den Kräutergarten, die Jahrhunderte und die Stilrichtungen. Balkan Beats trafen auf Barock und die zwei Geigen von Johann Sebastian Bach klangen, als wäre es eigentlich ein Song von Led Zeppelin. Bei der Gelegenheit hat das Quartett gleich noch eine Wissenslücke geschlossen: Wolfgang Amadeus Mozart war im tiefsten Herzen Rastafari und Cousin des Reggaegotts Bob Marley.

Uwaga! mischen seit 10 Jahren nicht nur erfolgreich Klassik und Rock. Die Basis ist vielmehr der Jazz und sein Verständnis des gemeinsamen Improvisierens und Entwickelns. Klingt trocken, geht aber ab wie The Who ohne Keith Moon.

Die Rhythmusgruppe fehlt im Quartett. Doch das brauchen die vier Musiker auch gar nicht. Denn eine Geige kann auch eine Bongo sein und ein Akkordeon ersetzt sowie ein vollwertiges Drumset.

Der Zug hatte keine Bremsen, aber immerhin einen kleinen Gang. Dass Uwaga! auch die langsamen Melodien beherrscht, bewiesen die vier mit der Eigenkomposition „Kein Weltuntergang“. Die fünf Minuten 45 zum Durchatmen waren an der Stelle auch nötig.

Doch die größte Überraschung lauerte an diesem Abend im Hintergrund. Eine dreiviertel Stunde lang mimte Jakob Kühnemann den soliden Bassisten, der für andere den musikalischen Teppich auslegt. Dann setzte er zu seinem ersten Solo an und eröffnete eine neue Klangwelt.

Er strich, er zupfte, er klopfte, er groovte und swingte und der Zuhörer wünschte, dass es niemals aufhören möge. Musste es dann doch irgendwann, aber Kühnemann konnte an diesem Abend mehrfach beweisen, dass er seine zahlreichen Auszeichnungen zu Recht bekommen hat.

Anfangs fremdelte das Publikum ein wenig mit der überbordenden Darbietung, aber spätestens nach dem Bach-Werk in der Led-Zeppelin-Version hagelte es Beifall. Doch Headbangen hat sich dann keiner getraut. Einzig der Zuschauerzuspruch hätte größer ausfallen können, ja müssen. Doch bestimmt bekommen die Südharzer noch einmal das Angebot, zusammen mit Uwaga! Wissenslücken zu schließen. Das Angebot sollten sie nicht ablehnen.




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