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Ein Heim, das nicht immer funktioniert

Das steptext dance project zeigt den Körper als ein Zuhause

Der Körper ist die Urform des Zuhauses. Es kann ein harmonisches Heim sein, das Verhältnis kann aber auch gestört werden. Dies zeigt das Tanztheaterstück  "Homescape" des steptextdance project beim "Neue Heimat"-Festival am Deutschen Theater in Göttingen. Das Werk des Österreicher Helge Letonja erlebte zusammen mit "The House That Never Walked" am 2. November die Premiere als Doppelvorstellung.
Das steptext dance project ist eine gemeinsame Arbeit von sengalesischen und europäischen Tänzern, die sich im letzten Jahr zu ersten Mal in der École des Sables und in Bremen trafen. Ihr Thema ist das Zuhause, die Migration, der Austausch der Kulturen und der Dialog in den Formen des zeitgenössischen Tanztheaters. Während sich das Werk von Opiyo Ockach dem externen Aspekten des Heimat widmet, der Interaktion der Beheimateten und der Heimatlosen, sagt Letonja: Es gibt immer eine Heimat und das ist der eigene Körper.

Noch ist der Tanz bei "Homescape" ein Gottesdienst
für den Körper.
Foto: Merit Esther Engelke
Ein schwacher Spot beleuchtet auf einer schwaren Bühne einen einzelnen Tänzer. Man ahnt ihn mehr, als dass man ihn sieht. Er bewegt sich schnell und rhythmisch. Das Auge des Betrachter kann gar nicht allen Figuren folgen. Die Bewegungen scheinen Selbstzweck zu sein, aber sie sind fließend und rund. Das ist Harmonie, dieser Körper bleibt im Lot, strahlt keine Hektik aus, sondern hat in seiner Bewegung einen Ruhezustand gefunden. Bei allem Stauen muss man doch zugeben: Das ist keine Hexere, das ist reine Mittelstufen-Physik, nur eben in einer ästhetischen Version.
Im dreiviertel Dunkel ziehen nun acht Figuren über die Bühne. Sie stampfen einen Rhythmus. Ist das eine Hommage an ostafrikanische Tänze, an den Steptanz amerikanischer Baumwollsklaven oder schimmert hier ein alpiner Schuhplattler durch? Die Antwort ist zweitrangig, denn Tanz ist ein interkulturelles Gut. Rhythmus ist ein Urprinzip und eint die Menschen über Grenzen hinweg. Das ist die Aussage und sie ist verständlich umgesetzt.
Mit Kapuzen bekleidet gleicht die Prozession einem Zug gregorianischer Mönche. Nun beginnt der Gottesdienst für die Möglichkeiten, die ein Körper an Ausdruckmöglichkeiten bietet.
Alle Tänzerinnen und Tänzer tragen den selben Dress, fließenden Stoff, der die runden Bewegungen unterstützt. Helge Letonja verzichtet in diesem Teil auf eine klare Rollenzuweis und Uta Heiseke setzt dies mit den Kostümen um. Der erste Teil vom "Homescape" kennt keine Soli. Freude ist allgemein und eint die Menschen, vor allem, wenn man sie die eigene Freude mit anderen teilen kann.
Stärker als im "The House That Never Walked" setzt das Licht von Laurent Schneegans und Frauke Richter einzelne Akzente.
Der Schmerz ist eine Störung des
Körpergefühls.
Foto: Merit E. Engelke
Dann gibt es den klaren Schnitt. Das Bild wandelt sich. Ein grelles Neonlicht beleuchtet eine Bühne in Krankenhaus-Optik. Eine gekrümmte Figur links hinten weckt Gummizellen-Assoziationen, das Rot .
Jenny Ecke betritt die Bühne und zeigt einen Körper, der nicht mehr so will, wie er soll. einen Körper, dessen Besitzerin ihn erst zur Bewegung überreden muss. Mit der linken Hand führt sie den rechten Arm, auch die Beine wollen wohl nicht so recht. Das ist keine Harmonie mehr, das Verhältnis Mensch-Körper ist gestört, die Klangkollage von Michael Grebil wird zur Säge, die Nerven trennt . Hier tanzt der Schmerz, das ist eindeutig. Leiden macht einsam. Aus dem Kollektiv, nun sind alle Tänzerinnen und Tänzer zu unterscheiden. Jeder und jede tanzt ihr Form des Leidens. Virgina Gimeno Folgado versagt die Zunge, ihr fehlen die Worte, die Kommunikation ist gestört.
Doch Letonja lässt keinen Raum für Verzweiflung. Da ist immer eine helfende Hand, Menschen stützen einander, machen sich gegenseitig wieder mobil.Wer nicht mehr kann, der wird getragen.
Wo wir uns zuhause fühlen, das ist zweitrangig. Erst wenn wir in uns selbst beheimatet, dann finden wir eine Heimat auch im Äußeren. Das zeigen das steptext dance project und Helge Letonja. Das Publikum dankt für diese Weisheit und ihre eindringliche Inszenierung mit tosenden Beifall. Zu Recht.


Teil 1: "The House That Never Walked"


Die École des Sables  im Web

Das steptext dance project im Web

Das Deutsche Theater in Göttingen




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