Dienstag, 25. März 2014

Eine Annäherung an Schiller

Laberenz inszeniert die Jungfrau mit Studio-Appeal

Der Krieg ist immer eine Tragödie und deswegen muss Schillers "Johanna von Orleans" auch tödlich enden. Die Frage ist nur, wie der Weg auf den Scheiterhaufen führt. Mit seiner Inszenierung  hat Martin Laberenz eine zeitgemäße Annäherung an Schillers Stück über Berufung und Töten auf die Bühne des Deutschen Theaters in Göttingen gebracht, die eine Antwort auf diese Frage liefert und auch eine Neuinterpretation der Jungfrau ermöglicht.
Dass diese Aufführung ein Herantasten ist, ein Werkstück werden soll, macht der Einstieg deutlich. Der Vorhang ist offen, die Schauspieler sitzen auf der kargen Bühne, unterhalten sich, stehen auf,gehen, kommen wieder. Sie laufen sich warm für die Auseinandersetzung Ensemble gegen Schiller, ist der erste Eindruck. Hier wird gleich gearbeitet, schweißtreibend und nicht hochtrabend, und Schiller wird vom hohen Sockel des deutschen Nationaltheaters geholt.
Da sind immer wieder die Baumstämme.
Alle Fotos: DT/Nils Bröer
Ein paar Stühle,eine Madonnenstatue und immer wieder Holz. Auf jeden Fall weckt das reduzierte Bühnenbild von Volker Hintermeier Assoziationen an die Textarbeit des Studiotheaters. Die Reduktion erlaubt die Konzentration auf den Text, verleiht den Worten ein Übergewicht. Aber der Text ist nicht mehr derjenige von 1801. Er hat ein behutsames Facelifting erlebt. In dieser Inszenierung steht das Original gleichberechtigt neben aktuelle Formulierungen.
Ihren Höhepunkt erreicht der Zeitbezug beim  Duett von Meinolf Steiner als Graf Dunois und Andreas Jeßing als französischer Offizier La Hire. Da wird gewitztelt, gefrötzelt improvisiert und auch schon ausgeplaudert, wer zum Ende der Spielzeit das Ensemble verlassen wird. Das Publikum und die Souffleuse werden in das muntere Spiel in Talkshow-Manier einbezogen. Wie gesagt, Schiller wird vom hohen Sockel des deutschen Nationaltheater heruntergehoben, nicht heruntergestoßen.
Das Spiel mit dem Publikum ist Programm. Bereits in der ersten Szene sucht Florian Eppinger als Vater Thibaut D'Arc den Kontakt zu Zuschauer, als er seiner Tochter Johanna die Herren im Parkett als mögliche Gatten anpreist. Doch der Übergang von der Tragik in die Komik und zurück gelingt nicht immer so gut, wie an diesen Stellen, wirkt manchmal doch sehr gewollt.
Die Tochter steht derweil unter einem Baumstamm, dem Druidenbaum, und schweigt. In dieser an Requisiten armen Aufführung sind der Baum und Ast die zentralen Element. Er ist Lebensspender und Beschützer, sie sind Material für die Schanzen und den Scheiterhaufen. Immer liegt irgendwo Holz herum, liegt im Weg, ist Stolperfalle.
Vanessa Czapla (rechts) hat nur wenige
Momente des Zweifels. 
Zentrale Figur ist eben die Johanna und Vanessa Czapla wird den Erwartungen gerecht. Sie ist die Gottdurchleuchtete, sicher und bestimmt und im Auftrage des Herren unterwegs. Die Gestik ist fest und bestimmt, Die Stimme , lässt nur an den wenigen Stellen Unsicherheit erkennen, an denen Johanna zweifelt. Aber sie wird auch zum kalten Todesengel, als sie, die vermeintlich schwache Frau, den wallischen Feldherren Montgomery mit bloßen Händen erwirkt. Diese Lesart der Jean D'Arc ist eine der Neuerungen in der Inszenierung von Martin Laberenz. Auch das Vorspiel zu diesem Mord aus Berufung gehört zu den Höhepunkten des Abends. Durch einen schwarzen Gaze-Vorhang getrennt , in Gut und Böse geteilt, vermag es Vanessa Czapla in de Titelrolle, dem Schlachtenlenker auf der Flucht ihren Willen aufzuzwingen. Als er die Grenze überschreitet, ist er schon dem Tode geweiht. Als sie später die Rüstung der Berufung und der Jungfräulichkeit ablegt und sich in den englischen Anführer Lionel verliebt, ist auch sie dem Tode geweiht.
Die Dynamik bezieht diese Aufführung aus dem Kontrast zwischen Ruhe und Rasanz. Alle sieben Schauspieler singen und summen zu Auftakt einen Kanon, der vom Innehalten erzählt, erst dann mit das Drama seinen Lauf.Gerenne und Gestolper halten vor einen kurzen Moment inne als der Hof des französischen Königs nach dem Sieg bei Orleans zusammensitzt und wieder diesen Kanon singt und summt. Dann nimmt die Tragödie noch mehr Fahrt auf. Diese Brüche verdichten das tragische Element. Es kann kein lustiges, kein ruhiges Leben im Krieg geben, das ist die neue Botschaft an diesem Abend.

Der Spielplan
Das Stück in der Selbstdarstellung




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