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Mehr als ein Auftakt nach Maß

Oberlinger und Cummings machen neugierig auf Händel-Festspiele

Bei aller Vorsicht im Umgang mit Superlativen, aber das Konzert von Dorothee Oberlinger und Laurence Cummings am 26. April im Ursulinenkloster in Duderstadt war nicht nur ein Auftakt nach Mass für die Händel Festspiele 2015. Es war eine Sternstunde der Barockmusik, die das Publikum zwei musikalischen Partner auf Augenhöhe zu verdanken hat.
Das Erstaunlichste an diesem Abend war die Vorkenntnisse, dass Oberlinger und Cummings erst zum zweiten Mal gemeinsam eine Bühne betreten hatten. Die Premiere gab es erst am Vortag. Aufdie Gefahr ein Floskel zu gebrauchen, aber dies spricht für das sehr hohe Niveau der beiden Künstler und dem gleichen Verständnis von Konzertmusik. Keiner der beiden drängte sich nach vorne, beide ließen Raum für den anderen. Das Tempo und die Übergänge waren durchweg gelungen.

Am Anfang war das Cembalo und das Cembalo war im
Kloster und es sprach. Alle Fotos: tok 
Aber am erstaunlichsten war vielleicht die Erkenntnis, wie vielfältig, wie nuancenreich die Kombination Cembalo und Flöte sein kein, wie viele Klangfarben in der Kombination dieser beiden Instrumente stecken.
Gerade Laurence Cummings bewies, dass er ohne Frage zu den Größten seiner Zunft gehört. In den Solostücken aus Händels Suite Nr. in d-Moll zauberte er den gesamten Klangraum aus dem Cembalo, das viele für limitiert halten.
Vielleicht eröffnen Cummings und Oberlinger an diesem Abend für viele der 230 Besucher eine neue Dimension. Antonio Salieri soll ja mal behauptet haben, dass der Mensch nur eine begrenzte Menge an Tönen verarbeiten kann. Sollte es diese Begrenzung wirklich geben, dann hat Händel  diese Grenze im Air con Variazoni und im Presto seiner Suite Nr. 3 ausgelotet. Laurence Cummings schafft es, diesen Reichtum an Tönen transparent zu machen und gleichzeitig das Stück vor Überladung zu bewahren. Die getragene Allemande und die Courante sorgen für die Kontrapunkte in diesem fröhlichen Programm, das damit ein vollständiges ist.
Das Programm ist zweigeteilt. Vor der Pause dominieren die frühlingshaften Stücke, die Werke voller Licht. In der Sonatein C-Dur von Händel scheint Dorothee Oberlinger wie ein Vogel im Sonnenlicht von Ton zu Ton zu hüpfen, um das Auditorium mit in die Höhe zu nehmen. Gleiches gelingt ihr in der Sonate op. 1 von Sammartini.
Die Sonate op. 5 Nr. 10 in F-Dur von Corelli offenbart dann etwas, was viele schon immer vermutet haben. Barock und Jazz sind Verwandte im Geiste. Oberlinger und Cummings geraten ins jammen.
Zum Schluss waren nicht nur die Schwestern
zufrieden.
Als kleine Oper bezeichnete Dorothee Oberlinger die Sonate C-Dur aus dem Essercizii Musici von Telemann. Dieser war ja auch ein bekennender Anhänger der Flöte und Dorothee Oberlinger übersetzt alle sechs Stimmungen dieser kleinen Oper in den Klangraum des Klosters.
Überhaupt trägt auch die klare Klangstruktur der Klosterkirche zum Erfolg dieses Abends bei. Der nüchterne Raum hat keine ungewollte Echos und verzerrt auch nicht durch Hall. Die Transparenz der Töne und damit Leichtigkeit der Musik profitiert enorm von den Gegebenheiten des Raums.
Gab es im Programm schon reichlich Applaus, so braust am Ende einer wahren Beifallssturm durch die Klosterkirche. Zwei Zugaben kann sich das Publikum an diesem Abend erklatschen. Verkraftet hätte es noch mehr. Auch wieder mit Floskelgefahr: Aber man soll ja aufhören, wenn es am schönsten ist.




Die offizielle Website der Händel Festspiel

Die Website von Dorothee Oberlinger
Dorothee Oberlinger bei wikipedia

Die Website von Laurence Cummings
Laurence Cummings bei wikipedia

Eine ähnliche Konstellation bei den Festspielen 2013

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